Am heutigen Donnerstag feiert das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland das fünfjährige Jubiläum seines Bestehens. Wir haben mit dem Geschäftsleiter Waldemar Eisenbraun über Arbeitsschwerpunkte und Projekte, den Kontakt zur bayerischen Landespolitik und das Interesse an russlanddeutschen Themen in Deutschland gesprochen.
Seit nunmehr fünf Jahren gibt es das Bayerische Kulturzentrum der Deutschen aus Russland. Welche Erwartungen und Hoffnungen hatten Sie damals und inwieweit haben sich diese erfüllt?
Im Freistaat Bayern leben etwa 500.000 unserer Landsleute, in ganz Deutschland sind es über drei Millionen Personen. Wir hatten die große Hoffnung, die Sichtbarkeit, Bekanntheit sowie die Vernetzung unserer Personengruppe, der Deutschen aus dem postsowjetischen Raum, merklich verbessern und die hierfür erforderlichen Aktivitäten und Maßnahmen professionell vorbereiten und abwickeln zu können. Dies entspricht auch den Erwartungen, die seitens der Förderer und Unterstützer an uns gerichtet wurden.
Durch ein kompetentes und engagiertes Team, dem bspw. renommierte Historiker wie Frau Dr. Olga Litzenberger und Herr Dr. Viktor Krieger angehören, schufen wir eine Basis für die Entwicklung und Umsetzung von zahleichen Projekten und innovativen Formaten. Dazu zählen virtuelle Rundgänge und Videobeiträge auf YouTube, Wanderausstellungen und Stadtführungen, Ausschreibungen und Wettbewerbe, Vorträge und Lesungen, eine mobile Rauminstallation und ein Theaterstück, das BKDR-Orchester sowie der eigene Verlag. Als noch junge Kultureinrichtung sind wir heute weit über die Grenzen Bayerns hinaus bekannt, haben uns durch überzeugende Leistungen eine gute Reputation erarbeitet und ein stabiles Netzwerk aufgebaut.
Dieser Erfolg wurde nur dank der umfangreichen Förderung durch den Freistaat Bayern möglich. Ein besonderer Dank gilt dem Bayerischen Ministerpräsidenten, Dr. Markus Söder, für die Gründungsveranlassung und die persönliche Unterstützung unseres Kulturzentrums, das in dieser Form deutschlandweit einmalig ist.
Was waren aus Ihrer Sicht die wichtigsten und erfolgreichsten Projekte, die das BKDR durchgeführt hat oder an denen es beteiligt war?
Das gesamte BKDR-Team arbeitet konzentriert und ergebnisorientiert. Wir versuchen auf vielfältige Art und Weise die Kultur und Geschichte der Deutschen aus Russland und allen anderen Nachfolgestaaten der ehemaligen Sowjetunion zu vermitteln. Dabei wollen wir selbstverständlich unsere Landsleute – auch in den Herkunftsländern – im Fokus behalten, zugleich jedoch auch die Gesamtgesellschaft für dieses wichtige Thema sensibilisieren und die breite Öffentlichkeit erreichen. Daher sind alle Projekte, die uns den erklärten Zielen näherbringen, wichtig.
Der Erfolg einer Maßnahme lässt sich unterschiedlich messen bzw. bewerten. Für uns sind die Reichweite unserer Angebote sowie die entsprechenden Erzeugnisse ein wichtiger Erfolgsfaktor. Aus diesem Grund haben sowohl leicht zugängliche und reproduzierbare Produkte als auch gut besuchte Veranstaltungen für uns eine hohe Priorität. Ein gutes Beispiel hierfür war das Festival der deutschen Kultur „Wir sind zusammen“ in Astana im September letzten Jahres.
Mit welchen Schwierigkeiten hatten Sie zu kämpfen?
Ich würde gern von Herausforderungen und nicht von Schwierigkeiten sprechen wollen. Anfänglich ging es darum, innerhalb weniger Wochen ein schlüssiges, detailliertes und zukunftsorientiertes Nutzungskonzept für den angekündigten Neubau zu entwickeln. Das neue Kulturzentrum musste vielen Interessen gerecht werden, den Charakter eines Leuchtturmprojektes besitzen und sich gut in die Reihe bestehender Kultur- und Begegnungseinrichtungen in Nürnberg und Bayern einfügen. Vor allem aber mussten unsere Vorschläge – ein immerhin dreistöckiges Gebäude mit etwa 3.000 qm Nutzfläche – die Zustimmung der zuständigen Entscheidungsgremien auf Ministerialebene bekommen. Diesen entscheidenden Meilenstein konnten wir mit Erfolg erreichen.
Als nächstes musste viel Überzeugungsarbeit geleistet werden, um die Zeitspanne bis zur Errichtung und Inbetriebnahme des Neubaus sinnvoll und nutzbringend überbrücken zu können. Im Endergebnis wurde eine sogenannte „Übergangslösung“ mit vier Räumen bei etwa 250 qm Gesamtfläche in zentraler Lage Nürnbergs bewilligt. Die symbolische Schlüsselübergabe durch den Bayerischen Ministerpräsidenten Dr. Markus Söder erfolgte vor 5 Jahren am 18. Januar 2019.
Wie sieht heute der Kontakt in die bayerische Landespolitik aus und welche Unterstützung erfahren Sie von dort?
Als eine durch Landesmittel geförderte Einrichtung sind wir dem Bayerischen Staatsministerium für Familie, Arbeit und Soziales unterstellt. Alle drei Sozialministerinnen, die es seit unserer Gründung gab, haben unser Kulturzentrum persönlich besucht. Während der Coronazeit wurden wir ins Sozialministerium nach München eingeladen, um dort über unsere Arbeit zu berichten.
Vor einem Jahr kam der Bayerische Ministerpräsident erneut nach Nürnberg, um eine positive Bilanz für unser bisheriges Wirken zu ziehen und seine persönliche Unterstützung zu bekräftigen. Die Besuche der Landespolitiker wurden videodokumentiert und sind auf unserem YouTube-Kanal zugänglich. Vor wenigen Wochen mussten kostenrelevante Modifikationen am Neubau genehmigt werden. Auch diese Aufgabe konnte dank der Befürwortung und Unterstützung durch die bayerische Landesregierung gelöst werden.
Welche Rückmeldungen in Bezug auf Ihre Arbeit bekommen Sie von Menschen, die keinen russlanddeutschen Hintergrund haben? Wie groß ist deren Interesse an russlanddeutschen Themen?
Häufig bestehen die Rückmeldungen darin, dass die Menschen ein neues, bis dato unbekanntes Thema für sich entdeckt haben. Für solche Fälle haben wir eine kostenlose Info-Mappe mit Broschüren und Anschauungsmaterial parat. Menschen, die sich in der Materie auskennen, sprechen oft Anerkennung für die Vielzahl und Qualität unserer Angebote aus. Manche sind so begeistert, dass sie thematische Veranstaltungen mit unserer Beteiligung in ihrer Region organisieren. Das Interesse an russlanddeutschen Themen ist in den letzten Jahren etwas gestiegen. Allerdings ist nach wie vor viel Aufklärungsarbeit und eine deutlich größere Reichweite erforderlich.
Sind Sie in den vergangenen fünf Jahren viel gereist? Welche Verbindungen pflegen Sie in die heutigen Herkunftsländer der Spätaussiedler?
Die grenzüberschreitende Arbeit ist ein bedeutender Bestandteil unserer Arbeit. Durch Teilnahmen bspw. an Konferenzen, Messen und Kulturveranstaltungen im Ausland werden die bestehenden Verbindungen gestärkt und neue Kontakte geknüpft. Dabei bringen wir uns immer aktiv ein bspw. durch Präsentation unserer Wanderausstellungen oder unserer Bücher bzw. durch Vorträge oder Diskussionen an Podien.
Manchmal sind die Auslandseinsätze mit der Entstehung von Foto- und Videomaterial bspw. für unsere Reihe „Deutsche Siedlungen im Porträt“ verbunden. Auch die Anbringung von Gedenktafeln sowie Kranzniederlegungen bei Gedenkakten in den Herkunftsländern sind uns wichtig. Im Rahmen unserer Bildungsarbeit führten wir Gruppenreisen nach Odessa (Ukraine) und Tiflis (Georgien) durch. Eine Bildungsreise nach Kasachstan kann hier einen weiteren Baustein bilden.
Unsere Verbindungen in die heutigen Herkunftsländer der Spätaussiedler werden durch Kooperationsabkommen mit den regionalen Gliederungen der Selbstorganisation der deutschen Minderheit „Wiedergeburt“ gefestigt. Dazu zählen aktuell Astana in Kasachstan, Taschkent in Usbekistan, Odessa in der Ukraine sowie Marx und Engels in Russland.
Was haben Sie sich für die nächsten (fünf) Jahre vorgenommen? Auf welche Arbeitsschwerpunkte, Projekte und Veranstaltungen dürfen wir gespannt sein?
In den Bereichen Ahnenforschung und familienbezogene Recherche sehen wir einen großen Bedarf an geeigneten Lösungen. Oft fehlt es auch an digitalen Nachschlagewerken bspw. über Persönlichkeiten, Wissenschaftler, Autoren etc. aus den Reihen unserer Landsleute. Hier soll einer der Schwerpunkte für die kommenden Jahre gesetzt werden. Durch eine engere Kooperation mit der Stiftung „Verbundenheit mit den Deutschen im Ausland“ wollen wir unsere Angebote und Inhalte auch in Lateinamerika bekannt machen.
Das Portfolio unseres Verlages soll erweitert, das BKDR-Orchester popularisiert, die Arbeitsbereiche Forschung, Digitalisierung und Virtualisierung intensiviert sowie Partnerschaften mit einschlägigen Einrichtungen ausgebaut werden. Die grenzüberschreitende Zusammenarbeit mit deutschen Organisationen in den Herkunftsländern unserer Landsleute soll fortgesetzt werden.
Für mich persönlich bleiben vorrangig die weitere Planung, Errichtung und Inbetriebnahme des neuen Kulturzentrums in Nürnberg bestehen, das neben einem großen Veranstaltungsraum mit Bühne einen Ausstellungsbereich mit Themenräumen, mehrere Gruppen- und Konferenzräume, ein Archiv, eine Ausleihbibliothek, ein Aufnahmestudio und eine angegliederte Gastronomie haben wird. Mein größter Wunsch ist es, spätestens unser 10-jähriges Bestehen in diesem Neubau feiern zu können.
Abschließend möchte ich der Direktion sowie der gesamten Redaktion der Deutschen Allgemeinen Zeitung DAZ meinen aufrichtigen Dank aussprechen. Sowohl die professionelle Aufmachung der Zeitung als auch die Qualität der Beiträge verdienen unsere Anerkennung. Das BKDR veröffentlicht laufend interessante Inhalte auf der Internetseite und auf Facebook. Wir freuen uns immer sehr, unser Material auf den Seiten der DAZ zu finden. Ich wünsche uns weiterhin eine gute und vertrauensvolle Zusammenarbeit!