Endlich darf ich Detektiv spielen. Mich wollte ja nie jemand engagieren, obwohl ich eine ausgefuchste Hobbyagentin bin. Und im Agentenmuseum in Washington habe ich erfahren, dass fast jeder Spion war und sein kann, der will oder dazu gemacht wird, wie auch Marlene Dietrich, Julius Cäsar oder Sir Francis Bacon.

Und in den Trainingsfilmen im Agentenmuseum habe ich manche neuen Tricks und Kniffe gelernt. Und beim BND habe ich mich auch schon mal beworben – wenn auch ohne Erfolg. Und ein Freund von mir war beim KGB. Das reicht doch an Qualifikation, oder?

Und jetzt kann ich in eigener Sache ermitteln. Da es mein erster Fall ist und ich selbst betroffen bin, bin ich froh, dass es sich nicht um einen Mord handelt. Banal ausgedrückt, hat nur jemand meine Bankkarten aus dem Postkasten gefischt. Im Fachjargon handelt es sich aber um mehrere Verbrechensarten – um Diebstahl, Betrug und arglistige Täuschung – eine Menge Dummheit ist auch mit dabei – und damit ist der Fall doch ganz schön komplex. Erst waren die Karten weg und damit dann auch 2000 Euro, bis die Karten gesperrt waren. Die Bank hat mir das Geld zurückerstattet und damit war die Angelegenheit für mich zunächst erledigt.

Nicht aber für die Bank und die Polizei. Um weiter ermitteln zu können, bräuchten sie von mir noch einige Angaben. Wow! Ermittlungen! Damit hatte ich gar nicht gerechnet. Ich dachte, mein Fall wäre ein nicht beachtenswertes kleines „Mini-Delikt“. Aber wenn schon ermittelt wird, da möchte ich nicht fehlen. Der Kriminalhauptkommissarin habe ich – quasi von Kollegin zu Kollegin – mitgeteilt, dass es nur jemand aus dem Haus oder von der Postzustellung sein könne. Eine Verdächtige war auch schnell gefunden. Der Freund eines Freundes hat in meiner Nachbarin eine ehemalige Kollegin erkannt, die wegen Diebstahls entlassen wurde. Aha! Um die Ermittlungen zu beschleunigen, habe ich sie in ein unauffälliges Verhör verwickelt. Ich habe sie vor dem Dieb im Hause gewarnt und gefragt, ob auch sie schon bestohlen wurde. Ja, genau! Und dann legte sie los und war nicht mehr zu stoppen. Notorische Lügner belassen es nicht bei wenigen Sätzen, sondern erfinden und verwickeln sich, bis aus der Mücke ein Elefant und aus dem Gärtner ein Jäger wird.

So auch die Nachbarin, die fast wortwörtlich das Gespräch mit dem Vermieter wiedergegeben hat, das sie angeblich mit ihm geführt habe über die Unsicherheit und die Diebstähle im Haus. Dem bin ich natürlich nachgegangen. Und siehe da! Mein Vermieter verneint vehement, dass solch ein Gespräch stattgefunden habe. Aha! Da haben wir es, beim Lügen ertappt. Nun ermitteln wir gemeinsam, und mein Vermieter beziehungsweise Kollege hat sogleich die Verdächtige angerufen, um sie zu provozieren. Das hätte er mal besser bleiben lassen. Der Täter sei so gut wie ermittelt, weil er so blöd gewesen sei, sich beim Geldabheben fotografieren zu lassen. Daraufhin habe sich spontan die Stimmung am anderen Hörer verschlechtert. Und ich solle mich nicht wundern, wenn ich demnächst angesprochen würde.
Mein Vermieter legt zufrieden auf, und ich erinnere mich spontan an den Film „Das Fenster zum Hof“ von Alfred Hitchcock. Darin kommt der Täter nämlich NICHT reuig an die Tür und entschuldigt sich für seine Tat, nachdem der Journalist ihm klar gemacht hat, dass er von der Tat weiß – wie das in unserem Fall mein Vermieter erwartet. Sondern er versucht, den Helden, was in dem Film der Journalist ist und in unserer Geschichte ich bin, aus dem Wege zu räumen, um nicht zu sagen: zu ermorden! Dieser kommt nur knapp mit dem Leben davon.

Ich hoffe, dass das richtige Leben manchmal auch so spielt wie die Filme und meine Kriminalkommissarin spätestens im rechten Augenblick mit entsicherter Pistole hier auftaucht.

Julia Siebert

01/02/08

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