„Das Leben in Deutschland ist super, nicht wahr?“ Ob im Taxi, im Bus, oder beim wöchentlichen Einkauf – diese Frage verfolgt einen wie der eigene Schatten, sobald man sich über seinen deutschen Akzent outet. Lukas Kunzmann findet, dass es Zeit ist, einmal die die Gegenfrage zu stellen: Was hat Kasachstan, was Deutschland nicht hat?
1. Gute Netzabdeckung
Kasachstan hat weniger Funklöcher als Deutschland. Es ist eigenartig, aber was die Abdeckung des Mobilfunknetzes angeht, ist das neuntgrößte Land der Welt fortschrittlicher als das reiche Deutschland. Wie unsere Bundeskanzlerin bereits sagte: „Das Internet ist für uns alle Neuland“. Für das Flächenland Kasachstan ist es allerdings weniger „Neuland“, wie die aktuelle Länderrangliste von Opensignal, einem freien Analysten, zeigt. Deutschland ist mit Platz 70 von 88 wirklich eine digitale Steppe.
Dass Deutschland beim Breitbandausbau erschreckend zurückhängt, ist jedoch nicht alles – im internationalen Vergleich ist auch der Preis für Daten-Roaming in der Bundesrepublik einer der höchsten. Während in Kasachstan fünf Euro für zehn GB Datenvolumen im Monat normal sind, würde man in Deutschland 600 Prozent mehr zahlen.
2. Service
Außerdem muss noch die Qualität kasachischer Dienstleistungen erwähnt werden. Wer kennt sie nicht, die stundenlange Warteschleifenmusik aus irgendwelchen outgesourceten Callcentern. Ob das Fernsehen nicht funktioniert, das Wlan ausgefallen ist, oder der Handyvertrag erneuert werden muss: Ständig wird man via Telefon durch die ganze Welt geschickt.
In Kasachstan läuft das hingegen etwas anders. Wer hier ein Problem hat, bekommt mitunter die private Handynummer der Servicekraft, inklusive Whatsapp-Profilbild. Da gewinnt man gleich einen guten Eindruck aus dem Privatleben der Person, die nur das Internet wieder herrichten soll. Selbst wenn das Problem gelöst wurde, wird in Kasachstan auf eine Bestätigung seitens des Kunden gedrängt. Schließlich soll auch wirklich alles wieder zur besten Zufriedenheit funktionieren.
3. Kasachstans kulinarische Vielfalt
Als Nächstes ist das gute Essen zu nennen. In Deutschland muss das Fleisch möglichst günstig sein, wohingegen Kasachen genau dann misstrauisch werden, wenn es billig ist. Hier können viele noch gutes Fleisch von schlechtem genau unterscheiden, während es in Deutschland Kontroll-Institutionen braucht, die dem Verbraucher sagen, dass es sich um eine „Pferde-Lasagne“ handelt. Letzteres löst bei uns einen Shitstorm aus, hier ist es gar ein kulinarisches Kulturerbe.
Aber die wirkliche Einzigartigkeit liegt in der besonderen Zubereitung des Schaschliks. „Saxaul“ heißt das besondere Holz, welches dem Fleisch den einzigartigen Geschmack verleiht. Kasachen, die im Ausland leben, nehmen sich gerne mal mehrere Kilo des Baumes mit, damit sie auf diesen Genuss nicht verzichten müssen.
Im Restaurant gilt natürlich auch die Besonderheit des guten Service. Es herrscht nicht die Auffassung eines durchgeplanten Kundendienstes, viel mehr lässt es sich als individuellen Dienst am Kunden erfahren.
Die Größe des Personals ist auch in Kasachstan keine primär betriebswirtschaftliche. Lediglich das Timing lässt sich noch verbessern: Der Hauptgang schmeckt besser, wenn die Beilage (etwa Pommes) nicht schon zehn Minuten vorher serviert wurde und inzwischen kalt ist.
4. Die Berge als Naturwunder direkt vor der Haustür
Jeden Winter ist es das Gleiche in Deutschland. Kaum haben die Winterferien begonnen, herrscht Stau auf dem Ring von München. Wie viele Eltern wohl ihre Kinder vor Beginn der Ferien von der Schule befreien, um nicht in diese Welle von Skiurlaubern zu geraten? Im Süden mag der Weg nur wenige Stunden dauern, aus dem Norden kommend, plant man besser mindestens eine Woche Aufenthalt, sonst lohnt sich die zehnstündige Fahrt erst gar nicht. Und das alles nimmt man auf sich, um lediglich Skigebiete unterhalb der Grenze von
3.000 Höhenmetern zu besuchen. In Almaty erntet man nur Spott, wenn man erzählt, dass der höchste Berg in Deutschland gerade einmal 2.962 Meter misst.
Von allen Stadtteilen aus kann man die gewaltige Berg-Silhouette bewundern. Sie liegt so nahe, dass man eine Wanderung auf gut 3.500 Meter spontan am Wochenende unternehmen kann. Der Bus braucht gerade einmal eine halbe Stunde. Auch wenn man einmal keine Lust auf Wandern hat, lohnt es sich, hochzufahren, denn auf 1.700 Metern liegt eine der höchsten und bekanntesten Eislaufbahnen der Welt. Medeo ist umringt von einer beeindruckenden Naturkulisse und bietet außerdem einen atemberaubenden Blick auf die Skyline der zentralasiatischen Metropole Almaty.
5. Fern der deutschen Leistungsgesellschaft?
Mit circa zwanzig gesetzlichen Feiertagen hat Kasachstan fast doppelt so viele wie Deutschland. So ein unverhoffter Tag Pause in der Woche ist schon ganz angenehm. Demgegenüber steht jedoch der „heilige“ Sonntag in Deutschland, denn einen Sonntag gibt es hier nicht. Dies führt dazu, dass man wie gewohnt am Wochenende bis 24 Uhr ordentlich einkaufen kann.
Dennoch hört man vor 9 Uhr morgens gerne mal den Satz: „Entspann dich, die Hälfte der Kasachen liegt noch im Bett!“ Ein Manko: Von vielen Angestellten wird erwartet, dass sie Feiertage oder Urlaub im Vorfeld „rausarbeiten“. Wo der Druck der Arbeitswelt härter zu spüren ist, ist natürlich schwer zu beurteilen. In solchen Fällen sollte man einfach mal selber herkommen und die Vorzüge des kasachischen Lebens selber genießen.