Im Herbst findet ein Symposium über Interkulturelle Öffnung in der Bundesverwaltung statt. Da möchte ich unbedingt hin. Ein höchst wichtiges Thema. Wollen wir doch mal sehen, warum in der Verwaltung immer noch so wenige Migranten beschäftigt sind. Was die Politik nicht lenkt, soll die Wissenschaft zumindest begründen.
Jetzt frage ich mich, ob ich berechtigt und kompetent genug bin, um an einem Symposium teilzunehmen. Eine Tagung wäre kein Problem. Da geht man hin, mischt sich unter die vielen Leute, hockt sich in eine der hinteren Reihen und lauscht den Experten auf dem Podium, stellt sich in der Kaffeepause an ein Stehpult, lauscht auch dort, nimmt die interessanten Anregungen mit nach Hause, sinniert noch auf der Zugfahrt darüber und das neue Wissen landet irgendwie sonst wo, mehr oder weniger explizit.
Seminare sind auch unkompliziert. Da ist man gefordert, nur rumhocken gilt nicht, man muss aktiv sein, darf aber nichts oder wenig wissen, naive Fragen gelten schon als Engagement. Auch prima. Bei Konferenzen und Symposien wird es schon heikler. Das klingt nach wissenschaftlichem Austausch unter Experten, dem man sich nicht entziehen darf. Man muss, zumindest potenziell, etwas Wertvolles beitragen können. Aber hier ist nicht das Bauchgefühl gefragt bzw. das Bauchgefühl dient nur als Seismograph, wohin man die Aufmerksamkeit lenken und womit man sich eingehender beschäftigen soll.
Und nun schaue ich im Internet nach, was Symposium eigentlich bedeutet. Das erste Suchergebnis gefällt mir ausgezeichnet. Demnach kommt es aus dem Altgriechischen und heißt „gemeinsames, geselliges Trinken“. Au ja, da fahr ich hin! Jedoch – man solle es eben nicht als ausgelassenes Trink- und Essgelage missverstehen. Och, wie schade! Seinerzeit gab es jede Menge Rituale mit Waschungen und Schmückungen, dann wurde auch mal angestoßen und gesungen.
Man improvisierte Reden zu einem bestimmten Thema, löste Rätsel, die man sich gegenseitig aufgab, oder entschied sich für das beliebte Spiel, treffende Vergleiche zu finden, lese ich weiter.
Ui, wie lustig! Demnach kann ich ja ungehemmt zum Symposium fahren, denn Improvisieren und spontan Rätselraten kann ich auch ohne Fachwissen. Bestens. Leider, wenn ich so weiterlese, hat das damalige Symposium nur sehr entfernt mit dem heutigen zu tun. So komme ich nicht weiter und es erscheint mir inzwischen einfacher, den Veranstalter anzumailen, mein Interesse zu bekunden und zu fragen, ob und unter welchen Voraussetzungen ich teilnehmen darf.
Und sollte ich vor Ort in eine verzwickte Lage geraten, indem ich als einzige ohne spitzfindiges Fachwissen auffalle, lenke ich einfach geschickt vom Thema ab und halte einen Parallelvortrag über das Symposium als solches, was es früher war und wie es zu dem wurde, was es heute ist. Notfalls erfinde ich ein paar Details aus dem Stegreif und verkaufe sie als Spezialwissen. Für eine Kaffeepause wird der Stoff schon reichen. Und wahrscheinlich verläuft alles ganz harmlos und niemand nimmt mich wahr oder fragt mich irgendwas, allenfalls, wo sich die Toiletten befinden und die ganze Aufregung war wieder mal umsonst. Ich werde berichten.