Wenn von Alma Orasbajewa die Rede ist, drängt sich einem das Attribut „die Erste“ auf. Tatsächlich war sie 1919 die erste Kasachin, die Mitglied der Bolschewistischen Partei wurde. Von einer einfachen Lehrerin stieg sie zur Parteifunktionärin empor. In dieser Funktion arbeitete sie für die Verbesserung der Situation der kasachischen Frauen.

Alma Dinmuchambetowna Orasbajewa wurde am 28. Dezember 1898 im Dorf Urda im Gebiet Südkasachstan geboren. Almas Vater Dinmuchambet war ein einfacher Arbeiter, der seine große Familie durch harte Arbeit versorgte. Ihre Bildung erhielten alle Kinder in der russisch-kasachischen Schule von Urda. Diese wurde 1841 als erste Lehranstalt in der kasachischen Steppe gegründet. Damals lehrten hier neben bekannten kasachischen Aufklärern wie Sejtkali Mendeschew russische und tschuwaschische Intellektuelle, die in die Steppe verbannt worden waren.

Almas Lehrern fiel das fähige Mädchen auf, das sich durch Tüchtigkeit und Wissensdurst hervortat. Nach dem erfolgreichen Abschluss der russisch-kasachischen Schule in Urda wurde sie dank der Unterstützung ihrer Lehrer in der tschuwaschischen Schule in Simbirsk (heute Uljanowsk, Anm. d. Ü.) angenommen. Nach einem Jahr starb ihr Vater und sie konnte die Ausbildung dort nicht fortsetzen.

Aber sie strebte weiter nach Bildung und Wissen. Sie setzte die Ausbildung an der in Urda neugegründeten Mädchenschule fort, danach in Lehrerkursen. Sie erhielt die Qualifikation als Grundschullehrerin und wurde an eine Dorfschule in den Dschanakalinsker Bezirk geschickt. Dort wurde sie in den Strudel der russischen Februarrevolution hineingezogen. Mit Freude vernahm Alma die Nachricht vom Sturz der zaristischen Regierung und stürzte sich in das politische und soziale Leben des Landes.

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Unermüdlicher Einsatz für die Rechte der Frauen

Alma sah seit Kindheitstagen die rechtlose Situation der kasachischen Frauen. Sie beschäftigte sich mit Fragen der Gleichstellung und den Problemen von Witwen. So versuchte sie den unterdrückten und ihrer Rechte beraubten Kasachinnen die Augen zu öffnen. Nur wenige wissen, dass dank des Einsatzes von Alma Orasbajewa am 25. Dezember 1920 ein Dekret zur Abschaffung des Kalyms (Brautgeld) in Kasachstan verabschiedet wurde. Zudem wurde der 4. Januar zum Tag der Unabhängigkeit der kasachischen Frauen erklärt. In den folgenden Jahren erhielten viele Frauen Bildung und nahmen aktiv am Leben des Landes teil.

„Mich hat Alma zu einem Menschen gemacht“, sagte Nurschamal Sanalijewa, langjährige stellvertretende Sozialministerin der kasachischen Sowjetrepublik. „Mein Vater Sejsengali war der Ärmste unter den Armen. Vom hoffnungslosen Elend zur Verzweiflung gebracht, verlobte er mich, ein fünfjähriges Mädchen, wegen des Kalyms mit dem dämlichen Sohn eines Baj (reichen Mannes) namens Sarybaj. Dann kam Alma. Ich war damals 14 Jahre alt. Sie selbst nahm mich bei der Hand und brachte mich zur Schule.“

Zur Aufklärung der Menschen und zur Bekämpfung des Analphabetentums wurden sogenannte „Rote Jurten“ geschaffen, mit denen Alma von Aul zu Aul fuhr. Das, was sie sah, und der Austausch mit den einfachen Leuten halfen ihr, das Leben ihres Volkes besser zu verstehen und an der Vorbereitung von Gesetzesvorlagen mitzuwirken.

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Erste Kommunistin Kasachstans

Im Zentralen Staatsarchiv der Republik Kasachstan befindet sich die Anordnung des Kasachischen Kommissariats für Kriegsangelegenheiten Nr. 45 vom 17 Juni 1919. In ihr wird Alma Orasbajewa zur Agitatorin der politisch-aufklärerischen Abteilung des Kommissariats ernannt und zu einem Kurs an die Kommunistische Swerdlow-Universität nach Moskau entsandt. Hier lernte sie herausragende Parteiaktivisten kennen, wie Nadeschda Krupskaja, Inessa Armand, Rosalia Semlatschka, Emeljan Jaroslawskij und Walerian Kujbyschew.

Das Wissen, das sie in der Hauptstadt erlangte, sowie mehrfache Treffen und Gespräche mit Politikern spielten eine entscheidende Rolle bei der Bildung von Almas Weltbild. Am 14. Oktober 1919 trat sie in Moskau als erste kasachische Frau in die Kommunistische Partei ein. Im Oktober 1920 fand in Orenburg der Gründungskongress der Räte Kasachstans statt. Auf ihm wurde die Deklaration der Rechte der Werktätigen der Kirgisischen (Kasachischen) ASSR“ angenommen. Eine der Autorinnen des Dokuments war Alma.

Ihre organisatorischen Fähigkeiten hatten sich bereits bei der Einrichtung des ersten Kavallerieregiments gezeigt. Sie hatte die jungen Dschigiten in Lesen und Schreiben sowie in russischer Sprache unterrichtet und unter den Kämpfern gesellschaftlich-politische Bildungsarbeit durchgeführt. Zusammen mit dem Kommissar des Regiments Bisen Dschanekeschew gründete sie am 22. Juni 1919 in Urda den ersten Rotarmistenklub Kasachstans.

„Mir ist besonders ein Abend in Erinnerung, der der Bildung des ersten Kavallerieregiments in Urda gewidmet war. Vor der Kaserne war eine Bühne errichtet, auf die nacheinander die Mädchen und Frauen traten, allen voran Alma. Sie sangen und tanzten den ganzen Abend. Ich hatte Alma das erste Mal 1917 gesehen, als sie in dem Stück „Maldybaj“ eine junge Frau spielte, die für den Kalym verkauft worden war. Das war damals ein mutiger Schritt von ihr“, erinnert sich Ermekali Nigmetow.

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Eine Karriere deutet sich an

Alma Orasbajewa verwendete viel Kraft darauf, Stück für Stück das kulturelle Erbe ihres Volkes zusammenzutragen. Dank ihr wurden mehr als 10 Lieder aufgeschrieben. „Ajnamkoz“, „Japuraj“ und „Muchit“ sind die bekanntesten von ihnen. Dabei soll sie auch selbst Talent gehabt und Volkslieder meisterhaft vorgetragen haben.

„Alma Orasbajewa war eine junge Lehrerin und Vorkämpferin der Befreiungsfront kirgisischer Frauen. Sie hatte eine Stimme, die wie Silber klang – Sopran. Sie war sehr musikalisch. Ihr Gesang wühlte die Seelen der Zuhörer auf. Alma Orasbajewa war die erste kirgisische Frau, die voller Elan meine Arbeit unterstützte und mir viele wertvolle Kenntnisse gab“ – diese bemerkenswerten Zeilen widmete ihr der Forscher Alexander Satajewitsch. Alma half Satajewitsch bei der Suche nach anderen außergewöhnlichen Volkssängern und ermöglichte Treffen mit ihnen.

Alma wurde Mitglied des Redaktionskollegiums der ersten kasachischen Komsomolzeitung „Orten“, die in Orenburg erschien, sowie verschiedener Zeitschriften. 1927 erschien in Kysylorda ihre Broschüre mit dem Namen „Merkblatt für Arbeiterinnen“. 1926 gründete Alma die erste Teppichknüpferinnen-Genossenschaft kasachischer Frauen. Die Frauen fuhren von Aul zu Aul und von Stadt zu Stadt, um Arbeiterinnen zu gewinnen. Auf die nachdrückliche Bitte der Arbeiterinnen hin, wurde die Genossenschaft nach ihrer Gründerin benannt – Alma Orasbajewa.

Ihr Einsatz blieb nicht unbemerkt – sie wurde als Persönlichkeit von internationaler Bedeutung für die kommunistische Frauenbewegung anerkannt. 1924 nahm sie als Mitglied der sowjetischen Delegation an der dritten Konferenz kommunistischer Frauen in Berlin teil. Hier lernte sie auch Clara Zetkin, eines der Gründungsmitglieder der Kommunistischen Partei Deutschlands, kennen.

1928 entsandte das Zentralkommittee Alma nach Saratow, wo sie zur Leiterin der Abteilung des Kreiskommitees ernannt wurde und nebenbei als stellvertretende Vorsitzende des Kreisverbandes der Kolchosarbeiter Verantwortung trägt. Dass ihre Karriere den Zenit erreicht haben sollte, wussten zu diesem Zeitpunkt weder Alma selbst noch andere.

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Das schwere Schicksal der Alma Orasbajewa

Nach einem Jahr in Saratow wurde Alma Orasbajewa vom Komintern in die Mongolische Volksrepublik geschickt, um dort Hilfe bei der Arbeit mit Frauen zu leisten. Ihr Mann Iwan Kaschirin blieb derweil in Kasachstan. Vor ihrer Abreise holte Alma ihre Nichte Sakipschamal ins Haus, da sie sich um den zweijährigen Sohn Almarev (eine Abkürzung für Alma-Revolutionärin) kümmern sollte.

Doch während ihrer Abwesenheit hatte Kaschirin das Mädchen verführt und als Alma zurückkehrte erwartete Sakipschamal ein Kind von ihm. Es ist gut möglich, dass diese schockierenden Nachrichten dazu führten, dass Alma krank wurde: Sie verliert den Verstand und kommt in eine Klinik. Fünf lange Jahre verbrachte sie in einer psychiatrischen Klinik in Tomsk. Auf Drängen der Ärzte verkaufte ihr älterer Bruder Gubajdolla Haus und Vieh, um sie in einem der besten Sanatorien in Alma-Ata unterzubringen, was jedoch nicht gelang.

Auch mit Almas Familie meinte es das Schicksal nicht gut. Nachdem ihr Ex-Mann Kaschirin verhaftet und erschossen worden war, wurde Sakipschamal 1937 als Frau eines Volksfeindes inhaftiert. Nach zehn Jahren wurde sie wieder entlassen. Almarev, der Vater, Mutter und Stiefmutter verloren hatte, wurde offenbar in einem Waisenhaus großgezogen.

Der wissenschaftliche Leiter des Regionalmuseums von Urda, Amantaj Chamsin, berichtete, dass es ihm gelungen sei, sowohl Sakipschamal als auch Almarev ausfindig zu machen, als sie in Moskau lebten. Almarev, der seine leibliche Mutter nicht kannte, war dem Gespräch nicht sehr zugetan und Sakipschamal gab Alma die Schuld an ihrem Schicksal: „Sie spielte eine schlechte Rolle in meinem Leben, in dem sie mich unwissendes Mädchen im Haus mit einem Mann ließ und danach unheilbar krank wurde.“

Laut Almas Ärzten „könne sie bei gutem Umgang und gehöriger Zuwendung von Seiten der Angehörigen vollständig zu Hause genesen“. Aus Briefen und Erklärungen, die in Almas Namen an verschiedene Instanzen geschickt wurden, kann geschlossen werden, dass sie während ihrer Krankheit an verschiedenen Orten lebte: unter anderem in Alma-Ata, Turgen, Urda und Lugowaja (Gebiet Dschambul). Doch die Verwandten dachten mehr ans Geld als an Alma. Sie versuchten sie loszuwerden und brachten sie in verschiedenen Heilanstalten unter, um so Almas Rente von 300 Rubeln zu erhalten.

Die Einstellung der Rentenzahlung aufgrund ihres Todes ist auf den 1. April 1948 datiert. Dies bestätigt auch ein Brief der Regionalabteilung der Sparkasse, indem dem zuständigen Ministerium mitgeteilt wird, dass Madina Omarowa (Almas jüngere Schwester) über die Einstellung der Zahlungen informiert wurde. Hieraus kann man schließen, dass Alma Anfang 1948 im Alter von nicht ganz 50 Jahren verstarb.

Ihr Grab ist zwar bis zum heutigen Tage nicht bekannt, doch Alma Orasbajewa wird noch immer gewürdigt. Es gibt Gedenktafeln an Häusern, in denen Alma lernte und arbeitete. Heute sind Straßen nach ihr benannt und in ihrer Heimat Orda wurde sogar ein Museum eröffnet.

Dina Igsatova

Aus dem Russischen übersetzt von Robin Roth.

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