„Bolaschak“ bedeutet Zukunft. Und es ist auch der Name eines Stipendiums, das die Regierung Kasachstans jährlich an bis zu 3.000 kasachstanische Studenten vergibt. Für die Besten heißt es dann: Ein Studienplatz im Ausland, eine Förderung von rund 1.000 Dollar im Monat – die große „Zukunft“ eben. Auch Zhuldyz Smagulova (21) tingelte vor zwei Jahren von einem Vorsprechen zum anderen, musste Prüfungen und sogar einen Intelligenztest bestehen. Doch dann ging für sie ein Traum in Erfüllung: Seit Oktober 2008 studiert sie Sonderpädagogik und Wirtschaftswissenschaften an der Uni Oldenburg.
/Bild: Andrea Rüthel. ‚Kasachisch, Russisch, Deutsch, Englisch: Mit 21 Jahren spricht Zhuldyz Smagulova schon vier Sprachen fließend.’/
Was ist an deutschen Hochschulen anders als in Kasachstan?
Es gibt nur kleine Unterschiede. Zum Beispiel gibt es in Deutschland neben Seminaren und Vorlesungen auch noch Tutorien. Das kannte ich aus meinem vorherigen Studium in Almaty nicht. In Deutschland wird besonders gerne mit Powerpoint-Präsentationen und in Projekten gearbeitet.
Aber der Leistungsdruck ist eigentlich der gleiche. Nur für mich war er am Anfang ein bisschen höher: Alles war ja jetzt auf Deutsch. Zum Glück haben mir meine Dozenten und Kommilitonen geholfen!
Wie reagieren deine Studienkollegen darauf, dass du aus Kasachstan kommst?
Sie haben keine Klischees. Viel eher haben sie überhaupt keine Vorstellung von Kasachstan. Die Deutschen wissen ganz gut Bescheid über andere europäische Länder und die USA. Alles andere sind weiße Flecken.
Veranstaltungen wie das „Kasachstan-Jahr in Deutschland 2009“ helfen dabei, das zu ändern. Ich bin dafür extra nach Berlin gefahren, habe mir Konzerte mit kasachischer Volksmusik angehört und sogar unseren Präsidenten gesehen. Ich war richtig stolz auf unser Volk und unsere Kultur! Es freut mich, dass sich zwischen Deutschland und Kasachstan so freundschaftliche Beziehungen entwickeln.
Noch zwei Jahre, dann hast du deinen deutschen Bachelor. Was wirst du damit anfangen?
In Kasachstan steht ein europäischer Studienabschluss für Qualität. Damit werde ich hier sehr gute Berufschancen haben.
Ich möchte meine in Deutschland erworbenen Fähigkeiten dann auch in Kasachstan einbringen. Die Wirtschaft ist in Deutschland hoch entwickelt, das ist auch für Kasachstan nützlich. Und im Bereich Sonderpädagogik gibt es in Deutschland viele interessante Einrichtungen, bei denen ich Erfahrungen sammeln kann. Bald mache ich zum Beispiel ein Praktikum in einem Körperbehindertenzentrum. Denn auch wenn ich in Kasachstan mit Behinderten bis jetzt nicht so oft in Kontakt kam: Solche Probleme gibt es überall. Die muss man lösen. Und die kann man auch lösen.
Am 10. März 2010 ist Kasachstan als 47. Mitglied den „Bologna“-Ländern beigetreten. Was wird sich dadurch an kasachstanischen Hochschulen verändern?
Ich glaube, dass sich die Hochschulausbildung in Kasachstan dem europäischen Standard angleicht. Ein Studienabschluss ist in allen Bologna-Staaten dann genauso viel wert.
Auch in Oldenburg haben die Studenten zwar gegen das Bachelor- und Mastersystem demonstriert. Aus internationaler Sicht finde ich die Angleichung der Studienabschlüsse aber gut! Schließlich leben wir im 21. Jahrhundert. Die Welt ist offen.
Interview: Andrea Rüthel
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„Überfliegen“ mit Bolaschak
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Der Präsident selbst hat es 1993 eingeführt: Jedes Jahr bekommen bis zu 3.000 kasachstanische Studierende das Langzeitstipendium „Bolaschak“, das es ihnen ermöglicht, einen Hochschulabschluss (Bachelor, Master, Doktor) im Ausland zu erwerben. Das Zentrum für Internationale Programme Kasachstan zahlt jedem der jungen Hochbegabten zusammen mit Einrichtungen in den 21 Zielländern für die Dauer des Studiums bis zu 1.100 Dollar (rund 800 Euro) im Monat. Nach dem Studium besetzen die Stipendiaten oft Spitzenpositionen in kasachstanischen Unternehmen. Als internationale Spezialisten sollen sie dabei helfen, die Entwicklung Kasachstans voranzutreiben. In Deutschland wird das Programm vom Deutschen Akademischen Austauschdienst DAAD unterstützt. Vom deutschen Know-how verspricht sich die kasachstanische Regierung besonderen Erfolg in den Fächern Computertechnologie, Verwaltungsmanagement, Ingenieur-, Agrar- und Wirtschaftswissenschaften. (Internet: www.edu-cip.kz)
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26/03/10