Edwin Warkentin leitet seit 2017 das durch die Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien geförderte Kulturreferat für Russlanddeutsche am Museum für russlanddeutsche Kulturgeschichte in Detmold. Geboren und aufgewachsen in Kasachstan, hat auch er viele Erinnerungen an das Weihnachtsfest, die er in einem Gespräch mit uns teilt.

Herr Warkentin, bis zu welchem Lebensjahr haben Sie in Kasachstan gelebt und welche Erinnerungen haben Sie an das Weihnachtsfest?

Ich war fast 15 Jahre alt, als wir nach Deutschland übergesiedelt sind. Das war tatsächlich kurz vor Weihnachten, als die Winterferien angefangen haben. Meine Erinnerungen an das Fest verschwimmen ein wenig mit dem Neujahrsfest. Wir versuchten, die Traditionen aufzuleben und weiterzuführen; die Feierlichkeiten fanden von Heiligabend, also dem 24. Dezember, bis zum alten Neujahrsfest nach dem julianischen Kalender am 13. Januar statt. In den Winterferien dominierten demnach die Feiertage.

Da meine Eltern im Deutschen Theater in Temirtau und später in Alma-Ata tätig waren, spielte die Wiederbelebung der Traditionen bei uns eine große Rolle. Gerade dort gab es jedes Jahr öffentliche Veranstaltungen, bei denen Weihnachten gefeiert wurde.
Für mich war Weihnachten also immer eine Mischung aus dem familiären Beisammensein und dem Feiern bei öffentlichen Veranstaltungen im größeren Rahmen.

Wie liefen die Vorbereitungen? Wie kam bei Ihnen „Weihnachtsstimmung“ auf?

Ich hatte das große Glück, dass meine Großeltern bei uns gelebt haben und meine Großmutter eine Hausfrau mit Leib und Seele war. Sie liebte es, in großen Mengen zu kochen und zu backen. Das wurde dann in der Weihnachtszeit nochmal mehr. Da wurde auch die westdeutsche Tradition des Plätzchenbackens ausgelebt, andererseits gab es bei uns natürlich auch die typisch russlanddeutschen Gebäcke wie zum Beispiel den Riewwelkuchen. Ebenfalls gab es immer sogenannte Pranitjes, das ist ein Gebäck der russlanddeutschen Mennoniten. Das sind größere Kekse mit einer Zuckerglasur und Minzextrakt obendrauf. Das alles wurde dann immer in großen Mengen gebacken.

Spezielle Gerichte gab es bei uns zu Weihnachten nicht. Aber die typischen Salate, wie Olivje oder Pod Schuboj, die es im postsowjetischen Raum zu Silvester gibt, gab es bei uns an den Weihnachtsfeiertagen.

Wer besuchte Sie? Wer brachte damals bei Ihnen die Geschenke?

Das war so ungefähr gegen Ende der 1980er Jahre, als man versucht hat, die Traditionen mit dem Christkind und dem Pelznickel wiederaufleben zu lassen. Ich war sogar bei unserem letzten Weihnachtsfest in Kasachstan in der Rolle des Pelznickels, der zusammen mit dem Christkind zu den Kindern gegangen ist und denjenigen, die nicht artig waren, Angst gemacht hat. Neben diesen beiden Figuren gab es aber auch den Weihnachtsmann. Unsere Geschenke waren verschiedene Süßigkeiten, die unsere Eltern versucht haben, von Verwandten aus Deutschland zu bekommen. Das war natürlich immer was ganz Besonderes, wenn man dann das ein oder andere Überraschungsei oder Maoam-Kaugummis geschenkt bekommen hat.

Ich kann mich auch daran erinnern, dass es den Nikolaustag gab. Wir lebten zusammen mit anderen Schauspielerfamilien in einem mehrstöckigen Wohnblock. Jedes Jahr – einmal war auch mein Vater in dieser Rolle – zog ein klassischer Nikolaus mit einem Sack voller Geschenke auf dem Rücken in der Nacht um unser Haus.

An Neujahr besuchten uns dann natürlich auch die Figuren Ded Moroz und Sngegurochka. Das war immer sehr schön in Kasachstan, dass man in so einem multikulturellen Land verschiedene Feste und Traditionen kennengelernt hat und daran teilnehmen konnte.

Welche Rolle spielt das Weihnachtsfest für Sie heute? Welchen Platz nimmt das Fest in der Tätigkeit des Museums für russlanddeutsche Geschichte ein?

Im Museum selbst führen wir keine Weihnachtsfeier durch. Weihnachten ist in Deutschland ein Fest der Familie, das ist vielleicht wichtig zu sehen im Unterschied zu Kasachstan, wo die Begegnungsstätten der deutschen Minderheit Weihnachten als einen Anlass sehen, in der Gemeinschaft zusammenzukommen und das Fest auf eine deutsche Art und Weise zu zelebrieren.

Wir als Museum setzen zur Weihnachtszeit eine kleine Tradition um, indem wir Weihnachts- beziehungsweise Dankeskarten verschicken, die russlanddeutsche Weihnachtsmotive zeigen, etwa aus unserem Archiv. Das können zum Beispiel Texte aus alten Kirchengesangsbüchern oder überlieferte gemalte Postkarten aus dem 19. Jahrhundert sein.

Für mich persönlich bedeutet Weihnachten auch ganz klassisch das Beisammensein mit der Familie und der Gang zum Weihnachtsgottesdienst in die Kirche. Und meine Kinder freuen sich auch jedes Jahr, wenn der Weihnachtsmann kommt oder sie beim Krippenspiel in der Kirchengemeinde mitmachen dürfen.

Annabel Rosin

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