Rettungsschirme sind mit Regenschirmen vergleichbar. Bei einem Sturm knicken sie leicht um, bei Sonnenschein sind sie lästig. Die Europäer haben im Frühsommer ihren Euro-Rettungsschirm konstruiert und eingesetzt, befristet auf drei Jahre, so wurde es gesagt. Da sich nun aber die Finanzlage einer Reihe von Eurostaaten möglicherweise nicht so schnell stabilisieren lässt, wird bereits jetzt über eine mögliche Verlängerung des Rettungsschirmes nachgedacht.

Das könnte sich als fatal erweisen, da, langfristig gesehen, der Rettungsschirm eher Schaden als Nutzen stiften dürfte. Schließlich gelten für die staatlichen Finanzen dieselben Grundregeln wie für die privaten: Wer nicht für seine selbstverursachten Fehler haften muss, kommt leicht in Versuchung, es sich auf Kosten anderer gut gehen zu lassen. Finanzdisziplin ist im Kleinen (Privatbereich), wie auch im Großen (Staatsfinanzen) oft nur zu erreichen, wenn die Kreditnehmer ihre eigene Pleite einkalkulieren müssen und dafür haftbar gemacht werden.
Es ist verständlich, dass die Europäische Zentralbank (EZB) von der Politik fordert, notfalls den Rettungsfonds von 750 Milliarden Euro unbegrenzt existieren zu lassen. Schließlich ist es nicht die Aufgabe einer Nationalbank, für die schlechte Haushaltspolitik des Staates einzustehen. In der Eurozone hat man mit diesem elementaren Lehrbuchsatz vor ein paar Monaten gebrochen: die EZB kauft seither Staatsanleihen auf, und versorgt damit die Märkte mit zusätzlichem Geld. Letzteres ist zwar Aufgabe einer jeden Nationalbank, nicht jedoch über diesen Weg.

Der Ankauf von Staatsanleihen durch die Zentralbank bedeutet, dass eine künstliche, auf dem Markt so nicht bestehende Nachfrage nach Staatspapieren mit mehr oder weniger schlechter Bonität erzeugt wird. Schlecht wirtschaftende Regierungen finden so Nachfrager nach ihren Anleihen und können sich zu relativ niedrigen, auf jeden Fall nicht marktgerechten Zinsen weiter verschulden. Auch der Euro-Rettungsfonds schafft trotz aller harten Auflagen eine trügerische Sicherheit für schlecht wirtschaftende Regierungen. Man weiß ja, dass man im Extremfall der eigenen Zahlungsunfähigkeit Kredite aus dem Fonds bekommt, sich also nicht unbedingt am eigenen Schopfe aus dem Verschuldungschlamassel herausziehen muss.

Eine wirkliche Abschreckung erzielt man durch die Androhung einer Umschuldung, sprich der Möglichkeit eines Staatsbankrotts, bei der auch die Käufer der hochriskanten, weil von hochverschuldeten Regierungen ausgegebenen Staatsanleihen bluten müssen. Natürlich werden sich mit der Entwicklung der Staatsverschuldung in die Zone des Risikos eines Staatsbankrotts die Zinsen für die Anleihen nach oben bewegen. Neue Schulden werden also teurer, es beginnt sich schnell ein Schuldenkarussell in Bewegung zu setzen. Doch gestiegene Zinsen drücken nun mal ein gestiegenes Risiko aus und solche durch Staatseingriffe nicht verzerrte Signale braucht jeder Markt, um sich orientieren zu können.

Die 16 Staaten der Eurozone sollten deshalb nicht Zeit und Nerven verschwenden, sich schon kurz nach dem Start des Rettungsfonds Gedanken über seine Verlängerung zu machen. Besser wäre es, die Zeit zu nutzen, um ein Verfahren des geordneten Staatsbankrotts zu entwickeln. Für die Unternehmen gibt es solche Verfahren schon seit mindestens 100 Jahren, für Staaten schien das bisher ausgeschlossen. Weder Banken noch Staaten dürfen in einem solchen Verfahren zu groß sein, um Bankrott gehen zu können. Allerdings muss man darauf achten, dass nicht durch die Möglichkeit einer zu frühen Bankrotterklärung für die Haushaltssünder eine Möglichkeit geschaffen wird, sich aus ihrer Verantwortung zu stehlen. Der Konkurs wird natürlich das allerletzte Mittel sein, ausgeschlossen werden sollte er aber nach dem Einsatz von Sanktionen nicht.

Für Kasachstan sind solche Überlegungen bisher von ziemlich abstraktem, wissenschaftlichem Interesse. Schließlich ist die hiesige Staatsverschuldung beneidenswert niedrig. Dies ist allerdings nur teilweise ein Verdienst der Politik. Schließlich ist der Staat noch jung und hatte nicht richtig Zeit, um Schulden anzuhäufen. Dafür existiert hierzulande das Problem der insgesamt hohen Auslandsschulden. Das kann aber unter Umständen vergleichbare Prozesse wie in Europa auslösen, man kann also nicht mit absoluter Gelassenheit gen Westen schauen.

Bodo Lochmann

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