Ende Oktober besuchte Bundestagsabgeordneter Stephan Mayer (CSU) Kasachstan. Als ordentliches Mitglied des Auswärtigen Ausschusses erläuterte er in einem Interview die deutsche Position zur weiteren Zusammenarbeit mit Kasachstan in den Bereichen Wirtschaft, Energie und der Unterstützung der deutschen Minderheit in Kasachstan.
Herr Mayer, wie würden Sie die strategische Bedeutung von Kasachstan für die Energieversorgung und -sicherheit Deutschlands beschreiben? Vor allem vor dem Hintergrund der globalen Spannungen.
Ich bin zutiefst überzeugt, dass Kasachstan ein wichtiger Partner für Deutschland in der Rohstoffversorgung ist – insbesondere im Bereich des Erdöls. Wir alle freuen uns, dass ein Vertrag unterzeichnet wurde, der die Möglichkeit vorsieht, die über die Druschba-Pipeline nach Schwedt gelieferten Mengen zu erhöhen. Damit ist die Versorgung der Raffinerie bis zum Ende dieses Jahrzehnts gesichert.
Ich denke, dass die Vertiefung der Beziehungen zwischen unseren Ländern künftig eine noch wichtigere Rolle spielen wird. Ich freue mich auch über die Vereinbarung zwischen unseren Ländern zur Lieferung von Erdöl und perspektivisch von Wasserstoff – das ist die nächste große Aufgabe. Deutschland wird mittelfristig mehr Wasserstoff benötigen, insbesondere grünen Wasserstoff, um den Bedarf an Öl und Gas zu senken. Hier sehe ich ein enormes Potenzial für eine neue Phase der Zusammenarbeit zwischen Deutschland und Kasachstan.
Wie würden Sie die Zukunft im Bereich Wasserstoffkooperation und erneuerbare Energien genauer charakterisieren?
Ich meine, dass Deutschland und Kasachstan beide von einer verstärkten Zusammenarbeit im Bereich Wasserstoff profitieren können. Mir wurde im Energieministerium mitgeteilt, dass hier im Westen Kasachstans eines der weltweit größten Unternehmen zur Wasserstoffproduktion errichtet werden soll. Deutschland wird in Zukunft große Mengen Wasserstoff benötigen und kann diesen nicht vollständig selbst produzieren. Der Import ist daher entscheidend, insbesondere für unsere Stahl- und Chemieindustrie in Zeiten der Dekarbonisierung. Eine enge Zusammenarbeit ist also lebenswichtig – Deutschland als verlässlicher Abnehmer, Kasachstan als stabiler Produzent. Wir müssen diese Partnerschaft weiterentwickeln. Deutschland verfügt zudem über technologische Erfahrung und Know-how, das wir gerne teilen. Kasachstan ist unser wichtigster Handelspartner in Zentralasien, und Deutschland ist für Kasachstan ebenso bedeutend. Diese enge Beziehung wird sich in Zukunft weiter vertiefen.
Was glauben Sie, wie können beide Länder ihre Industrieprojekte insbesondere in der Fachkräfteentwicklung besser aufeinander abstimmen?
Ich habe großen Respekt vor der wirtschaftlichen Entwicklung Kasachstans in den vergangenen Jahren. Etwa 400 Unternehmen des Landes unterhalten Verbindungen zu Deutschland, was deutlich zeigt, dass bereits enge Kooperation besteht, aber es gibt noch Potenzial nach oben. Deutschland bleibt ein starkes Industrieland, auch wenn wir derzeit Herausforderungen bewältigen müssen. Gleichzeitig ist Kasachstan ein attraktiver Standort für deutsche Investitionen und kann als wirtschaftlicher Knotenpunkt in Zentralasien fungieren. Astana liegt geografisch günstig – auf halbem Weg nach Südostasien – und könnte sich zu einem wichtigen Drehkreuz für deutsche Unternehmen entwickeln.
Welche Erwartungen haben Sie an die kasachische Regierung in Bezug auf die wirtschaftliche und energiepolitische Zusammenarbeit?
Ich glaube, es geht weniger darum, Erwartungen an die kasachische Regierung zu stellen, sondern vielmehr darum, selbst konkrete Angebote zu machen. Deutschland bleibt ein starkes, industriell geprägtes Land mit einem hohen Energiebedarf. Kasachstan wiederum verfügt über bedeutende Rohstoffe und großes Potenzial, insbesondere bei der Wasserstoffproduktion.
In den kommenden Jahren werden sich daraus zahlreiche Möglichkeiten zur Zusammenarbeit ergeben. Deutschland sollte keine fordernde Haltung einnehmen, sondern gezielte Partnerschaftsangebote unterbreiten – etwa beim Transfer von technischem Know-how, bei Investitionen in Zukunftstechnologien, Digitalisierung, künstlicher Intelligenz und Wassermanagement.
Diese Themen sind auch für Kasachstan von zentraler Bedeutung, und hier kann Deutschland mit seiner technologischen Erfahrung einen Beitrag leisten. Umgekehrt hat auch Kasachstan viele Ressourcen, um Deutschland in seiner Energiewende zu unterstützen. Ich bin daher zuversichtlich, dass sich unsere ohnehin sehr guten bilateralen Beziehungen in den kommenden Jahren weiter vertiefen und ausbauen werden.
Lassen Sie uns noch über die deutsche Minderheit in Kasachstan sprechen. Sie engagieren sich stark in Integrations- und Minderheitenfragen. Welche Rolle spielt die deutsche Minderheit heute für die Beziehungen zwischen beiden Ländern?
Ich besuchte die deutsche Gemeinschaft in Kasachstan erstmals vor zehn Jahren und war nun erneut in ihrem neuen Haus hier in Astana. Ich habe großen Respekt vor der Arbeit, die in den letzten Jahren geleistet wurde – das ist wirklich beeindruckend. Mit rund 225.000 Mitgliedern zählt die deutsche Minderheit in Kasachstan zu den größten und aktivsten deutschen Gemeinschaften im Ausland. Sie leistet hervorragende Arbeit und ist eine lebendige Brücke zwischen unseren Ländern. Es geht dabei nicht nur um Kultur und Identität, sondern auch um wirtschaftliche Verbindungen – viele Unternehmen in Kasachstan gehören Mitgliedern der deutschen Gemeinschaft. Sie sind die besten Botschafter für die deutsch-kasachische Freundschaft. Ich bin dankbar für ihre Arbeit und überzeugt, dass sie eine gute Zukunft vor sich haben.
In Kasachstan wird derzeit viel über das Thema Identität gesprochen. Wie trägt Deutschland dazu bei, dass eine doppelte Identität – also kasachisch und deutsch – als Stärke verstanden werden kann?
Ich bin der festen Überzeugung, dass es gerade in einer Zeit globaler Krisen und zunehmender nationaler Tendenzen in manchen Ländern umso wichtiger ist, dass Staaten wie Deutschland ihre Beziehungen zu anderen Ländern aktiv pflegen. Deutschland ist in vielerlei Hinsicht – auch wirtschaftlich – auf internationale Verbindungen angewiesen. Deshalb sollte auch die deutsche Minderheit im Ausland gezielt genutzt werden, um diese Kontakte zu stärken.
Ich stimme völlig zu: Man kann mehrere Identitäten haben. Man kann eine überzeugte kasachische Identität leben und sich gleichzeitig zu seiner deutschen Volkszugehörigkeit bekennen, deutsche Kultur und Tradition pflegen. Es ist die Aufgabe der Bundesregierung, die deutschen Minderheiten im Ausland stärker zu unterstützen. In der Vergangenheit wurde hier bereits sehr viel Positives erreicht.
Ich muss betonen: Es gibt kaum eine deutsche Minderheit, die so professionell aufgestellt ist wie die in Kasachstan. Das ist wirklich beeindruckend. Dabei geht es nicht um nostalgisches Festhalten an der Vergangenheit, sondern um eine zukunftsgerichtete Haltung. Die deutsche Minderheit in Kasachstan legt großen Wert auf Sprachförderung und Jugendarbeit.
Auch wirtschaftlich zeigt sich diese Dynamik, etwa durch den Deutsch-Kasachischen Wirtschaftsrat. Das sind starke Zeichen einer progressiven, konstruktiven und zukunftsorientierten Gemeinschaft. Ich sehe die deutsche Minderheit hier als ein Vorbild – modern, engagiert und mit einem klaren Blick nach vorn.
























