Wer in den Almatiner Bergen die „Treppe der Gesundheit“ meistert, darf auf dem „Schwalbensprung“ einen Rundumblick auf die Berge genießen. Die Treppe und die Plattform waren lange in keinem guten Zustand. Bis einige Almatiner begannen, sich gegen den Verfall zu stemmen.

Nach rund zwei Monaten strenger Quarantänemaßnahmen sehnen sich die Menschen weltweit nach einem Ende des Ausnahmezustandes. Und tatsächlich sind die ersten, zaghaften Erleichterungen zu spüren. Man darf wieder Schritte vor die Tür machen, frische Luft schnappen, die Sonne und das warme Wetter genießen. Große Sprünge sind noch immer nicht drin, aber ein Ausflug in die Berge, etwa hoch zum Eisstadion Medeo, sind möglich. Almaty ist gesegnet mit einer wundervollen Natur und atemberaubenden Bergwelt, und die Stadtbewohner sehnen sich nach der frischen Luft ihrer Hausberge.

Das Medeo-Eisstadion ist der Ausgangspunkt zahlreicher Wanderrouten in die Berge des Transili-Alatau. Der scheinbar unspektakulärste dieser Wanderwege führt über eine Treppe geradewegs hinauf auf die Dammkrone des alles überragenden Medeo-Staudammes. Die mächtige Dammanlage soll Almaty seit ihrer Fertigstellung 1972 vor Schlamm- und Gerölllawinen schützen. Allein im 20. Jahrhundert hat es davon fünf verheerende gegeben. Die bislang schwerste Schlammlawine im Jahr 1921 forderte rund 500 Todesopfer und zerstörte weite Teile der Stadt. Bei einem weiteren Geröllabgang im Jahr 1973 bewährte sich die Anlage bereits kurz nach ihrer Fertigstellung zum ersten Mal. Spätestens seitdem hat die sogenannte „Treppe der Gesundheit“, die zu dem Staudamm nach oben führt, einen festen Platz in den Herzen der Menschen von Almaty.

Spektakulärer Rundumblick vom Schwalbensprung

Um solch sentimentale Gefühle hervorzurufen, wie sie Generationen von Almatinern hegen, ist allerdings ein schweißtreibender Aufstieg nötig. Die gesamte Treppe hat 842 Stufen und erstreckt sich auf rund 150 Höhenmetern. Für viele ist der Weg nach oben eine kräftezehrende Angelegenheit, Leistungssportler erklimmen die Treppe im Dauerlauf, als kleine Trainingseinheit zwischendurch. Marat Schusgenbajew bezwang die Treppe 1990 in unglaublichen drei Minuten und 32 Sekunden. Ein bis heute ungebrochener Rekord.

Wer den Aufstieg meistert, wird mit einem herrlichen Blick auf das Medeo-Eisstadion und die umliegenden Berge belohnt. Bereits von weitem sichtbar sind fünf markante Betonflügel knapp unterhalb der Dammkrone. Diese gehören zu dem Aussichtspunkt „Lastotschka“ (Schwalbensprung). Dieser ragt hier einige Meter über den Hang nach vorne und bietet so einen noch spektakuläreren Rundumblick über die Landschaft. Das Betonensemble befindet sich noch einige Stufen unter dem höchsten Punkt und Endpunkt der Treppe. Früher gab es hier auch ein überaus beliebtes Café, an welches sich die älteren Ausflügler besonders gerne erinnern.

Dem Verfall preisgegeben

Von dem Café war zuletzt nur ein sehr kleiner und einfacher Kiosk übriggeblieben. Zu kaufen gab es dort bis auf Softdrinks in Plastikflaschen wenig. Die Bestuhlung beschränkte sich auf abgenutzte Plastiktische samt dazugehörigen Plastikstühlen. Das Ensemble um den Aussichtspunkt Lastotschka und die Treppe der Gesundheit machte zuletzt einen erbärmlichen Gesamteindruck.

Dabei gehören die fünf Schwalbenflügel aus Beton zu den herausragenden Beispielen für die extravagante Formensprache des internationalen Modernismus in den 1960er und 1970er Jahren. Das Ensemble ist jedoch auf keiner Denkmalschutzliste zu finden und war in den letzten Jahren dem stetigen Verfall ausgesetzt. Die neue, komfortable Seilbahn, welche die actionhungrigen Skifahrer seit einigen Jahren über den Schwalbensprung hinweg in das hochmoderne Skizentrum Shymbulak bringt, hat wohl seinen Beitrag dazu geleistet, dass dieser Ort langsam in Vergessenheit geraten ist.

Ex-Bürgermeister ließ Ensemble renovieren

Doch zumindest ein Teil der Bevölkerung stemmt sich gegen das Vergessen und den Verfall der Treppe der Gesundheit und des Ausflugspunktes Lastotschka. Bauyrschan Baibek, ehemaliger Bürgermeister von Almaty, sorgte im Spätsommer 2019 für die Renovierung der Treppe – quasi als letzte Amtshandlung vor dem Wechsel an die Spitze der Regierungspartei Nur Otan.

Steine und Stufen wurden begradigt, Handläufe erneuert. Auch für eine Wiedereröffnung des Cafés setzte er sich ein. Die lässt allerdings noch auf sich warten. Ein Ausflug zur Treppe der Gesundheit lohnt sich jedoch in jedem Fall, nicht nur des Ausblicks, sondern auch der Gesundheit wegen.

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