Die Krise der EU führt zu immer weiteren Auseindersetzungen innerhalb der Union. Derzeit streiten der deutsche Bundeskanzler Schröder und der britische Premier Blair um den Britenrabatt und Agrarsubventionen. Kommissionspräsident Barroso versucht, mit Zuversicht Ruhe in die eigenen Reihen zu bringen
In der EU geht die Auseinandersetzung über die künftige Ausrichtung der Union weiter. Während Bundeskanzler Gerhard Schröder und der EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso bei einem Treffen in Aachen am 22. Juni zur Überwindung der Finanz- und Verfassungskrise den europäischen Geist beschworen, hält die Kritik aus Großbritannien an. Finanzminister Gordon Brown nannte die Wirtschaftspolitik der EU „nicht nur veraltet, sondern kontraproduktiv“. Am heutigen Donnerstag will Premierminister Tony Blair seine Pläne für die am 1. Juli beginnende britische EU- Ratspräsidentschaft vor dem Europaparlament erläutern.
Bei seiner Rede wolle er ein Plädoyer für umfassende Reformen in der EU halten. Er sei ein „leidenschaftlicher Europäer“ und werde sich gegen die „verzerrte Darstellung“ seiner Position in Europa zur Wehr setzen, erklärte Blair im Gespräch mit dem „Handelsblatt“ und dem „Tagesspiegel“.
Ohne Blair direkt anzusprechen warnte Schröder in einem Beitrag für die „Bild“-Zeitung vor nationalen Alleingängen. Europa sei ein erfolgreiches Gesellschafts- und Sozialmodell. „Wer nun glaubt, dieses Modell – aus nationalem Eigensinn oder aus populistischen Motiven heraus – zerstören zu wollen, der versündigt sich an den Wünschen und auch an den Rechten künftiger Generationen“, schrieb Schröder.
„Die Auseinandersetzungen der letzten Tage und Wochen haben deutlich gemacht, wir stehen auch in Europa in den nächsten Monaten vor einer Wahl zwischen zwei Polen. Die einen wollen die Europäische Union entkernen und sie auf eine Art Freihandelszone reduzieren. Die anderen wollen eine politisch aktive und gestaltende Europäische Union erhalten“. Für Letzteres stehe er, schrieb der Kanzler weiter.
Auch nach ihrem Treffen in Aachen hatten Schröder und Barroso am 22. Juni davor gewarnt, Europa lediglich als Markt zu verstehen. „Europa braucht Geist und Gefühl“, sagte Barroso. Nach Ansicht Schröders müssen „die europäischen Institutionen – das europäische Parlament, die Kommission – und die überzeugten Europäer enger zusammenstehen“. Die Position Europas als „Wirtschaftskraft, Friedensmacht und Sozialidee“ müsse gefestigt werden, so Schröder.
Vor Vertretern der britischen Wirtschaft in London forderte Finanzminister Brown am 22. Juni erneut eine grundlegende Reform der EU-Agrarpolitik, da diese „ineffizient“ sei. Der Konkurrenzdruck durch die USA und China sei so groß, dass die EU eine Liberalisierung ihrer Märkte nicht länger aufschieben könne. „Europa muss reformiert werden – und zwar schnell“, sagte Brown. Die EU- Regierungschefs müssten einsehen, dass „die alten Annahmen zum Föderalismus nicht mehr den Realitäten unserer Zeit entsprechen“. (dpa)