Vom 6. bis 8. August veranstaltete die Stiftung Bildung und integrative Arbeit gGmbH (BUNT) ein Treffen von Post-Ost-Gemeinschaften in Deutschland. BUNT bietet seit über 30 Jahren Sprach- und Kulturkurse für Migranten, Firmen und deren Mitarbeiter an und setzt sich besonders für Frauen, Kinder und Familien ein. Im Kindergarten Bunte Umwelt haben Sprache und Natur – angelehnt an skandinavische Pädagogik – einen besonderen Stellenwert.

Das Treffen war die erste Tagung des neuen Projekts p(ost) berlin, einer gemeinsamen Initiative von BUNT und dem Bundesprogramm Demokratie leben, die Dialog, Identität und Vielfalt unter Migranten aus dem ehemaligen Ostblock fördern will. Post steht dabei auch für Plattform, Offenheit, Stimme und Teilhabe. Im Mittelpunkt stand das erste persönliche Kennenlernen. Neben einem Vortrag zum Aufbau starker Gemeinschaften stellten sich zahlreiche Vereine vor, die die Beziehungen Deutschlands zu Ländern des früheren Ostblocks pflegen – unter ihnen Galina Nurtasinowa, Vorstandsmitglied der Deutsch-Kasachischen Gesellschaft e.V. Zwei Workshops und geselliges Beisammensein am Abend rundeten das Programm ab.

Vertrauen als Basis der Vereinsarbeit

Den Vortrag hielt Wladimir Weinberg, Geschäftsführer des Bundesverbandes russischsprachiger Eltern e.V. (BVRE), einem Dachverband von 66 Vereinen, die Migranten in Deutschland unterstützen. Bis zum Beginn des russischen Überfalls auf die Ukraine lebten etwa drei Millionen Menschen aus Staaten der ehemaligen Sowjetunion in Deutschland, heute sind es rund fünf Millionen – etwa drei Prozent der Wähler. Angesichts knapper Wahlergebnisse sei das ein bedeutender Anteil.

Ein zentrales Problem bleibe die Anerkennung ausländischer Berufsabschlüsse, etwa bei Lehrkräften. In vielen Herkunftsländern sind sie nur für ein Fach ausgebildet, in Deutschland jedoch für zwei – ein Hindernis, das angesichts des Lehrermangels dringend überdacht werden müsse.

Weinberg betonte, dass Zusammenarbeit auf Vertrauen beruhe. Es gebe keine strenge Hierarchie; jedes der sieben Vorstandsmitglieder trage Verantwortung für seinen Bereich. Nach außen vertreten ein Vorstandssprecher und zwei zeichnungsberechtigte Mitglieder den Verein. In Deutschland existieren rund 750.000 eingetragene Vereine – notwendig, um eine Vereinskasse zu führen, Rechtsgeschäfte abzuschließen und Haftungsrisiken zu minimieren.

Vielfalt der Organisationen

Die Deutsch-Kasachische Gesellschaft e.V. baut seit 1997 Brücken zwischen Kasachstan und Deutschland. Ihre Veranstaltungen mit Gästen aus Kasachstan und Deutschland betreffen Gesellschaft & Politik, Kultur und Verständigung sowie Wirtschaft & Ökologie. Die Vorstellungen der anderen Vereine zeigten, auf wie vielfältige Weise Migranten in Deutschland unterstützt werden.

Der Kinder- und Jugendverband JunOst, Bundesverband e.V. (abgeleitet vom russischen Wort юность für Jugend), gegründet 2001, versteht sich als ein bundesweit tätiger freiheitlich-demokratischer, überparteilicher und überkonfessioneller Jugendverband für junge Menschen mit russischsprachigem Kulturhintergrund. Doch „kann jeder Jugendliche mitmachen, unabhängig von seiner Herkunft oder Nationalität.“ Er besteht derzeit aus 21 Mitgliedsklubs und einem Landesverband, ist Mitglied im djo-Deutsche Jugend in Europa e.V. und im Deutschen Bundesjugendring (DBJR) vertreten.

Frauenpower Ukrainischer Frauenintegrationsverein in Sachsen-Anhalt e.V. widmet sich der Unterstützung der Integration in die deutsche Gesellschaft.

Mavka Berlin ist ein Freiwilligenprojekt für Umweltschutz, Migration und soziale Integration. Die Gruppe besteht größtenteils aus Geflüchteten aus der Ukraine, die in Berlin aufgenommen wurden. Auf diese Art möchten sie sich bei Berlin für die herzliche Unterstützung bedanken.

Nash Berlin (НАШ Берлин) vereinigt ukrainische Kulturschaffende. Er arbeitet eng mit dem Verein Mriya zusammen, der u.a. medizinische und humanitäre Hilfe an Krankenhäuser und Gemeinden in der Ukraine verteilt.

Club Dialog e.V. wurde 1988 in Berlin gegründet, um den gesellschaftlichen Dialog zwischen russischsprachigen und einheimischen Berlinern anzuregen und die Integration der Einwanderer zu unterstützen. Er leistet „eine umfassende nationenübergreifende Integrations- und Bildungsarbeit in mehreren Sprachen und für alle Generationen“. Jährlich vollbringen etwa 60 bis 80 Personen ihr freiwilliges soziales Jahr im Club. 

GUTEmission ist eine Initiative von Frauen, die vor dem Krieg in der Ukraine geflohen sind (früher unter dem Café Ukraine bei der Berliner Stadtmission). Durch Musik, Kochen, Workshops und gegenseitige Unterstützung schafft er eine Atmosphäre des Heimatgefühls in der Fremde. Außerdem werden Spenden für die Ukraine gesammelt.

Der Klub Chitanka versammelt Leseratten aus Bulgarien u. a. Ländern zu Lesungen und Buchbesprechungen.

KreAKTIV e.V. ist ein Verein für interkulturelle Jugend- und Elternarbeit in Hanau bei Frankfurt, insbesondere für ukrainische Migranten («Тепло для Украины» – „Wärme für die Ukraine“, #ukrainanowar). Dazu gehören Nachbarschaftshilfe, Aufräumaktionen (Teilnahme am Weltreinigungstag), Reisen u. a. Unternehmungen, samstags ist Schach angesagt.

Dva Svity e.V. vereinigt junge Ukrainer in Berlin, die sich vorwiegend über Kultur integrieren möchten.

Das Programm von Berloga.berlin beinhaltet Integration, Demokratie, Berlin – von Veranstaltungen bis zu (Wein-)Tipps für Migranten aus Post Ost.

Zwei Workshops

Am Ende standen Regeln und Übungen für gutes und ausdauerndes Sprechen sowie ein psychologischer Impuls: „Sich selbst erkennen in der neuen Wirklichkeit – Weg zur Selbstbestimmung und zum Kontakt mit anderen“. Anhand des Modells des „kulturellen Eisbergs“ wurde verdeutlicht: Sichtbar sind Sprache, Speisen, Kleidung und Emotionen, unsichtbar (und weit umfangreicher) hingegen Werte, Bedürfnisse und Verhaltensnormen.

Die neu geknüpften Kontakte sollen künftig Kooperationen zwischen Vereinen mit ähnlichen Zielgruppen sowie zwischen spezialisierten Organisationen und Dachverbänden wie BVRE, BUNT und Demokratie leben ermöglichen. Arbeitssprache war Russisch – ausdrücklich ohne politische Wertung. „Auch auf Russisch kann man die Wahrheit aussprechen“, zitierte Weinberg den lettischen Kulturwissenschaftler Prof. Dr. Denis Khanov.

Peter Enders

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