Seit dem 1. April hat das Goethe-Institut Kasachstan eine neue Leiterin. Friederike van Stephaudt hat Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie in Bonn, Graz, New York und Hamburg studiert. Nach dem Studium hat sie unter anderem die Interne Kommunikation des Goethe-Instituts aufgebaut. Wir haben mit ihr über ihre ersten Eindrücke in der neuen Umgebung, ihre Ziele und das Interesse an Deutsch in Zentralasien gesprochen.

Frau van Stephaudt, wie waren Ihre ersten Wochen in Almaty, wie haben Sie sich hier eingelebt?

Die ersten Wochen waren toll – abwechslungsreich, spannend und vor allem sonnig. Bisher habe ich mich gut einleben können, auch wenn es noch einige sprachliche Barrieren gibt. Aktuell ist mein Russisch noch sehr rudimentär. Ich arbeite aber daran, dass sich das rasch ändert.

Mittlerweile konnte ich – wenn auch teilweise nur digital – alle Kolleg*innen am Institut kennenlernen und bereits in den Austausch mit einigen unserer lokalen Partner*innen gehen. Ich freue mich sehr darauf, die Stadt, die Region und vor allem die Menschen am und rund um das Institut besser kennenzulernen.

Warum gerade Kasachstan?

Um ehrlich zu sein, habe ich mich auf ein ganz schön großes Abenteuer eingelassen. Ich war vorher noch nie im postsowjetischen Raum, geschweige denn in Zentralasien. Als ich die Ausschreibung gesehen habe, habe ich angefangen, mich in Form von Büchern und Dokumentarfilmen über das Land und die Region zu informieren, und war sofort fasziniert. Nicht nur von der kulturellen Vielseitigkeit und der atemberaubenden Natur, sondern auch von den Herausforderungen, die der Standort mit sich bringt – in Form von gesellschaftlichen Transformationsprozessen, geographischer Fragmentierung und politischen Faktoren. Ohne lange darüber nachzudenken, habe ich mich also beworben.

Was haben Sie sich für die Zeit in Almaty vorgenommen und welche Schwerpunkte möchten Sie in den kommenden Jahren als Leiterin setzen?

Zunächst einmal habe ich mir vorgenommen, zuzuhören. Die Arbeit des Goethe-Instituts kann nur so relevant sein, wie sie es schafft, die lokalen Partner*innen einzubinden, die Bedarfe vor Ort zu erkennen, und auf diese einzugehen. Ich möchte gemeinsam mit dem Team des Instituts eng mit den lokalen Kulturschaffenden und Akteur*innen zusammenarbeiten und dabei einen regen und vertrauensvollen Dialog etablieren.

Einzelne Schwerpunkte werden sich also erst mit der Zeit herausbilden und weiterentwickeln. Was ich aber schon sagen kann, ist, dass mir nach den bisherigen Gesprächen vor allem die Themen Gleichberechtigung – und hier denke ich nicht nur an Geschlechter – sowie Nachhaltigkeit – und hier denke ich nicht nur an Ökologie – im Kopf geblieben sind. Was sich gut trifft, da dies auch Themen sind, die mich besonders beschäftigen.

Ein anderes großes Thema ist die digitale Transformation, die durch Corona einen erheblichen Vorschub erhalten hat. Das Thema beschäftigt uns intern wie extern in all seinen Facetten. Wie können wir die neuen Möglichkeiten gewinnbringend nutzen? Wie können wir zivilgesellschaftlichen Akteur*innen und Innovationsprozessen eine Plattform bieten? Wie können wir uns als Institut selbst mit der Arbeit im digitalen Raum weiterentwickeln und uns gut für die Zukunft aufstellen?

In all diesen Bereichen ist das hiesige Potential riesig – es gibt schon viele Initiativen und zivilgesellschaftliche Organisationen, die sich mit den Themen beschäftigen. Ich hoffe, dass wir hier als Goethe-Institut ein guter Partner und vielleicht auch Impulsgeber sein können.
Ansonsten geht es weiterhin auch um die ganz konkrete Unterstützung des Kulturbetriebs in der Region. Corona hat viele Institutionen in existentielle Krisen manövriert. Wir versuchen, diesen mit dem Hilfsfonds des Auswärtigen Amts zu begegnen und durch kurzfristige finanzielle Förderungen eine akute Hilfestellung zu geben.

Und schließlich freue ich mich als Literaturwissenschaftlerin auf spannende Literaturprojekte. Gegenwärtig findet unsere Grand Tour Zentralasien statt, bei der zentralasiatische Übersetzer*innen deutsche zeitgenössische Lyriker*innen übersetzen und mit diesen gemeinsam in Workshops an ihren Texten arbeiten.

Auf der einen Seite stecken wir noch mitten in der Pandemie, auf der anderen gibt es Erfolge an der Impffront und Öffnungen. Wie sehr beeinflusst diese Gemengelage die Planung der kommenden Monate?

Diese Gemengelage beeinflusst uns und unsere Arbeit natürlich sehr. Einerseits spüren wir eine große digitale Müdigkeit und einen immensen Bedarf an „echten“ Begegnungen. Gleichzeitig stehen sämtliche Veranstaltungen, die im Präsenzformat geplant werden, stets auf wackligen Beinen – und dieses „Wackeln“ gilt es auszuhalten und, wenn möglich, sogar produktiv zu nutzen.

Für uns wird in den kommenden Monaten daher besonders die Frage nach den Vor- und Nachteilen von Präsenz- und Onlineformaten wichtig sein. Was kann in welcher Form stattfinden, was kann mitunter hybrid realisiert werden, und wie können wir auch unter Abstandsregelungen Begegnungen ermöglichen?

Wir planen aktuell eher damit, dass wir auch dieses Jahr primär den digitalen Raum bespielen werden, versuchen aber auch erste Präsenzformate in reduzierter Größe und draußen an der Luft stattfinden zulassen. Der Schutz aller Beteiligten und die Einhaltung der Anordnungen der Behörden haben für uns natürlich stets oberste Priorität.

In Anbetracht der einsetzenden Lockerungen und der sommerlichen Temperaturen veranstalten wir beispielsweise vom 9. bis 12. Juni gemeinsam mit der DKU ein Freiluftkino-Festival, bei dem wir im Innenhof der Universität deutsche Filme zeigen. Wenn möglich, wollen wir auch bald wieder Ausstellungen realisieren und Konzerte stattfinden lassen. Das sind natürlich nur kleine Schritte zurück zu der bekannten „Normalität“. Aber ich bin mir sicher, dass man auch diese Schritte kulturell vielseitig gestalten kann.

Welche weiteren Projekte und Veranstaltungen sind in diesem Jahr geplant?

Bei den digitalen Projekten setzen wir vor allem auf Bildungs- und Professionalisierungsprogramme. So haben wir beispielsweise einen Workshop für junge Drehbuchautor*innen in Kirgisistan durchgeführt und planen weitere Formate dieser Art, unter anderem zum Thema Filmmusik und Kulturmanagement. Auch arbeiten wir aktuell an zwei Podcasts. Einer wird sich mit dem Künstler Joseph Beuys beschäftigen, der andere mit uns als Institut.

Was die Präsenzformate betrifft, so hoffen wir, in diesem Jahr noch Residenzen (das Goethe-Institut gibt Kulturschaffenden die Möglichkeit, in einem anderen Land zu arbeiten, Anm. Red.) im Bereich Bildende Kunst und Theater durchzuführen sowie deutsche Musiker*innen nach Zentralasien bringen zu können.

Zudem steht der Umbau unserer Bibliothek an, die wir hoffentlich im Herbst mit einigen Veranstaltungen neueröffnen können.

Welche Chancen und Herausforderungen sehen Sie für die Spracharbeit in Kasachstan?

Ich glaube, dass die Digitalisierung eine große Chance für die hiesige Spracharbeit darstellt. Das Land ist so groß, und es gibt auch abseits der Ballungszentren ein Interesse daran, Deutsch zu lernen. Vor allem für die Sprachlerner*innen dort sind unsere digitalen Angebote eine tolle Möglichkeit, ohne großen Aufwand einen unserer Kurse zu besuchen. Die Kolleg*innen haben im vergangenen Jahr in beeindruckender Schnelligkeit und Professionalität unseren Sprachkursbetrieb vom Präsenz- ins Onlineformat überführt – ohne dass dabei unsere hohen Standards oder die Qualität gelitten hätten. Ich bin begeistert davon, zu sehen, was das Institut in dieser so schwierigen Zeit auf die Beine gestellt hat und weiterhin stellt. Sprachprüfungen können wir unter strenger Einhaltung der geltenden Auflagen aktuell sogar im Institut durchführen. Und natürlich bieten wir, sobald es erlaubt ist, auch wieder Präsenzkurse an.

Die größten Herausforderungen sind sicherlich, dass Deutsch nur eine von vielen Fremdsprachen an den hiesigen Schulen ist und Deutschland durch die Pandemie noch weiter entfernt scheint. Wir müssen also weiter nach Möglichkeiten suchen, die Attraktivität Deutschlands und die Chancen, die das Erlenen der deutschen Sprache eröffnet, zu kommunizieren, und dabei vor allem auch das Lehrpersonal im Blick behalten. Denn sie sind es, die die Sprache und ein lebendiges Deutschlandbild vermitteln und dabei Lebenswege entscheidend mitgestalten. Hier gilt es für uns, weiter in Programme für Lehrkräfte in der gesamten Region zu investieren und diese bei ihrer Arbeit, so gut wir können, zu unterstützen.

Und in den anderen zentralasiatischen Ländern, die das Goethe-Institut von Kasachstan aus betreut?

Ich hatte bereits die große Freude, das Sprachlernzentrum in Bischkek zu besuchen. Dort finden sämtliche Kurse aktuell ebenfalls digital statt, und das Interesse an der deutschen Sprache bleibt ungebrochen groß. In Kirgisistan – wie natürlich auch in Kasachstan – sind die deutschen Minderheiten eine wichtige Zielgruppe unserer Arbeit. Im Auftrag des Auswärtigen Amts führen wir umfangreiche Projekte im Sprach-, Kultur- und Bibliotheksarbeit durch.

In Turkmenistan gibt es ebenfalls viele Deutschlerner*innen. Die Zahl derer, die Sprachprüfungen ablegen wollen, steigt stetig. Wir freuen uns in diesem Zusammenhang auch sehr, dass wir immer mehr turkmenische Schüler*innen im Rahmen unserer digitalen Bildungsangebote begrüßen dürfen.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Christoph Strauch.

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