Der Flug des deutschen Astronauten Alexander Gerst vom russischen Weltraumbahnhof Baikonur in Kasachstan war ein medialer Höhepunkt dieser Woche. Unser Autor hätte den Flug allzu gerne vor Ort beobachtet, doch musste sich stattdessen mit der U-Bahnstation „Baikonur“ in Almaty zufriedengeben.
Am 6. Juni ist der deutsche Astronaut Alexander Gerst als Kommandant einer russischen Sojus-Rakete vom sagenumwobenen Weltraumbahnhof Baikonur mitten in der kasachischen Steppe zur Raumstation ISS gestartet. Er wird bereits zum zweiten Mal sechs Monate im Weltraum verbringen.
Während Gerst also auf dem Weg ins All ist, spaziere ich durch mein Viertel Koktem zur Metrostation „Baikonur“. Von hier aus sind es exakt 1418 Kilometer zur Startrampe Nr. 1: „Gararinski Start“. Von ebenjenem Startkomplex trat Juri Gagarin am 12. April 1961 seinen legendären Raumflug in der Rakete Wostok-1 an. Und von ebenjener Startrampe startete am Mittwoch auch die Sojus-Rakete mit „Astro-Alex“ an Bord.
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Baikonur selbst ist ein trostloses, gottverlassenes Städtchen, mitten in der endlos weiten, einsamen kasachischen Steppe. Die nächsten Städte und Dörfer sind hunderte Kilometer weit entfernt. Die Winter hier sind unerträglich kalt, ein eisiger Wind pfeift über die breiten Prospekte. Die Sommer dagegen sind furchtbar heiß, trocken und staubig. Dazu kommen die endlosen Moskitoschwärme. Eigentlich ein schauriger, ganz und gar lebensfeindlicher Ort.
Daran erinnert auch ein bisschen die U-Bahnstation „Baikonur“ in Almaty. Die Station ist schmucklos, am Ende der schlichten Bahnsteighalle ist eine Videoleinwand installiert, auf der von früh bis abends Raketenstarts gezeigt werden. Naja, ein bisschen träumen darf man ja, vom Fliegen, von Raketen, vom Weltraum…
Geplant in den 1980er Jahren, sollte die Station ein opulentes Denkmal der sowjetischen Raumfahrt werden. Die Sowjetunion hat ihre Helden der Raumfahrt immer verehrt. Doch der Zusammenbruch des sozialistischen Vielvölkerstaats zwang die Bauherren aber zum Baustopp; erst vor einigen Jahren konnte die Metro in Almaty überhaupt ihren Betrieb aufnehmen. Von den großen Plänen für die Station „Baikonur“ sind nur Name und die Videoleinwand mit den Raketenstarts in Endlosschleife übrig geblieben.
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In der usbekischen Hauptstadt Taschkent wurde hingegen mit der Eröffnung der Metrostation „Kosmonavtlar“ 1984 der sowjetischen Raumfahrt und ihren Helden praktisch ein persönliches Ehrenmal gesetzt. Die Station gleicht einem Tempel, einer Ruhmeshalle. Kurz vor dem Niedergang des sozialistischen Riesenreiches bekam sie noch die volle Ladung des sowjetischen Prunks mit.
Zum Start von Alexander Gerst vom legendären Startplatz Nr. 1 habe ich es wieder nicht geschafft. Einen Raketenstart im Kosmodrom zu beobachten, bleibt ein kaum erreichbarer Traum, denn Baikonur ist nach wie vor in erster Linie ein von Russland streng bewachter Militärkomplex. Im Jahr 2014, vor seinem ersten Raumflug, hat Gerst ein kleines Bäumchen in den trockenen Steppenboden gepflanzt, so wie es traditionell alle Raumfahrer dort machen.
Ich denke an diesen kleinen, unglücklichen Strauch. Ich denke daran, wie dieses kleine Gestrüpp versucht, dem kargen Wüstenboden Leben abzugewinnen. Es liegt auch etwas Schönes im Schlichten und Kleinen. Kasachstan ist ein hartes, raues Land. Das Leben da draußen in der Steppe entbehrungsreich. Auch im Weltall, auf seiner Raumstation, wird Alexander Gerst in den nächsten Monaten auf einiges verzichten müssen. Doch so trostlos die kasachische Steppe, so lebensfeindlich es da oben im Weltall ist: Beides sind Orte von wilder Abenteuerromantik, Pioniergeist und Raumfahrerfantasien.