Die demografische Situation der meisten europäischen Länder, darunter Russlands und Deutschlands, ist nicht gerade erfreulich. Die Geburtenraten verringern sich seit geraumer Zeit unaufhaltsam und haben mittlerweile ein Niveau erreicht, das die einfache Reproduktion nicht mehr sichert.

Russlands Bevölkerung wird nach aktuellen Prognosen in der Folge von gegenwärtig 144 Mio. Einwohnern auf 120 bis zum Jahre 2025 und auf 100 Mio. bis 2050 schrumpfen. Hier könnte man den Geburtenrückgang mit der wirtschaftlichen Lage erklären, die für viele Russen nach wie vor nicht rosig ist. Doch auch im reichen Deutschland, das jährlich über 100 Mrd. Euro in die Förderung von Familien und Kindern investiert, ist die Lage nicht anders. Hier wird sich die Bevölkerung von gegenwärtig 82 Mio. auf unter 70 Mio. bis 2050 reduzieren. Besonders in Ostdeutschland wurden in der Vergangenheit und werden in der Gegenwart in Ermangelung von entsprechenden Nutzern in großem Stile Kindergärten und Schulen geschlossen. Finanzielle Hilfen vom Staat, so zeigt u. a. die deutsche Praxis, lösen das Problem auf keinen Fall. In Zeiten der Emanzipation der Frauen, der Zunahme der Konkurrenz um die Arbeitsplätze, der Liberalisierung der zwischengeschlechtlichen Beziehungen und anderer Faktoren wird die Entscheidung für Kinder gründlicher und rationaler getroffen als früher einmal.

Nun hat Russland ein Paket von Maßnahmen beschlossen, um den langfristigen Negativtrend wenn nicht zu stoppen, so doch wenigstens zu verlangsamen. Am ausreichenden Effekt zweifle ich, denn die Maßnahmen sind zu sehr auf finanzielle Hilfen ausgerichtet.

In Deutschland wird das Problem nun endlich auch öffentlich diskutiert. Eine Unmenge von Untersuchungen zeigt die Kompliziertheit der Frage. Keinesfalls gibt es einen einfachen Weg, wenn es überhaupt den einen Weg gibt. Diskutiert wird u. a. die verstärkte Immigration von Ausländern nach Deutschland. Das wäre durchaus sinnvoll, wenn auch die Attraktivität des Landes im Vergleich mit den klassischen Einwandererstaaten (USA, Kanada, Australien) nicht so dramatisch hoch ist. Allerdings zeigt die Praxis schier unüberwindliche Hindernisse für diesen Weg auf. Diese sind auch, wenn auch nicht in entscheidendem Maße, bürokratischer Natur (Einreisebestimmungen). Wesentlicher jedoch ist, dass ein Großteil der Bevölkerung Ausländer, vor allem wenn sie durch andere Hautfarbe oder ähnliche äußere Merkmale auffallen, ablehnt. Gerade im Vorfeld der Fußballweltmeisterschaft scheinen sich in Deutschland Vorfälle mit ausländerfeindlichem Hintergrund zu mehren, so dass für das größte Sportfest des Jahres durchaus Schlimmes befürchtet werden kann.

So oder so, ein Volk, das nicht über ausreichend junge Leute verfügt, hat langfristig natürlich keine allzu tolle Zukunft. Deswegen wird eine Nation nicht gleich untergehen, doch massenhaft Probleme schafft das allemal. Die sozialen Sicherungssysteme müssen drastisch umgebaut werden, Arbeitskräftemangel kann entstehen, das Marketing muss auf andere Altersgruppen ausgerichtet werden u. a. m. Besser wäre es natürlich, kasachische Verhältnisse, also Kinderreichtum zu haben. Oder gibt es hierzulande auch schon solche Tendenzen, wie in Russland und Deutschland?

Bodo Lochmann

02/06/06

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