Mit einem gemeinsamen Strategiepapier stellen sich Moskau und Peking gegen den Einfluss der USA in Zentralasien
Kurz vor dem letzten Treffen der führenden Industrienationen im schottischen Gleneagles Anfang Juli präsentierten Russland und China ein gemeinsames Positionspapier, das insbesondere die Region Zentralasien betrifft.
Die „Gemeinsame Erklärung der Volksrepublik China und der Russischen Föderation für eine Internationale Ordnung des 21. Jahrhunderts“ erwähnt zunächst im diplomatischen Jargon politisch unverbindliche Werte wie Souveränität und Respekt vor anderen Nationen. Besonders betont wird die Bedeutung von multilateralen Ansätzen bei der Diskussion von Fragen internationaler Relevanz und zur Lösung regionaler Konflikte.
Diese Passagen werten Beobachter der internationalen Politik als eindeutige Absage an den Bilateralismus der USA in Zentralasien. Deutlicher wird die Kritik Moskaus und Pekings in Wirtschaftsfragen. Die von dem russischen Präsidenten Vladimir Putin und dem chinesischen Staatschef Hu Jintao unterzeichnete Erklärung stellt sich gegen weitreichende Forderungen des Westens zur Umstrukturierung beider Volkswirtschaften, bevor diese in die internationale Wirtschaftsstrukturen eingebunden werden könnten.
Die gemeinsame Erklärung verdeutlicht, dass sich Russland und China anderen Staaten als Wirtschafts- und Handelspartner anbieten wollen, ohne dies mit politischen Forderungen nach marktwirtschaftlichen Reformen und politischer Transparenz zu verbinden. Beobachter interpretieren die gemeinsame Erklärung Russlands und Chinas als unmissverständliches Zeichen an die zentralasiatischen Staaten und ihre politischen Eliten.
Moskau und Peking wollen ein ökonomisches und sicherheitspolitisches Konkurrenzangebot zu den bilateralen Aktivitäten Washingtons in Zentralasien anbieten. Es ist ein Angebot an die politischen Eliten Zentralasiens, dass auf die Bewahrung des Status quo und nicht auf ordnungspolitische, marktwirtschaftliche und demokratische Reformen abzielt.
Russland und China versuchten ihr Konzept auf dem letzten Treffen der Shanghai Cooperation Organization (S.C.O.) Anfang Juli in Astana den Staaten Usbekistan, Kirgisistan, Tadschikistan und auch Kasachstan schmackhaft zu machen – obwohl offiziell Fragen des Terrorismus, des Separatismus und des Extremismus auf der Agenda standen. Möglich, dass das russisch-chinesische Angebot durch die revoltenartigen Ereignisse in Usbekistan und in Kirgisistan umso attraktiver erschienen ist.
Das gemeinsame Strategiepapier kann aus freiheitlich-demokratischer Perspektive sicherlich leicht kritisiert werden. Es zielt auf den Machterhalt der derzeitigen politischen Eliten und der Clan-Strukturen ab. Breite Partizipation der Bevölkerung ist nicht vorgesehen.
Aus geopolitischer Perspektive ist die Reaktion Chinas und Russland dennoch verständlich. Die USA sicherten sich in den letzten Jahren Einfluss und Militärpräsenz in Zentralasien. Dies jedoch nur durch Abkommen auf bilateraler Ebene. Organisationen der regionalen Kooperation und auch die Interessen Russland und Chinas wurden vernachlässigt.
In Washington spricht man gerne vom „großen Spiel um Zentralasien“. Die Tendenz zur Monopolisierung der internationalen Politik in Zentralasien durch die USA ist sicherlich nicht von der Hand zu weisen. Ob die neue angestrebte Koordination zwischen Moskau und Peking für Zentralasien von bleibender Bedeutung sein wird, ist derzeit nicht abzusehen. Die gefühlte Monpolisierung internationaler Fragen in Zentralasien durch die USA zeigt indes eindeutig eine Schwäche der derzeitigen geo- und sicherheitspolitischen Konstellation: Die EU wird nicht als ernstzunehmender Akteur der internationalen Politik wahrgenommen. (Eurasianet.org/gd)