Am 28. und 29. November 2025 fand an der Humboldt-Universität zu Berlin ein wissenschaftliches Symposium statt, das dem Thema „Deutsche in Kasachstan: Eine wechselvolle Geschichte“ gewidmet war. Veranstaltet wurde das Symposium von der Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen in Kooperation mit dem Göttinger Arbeitskreis und der Botschaft der Republik Kasachstan. Auf ihm beleuchteten renommierte Experten aus Deutschland und Kasachstan die historische Entwicklung, kulturellen Beiträge und individuellen Schicksale der Deutschen – von Ansiedlung über Deportationen bis zur Gegenwart. Mit Grußworten hochrangiger Politiker und über 20 Vorträgen zu Themen wie Religion, Bildung, Terror und Erinnerungskultur endete die Tagung mit einer Podiumsdiskussion zum heutigen Forschungsstand und dessen Perspektiven.

In Zeiten zunehmender globaler Mobilität und kultureller Vielfalt erinnerte das Symposium „Deutsche in Kasachstan: Eine wechselvolle Geschichte“ an die dramatische Vergangenheit und an bleibende Spuren einer Minderheit in Zentralasien. Die Kulturstiftung der deutschen Vertriebenen, die 1974 in Stuttgart gegründet wurde und seither von Baden-Württemberg sowie Hessen gefördert wird, bewahrt gemäß § 96 BVFG das deutsche kulturelle Erbe im östlichen Europa als Teil einer gesamteuropäischen Geschichte und stärkt Brückenbauer wie Minderheitenorganisationen durch Wissenschaft, Beratung und Bildung.

Erinnerung als Verantwortung

Unter der Leitung von Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Hanno-Gilbert Gornig eröffneten prominente Gäste die Veranstaltung. Dr. Ernst Gierlich betonte: „Dieses Thema ist nicht nur für die Forschung relevant, sondern das ist eine Frage des kulturellen Gedächtnisses.“ Er hob die Resilienz ethnischer Minderheiten hervor und sah Berlin als neuen Lebensmittelpunkt für Spätaussiedler, die die Stadt bereichern. Dr. Bernd Fabritius lobte die „kulturelle Kontinuität“ der Kasachstan-Deutschen und ihre Rolle als „lebendige Brücken zwischen Wissenschaft und Gemeinschaft“, unterstützt durch geöffnete Archive.

Botschafter Nurlan Onzhanov erklärte: „Die Geschichte der Kasachstan-Deutschen ist eine Geschichte großer Herausforderungen“, wobei er ihre Fähigkeit pries, ihre Kultur und Sprache zu bewahren. Außerdem kündigte der Botschafter neue Einrichtungen wie ein Humboldtzentrum in Öskemen und eine deutsche Schule in Astana an. Senatsabgeordneter Yevgeniy Bolgert nannte die Geschichte ein Beispiel dafür, wie es gelang, „aus schwereren Umständen Stärke zu schaffen“, während Walter Gauks, als vom Land Berlin ernannte Ansprechperson für Deutsche aus Russland, warnend hinzufügte: „Erinnerung ist kein Luxus, das ist eine Verantwortung von jedem von uns.“ Abschließend erinnerte Reinfried Vogler an das 50-jährige Jubiläum der Stiftung und die Aufgabe, die Kultur als eine Brücke zwischen Vertriebenen und Einheimischen zu bewahren. Dabei war nicht zu übersehen, dass diese Ansprachen einen Dialog zwischen Vergangenheit und Gegenwart schufen.

Forschung zu Kasachstandeutschen: Aktuelle Ansätze

Die Vorträge und die sich daran anschließende Podiumsdiskussion stellten eine beeindruckende Bandbreite an Forschungsprojekten vor – von neu anlaufenden Initiativen bis zu abgeschlossenen Langzeitstudien mit konkreten Ergebnissen. Darunter waren auch solche Themen wie die wenig erforschte Repräsentation der Kaukasusdeutschen als der kleinsten Gruppe unter den Deportierten. Ebenso wurden Fragen der doppelten Identitäten aufgriffen, etwa von Prof. Dr. Eva-Maria Auch von der HU Berlin. Besonders ausführlich diskutiert wurde die Geschichte des deutschen Theaters in Kasachstan, sein aktueller Einfluss auf das kulturelle Leben in Almaty und die Reaktion auf gesellschaftliche Anforderungen, wie sie von Edwin Warkentin dargelegt wurden.

Archivarische Materialien spielten gleichfalls eine zentrale Rolle: Ihre Digitalisierung wurde als dringend notwendig hervorgehoben, um das Verschwinden von Quellen zu verhindern und die Bemühungen zu konsolidieren. Expert:innen aus Kasachstan wie Marzija Zhylysbayeva und Dr. t. W. Prof. Boris A. Japarov mit seinem Online-Projekt Heimat.kz trugen wesentlich dazu bei. Ferner beleuchteten einige Beiträge das Fehlen detaillierter ethnografischer Studien, Probleme der narrativen Erinnerung – etwa die Frage, wie Befragte traumatische Ereignisse wie Deportationen positiv umdeuten – sowie die Umsetzung zentralstaatlicher Politik auf lokaler Ebene bei deportierten Siedlern. Neue publizierte Dokumente und private Archive eröffnen Chancen für die weitere Forschung, während Themen wie Religion nicht weniger tief beleuchtet wurden.

Während der Podiumsdiskussion wurden Fragen aufgegriffen, die ein beachtliches Potenzial für ein tieferes Erforschen und für mehr Resonanz bieten. Das Symposium förderte die Vernetzung von Fachleuten aus Kasachstan und Deutschland und trug zur Entwicklung weiterer wissenschaftlicher Gemeinschaften bei. Als Pionierinitiative – erstmals in Deutschland durchgeführt – unterstreicht es die Aktualität des Themas und die politische Richtung. Die strategische Partnerschaft zwischen Deutschland und Kasachstan realisiert sich auch im wissenschaftlichen Bereich.

Das Symposium „Deutsche in Kasachstan: Eine wechselvolle Geschichte“ hat die dramatische Vergangenheit und bleibenden kulturellen Spuren der Kasachstan-Deutschen eindrucksvoll beleuchtet – von Deportationen über Resilienz bis zur Gegenwart. Es verband renommierte Experten und innovative Forschungsansätze zu einem Dialog zwischen Wissenschaft, Politik und Erinnerungskultur. Neue Archive und Projekte eröffnen Wege für weitere Studien, insbesondere zu Identitäten, Religion und Digitalisierung, und unterstreichen die Notwendigkeit von mehr Engagement, um dieses Erbe als Brücke europäischer Geschichte zu sichern.

Darya Koppel 

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