In Kasachstan zieht die Bevölkerung wieder massiv Bargeld von ihren Konten ab. Nach offiziellen Angaben haben Privatpersonen innerhalb der ersten neun Monate dieses Jahres über 20 Billionen Tenge abgehoben. Dieser Trend wirft ein Schlaglicht auf die Dynamik im kasachischen Geldumlauf und Zahlungsverkehr sowie auf eine wachsende Unsicherheit vieler Bürger gegenüber elektronischen Zahlungsmethoden.
Finanzanalyst Arman Beysembayev sieht klare Gründe für diese Entwicklung: „Die Überwachung wird strenger, Strafmaßnahmen schärfer, Kontrollen griffiger. Zudem wird der neue Steuergesetzkodex zu höheren Steuersätzen führen. Das regt Unternehmen und Privatpersonen an, Bargeld zu bevorzugen.“ Besonders im Kontext steigender Mehrwertsteuersätze und umfassenderer Regulierung versuchen einige Marktteilnehmer, ihre wirtschaftlichen Vorgänge zumindest teilweise außerhalb des elektronischen Systems abzuwickeln.
Dennoch bleibt die Dominanz bargeldloser Zahlungen ungebrochen: Rund 75 Prozent aller Transaktionen werden weiterhin elektronisch abgewickelt, so Marat Kairlenov, Direktor der Ulagat Consulting Group. „Die Zunahme der Bargeldabhebungen ist im Verhältnis zur Inflationsrate moderat“, erklärt Kairlenov. Die Bevölkerung reagiert damit auf steigende Lebenshaltungskosten und regulatorische Änderungen, nutzt aber nach wie vor digitale Kanäle, insbesondere für größere Transaktionen.
Die Inflationsrate in Kasachstan liegt derzeit bei rund 30 Prozent, wenn man sie über drei Jahre hinweg betrachtet. In diesem Kontext erscheint der Anstieg der Bargeldabhebungen von 20 Prozent als ein vorsichtiger, durchaus rationaler Schritt. Experten werten dies als eine Mischung aus Vorsorge und Misstrauen gegenüber dem Bankensystem, das durch verschärfte Kontrollen und neue steuerliche Rahmenbedingungen zusätzlich belastet wird.
Langfristig könnte die Einführung des digitalen Tenge das Verhältnis zwischen Bargeld und elektronischen Zahlungen nachhaltig verändern. Zunächst ist die digitale Währung nur auf staatliche Mittel ausgerichtet, doch mittelfristig soll sie den Bargeldanteil im gesamten Wirtschaftskreislauf reduzieren. Analysten gehen aber davon aus, dass dieser Übergang mindestens ein Jahrzehnt in Anspruch nehmen wird.
Die aktuellen Entwicklungen zeigen: Kasachstan befindet sich an einem Scheideweg zwischen traditionellem Bargeldverhalten und der schrittweisen Digitalisierung der Wirtschaft. Die steigenden Bargeldabhebungen spiegeln ein Misstrauen gegenüber elektronischen Zahlungsmethoden wider, sind aber zugleich eine pragmatische Reaktion auf neue regulatorische und steuerliche Bedingungen. Ob dies nur ein vorübergehender Trend oder eine längerfristige Entwicklung ist, wird entscheidend davon abhängen, wie Politik, Wirtschaft und Gesellschaft das Vertrauen in digitale Zahlungsformen stärken, ohne die Liquidität der Bürger einzuschränken.
Für Verbraucher bedeutet dies, dass das Bargeld in den kommenden Jahren weiterhin eine zentrale Rolle spielen wird, während Banken und Unternehmen ihre Systeme anpassen müssen, um Sicherheit, Transparenz und Effizienz im Zahlungsverkehr dauerhaft zu gewährleisten. Der Balanceakt zwischen Kontrolle, Regulierung und Vertrauen wird die Finanzlandschaft Kasachstans entscheidend prägen. aro.
























