Bis Februar nächsten Jahres findet in Freiburg die Veranstaltungsreihe „Zeichen der Zukunft. Ost-West. Dialoge und Perspektiven“ mit Fokus auf Kasachstan statt. Prof. Dr. Elisabeth Cheauré, Professorin für Slawistik an der Albert-Ludwigs-Universität Freiburg sowie Initiatorin des Zwetajewa-Zentrums, welches die Veranstaltungen organisiert, gibt im Gespräch mit der DAZ Einblicke in die Freiburger Veranstaltungsreihe sowie ihre Reise nach Kasachstan. Sie selbst wird im Rahmen der Reihe einen Literarischen Salon mit Lesung und Musik unter dem Titel „Literatur als Waffe“ leiten.

Frau Cheauré, könnten Sie kurz das Zwetajewa-Zentrum vorstellen?

2016 habe ich das Zwetajewa-Zentrum als eine Plattform für Wissenschaftskommunikation initiiert und damit eine Scharnierstelle zwischen Universität und Öffentlichkeit etabliert. Marina Zwetajewa ist unsere Namenspatronin, weil sie in idealer Weise für Interkulturalität und für deutsch-russische Beziehungen steht; außerdem hat sie ein Schuljahr in Freiburg verbracht.

Das Zentrum hat sich zunächst dem deutsch-russischen Kulturkontakt und -transfer gewidmet. Seit dem unsäglichen 24. Februar 2022 haben wir uns mit zwei Schwerpunkten neu justiert. Der erste ist nach wie vor Russland, aber „das andere Russland“, also das oppositionelle Russland, das sich heute zu einem großen Teil in der Emigration befindet. Diesen Stimmen wollen wir in Freiburg ein Forum geben. Der zweite, mindestens genauso wichtige Schwerpunkt sind jene Staaten, die aktuell meist unter der Kategorie „postkoloniale oder postsowjetische Staaten“ laufen, also sich ab 1991 aus der Sowjetunion gelöst haben. Wir greifen mit unserem Konzept immer einen Schwerpunkt heraus, da uns allgemeine Angebote über Postkolonialismus nicht konkret genug sind. Im laufenden Semester steht Kasachstan im Zentrum unseres Interesses.

Warum fiel Ihre Wahl dieses Mal auf Kasachstan?

Künstlerin Saule Suleimenowa aus Kasachstan bei einer Veranstaltung in Freiburg

Während unserer Recherchen hat Margarita Augustin, mit der ich das Kulturprogramm leite, erfahren, dass in Almaty im April eine internationale Ausstellung der Goethe-Institute Baku und Almaty organisiert wurde, mit dem interessanten Titel „Nebel des Kriegs“. Diese Ausstellung war letztlich der Anlass dafür, dass wir sehr kurzfristig unsere Reise planten und hofften, dort Künstlerinnen und Künstler kennenzulernen, die uns interessieren und mit denen wir dann ein Programm in Freiburg anbieten könnten. Wir setzen immer auf eine Kombination aus Wissenschaft, Kunst, Musik und Literatur.

Es war ein absoluter Glückstreffer, dass sich innerhalb weniger Tage eine solche Fülle an Kontakten und menschlichen Begegnungen aufgetan hat. So konnten wir sehr schnell unser bislang größtes Programm mit allein drei Kunstausstellungen fixieren. Das ist für unsere kleine Organisation wirklich außergewöhnlich. Dank unserer etablierten Partner in Freiburg (z.B. Kommunales Kino, Delphi Space oder Universitätsbibliothek) konnten wir dieses Programm kurzfristig organisieren. Außerdem haben wir das Glück, dass wir seit Jahren ein Forschungsprojekt, genauer ein „Graduiertenkolleg“ zum Thema Kulturtransfer haben und dadurch über zusätzliche finanzielle Mittel verfügen.

Es ist für mich ein kleines Wunder, dass alles so reibungslos klappt. Wir haben einen riesigen Zulauf, dabei haben wir gerade mal begonnen. Wir sind wirklich glücklich darüber, auf welches Interesse wir in Freiburg stoßen, und vor allem darüber, dass es hier zum Thema Kasachstan und anlässlich der aktuellen Ausstellung „KUZEU. Displaced Identity“ ein Publikum gibt, das sonst weniger zu uns findet. Das sind Menschen, die aus Kasachstan stammen und sich jetzt sehr darüber freuen, so viel Positives aus ihrem Land zu sehen. Viele dieser Menschen, die in Freiburg leben, erfahren eine solche Anerkennung im täglichen Umfeld nicht und ich glaube, manchen gibt diese Veranstaltungsreihe ein besonderes Selbstbewusstsein.

Sie haben gerade Ihre Reise nach Kasachstan angesprochen. Können Sie davon etwas mehr berichten?

Die Menschen in Kasachstan haben ein unglaublich positives, gastfreundliches Bild vermittelt. Ich würde sehr gerne wieder hinfahren und hoffe, dass sich das ergibt. Großer Dank meinerseits an Kasachstan!

Wir waren ausschließlich in Almaty, von einem kleinen Ausflug in die Berge abgesehen. Mehr war innerhalb von dreieinhalb Tagen nicht möglich. Aber wir haben mehrere Künstlerinnen und Künstler besucht, die wir zum Teil nun auch physisch in Freiburg begrüßen dürfen. Beispielsweise war Saule Suleimenowa mit ihren wunderbaren Arbeiten aus Plastiktüten hier – eine faszinierende Kombination von kasachischer traditioneller Kunst, Motivik und diesem Abfallmaterial. Auch Almagul Menlibajewa wird uns noch besuchen.

Uns war auch wichtig, mit kasachischen Kuratorinnen und Kuratoren zusammenzuarbeiten, die ihr Konzept hierherbringen. Denn wir wollen keinesfalls den westlichen Blick monopolisieren und mit unserer Auswahl ein bestimmtes Bild steuern. Daher sind wir sehr glücklich über die Zusammenarbeit mit Olga Vesselowa und Sanzhar Serikpajew. Damit werden Impulse gesetzt, nicht zuletzt auch in der Hoffnung, dass die Kontakte dann weiter gepflegt werden, sei es in Form von weiteren Aufenthalten kasachischer Kunstschaffender in Freiburg, oder von Freiburgerinnen und Freiburgern in Kasachstan. Daher haben wir auch Ulrike Weiss zu Gast, eine Freiburgerin, die viel in Kasachstan gearbeitet hat. Das Ganze soll ja keine Einbahnstraße sein.

Welche Bedeutung hat der Titel der Veranstaltungsreihe „Zeichen der Zukunft. Ost-West. Perspektiven und Dialoge“ in Bezug auf Kasachstan?

Unter diesem Titel bieten wir erst seit letztem Sommersemester unser Programm an, zuvor stand es zwei Semester lang unter dem Titel „Das andere Russland“. Wir wollten unsere Neujustierung auch über den Reihentitel transportieren und zeigen, dass wir uns von Russland als alleinigem Thema gelöst haben. Dabei kommt man natürlich auch beim Thema Kasachstan von Russland nicht los, denn die Geschichte der beiden Länder ist bekanntlich eng verflochten. Das zeigt ja das Russische als Kommunikationssprache neben dem Kasachischen ebenso wie die nach wie vor gemeinsame Vorwahl.

Mit „Zeichen der Zukunft“ wollen wir transportieren, dass wir in dieser allgemeinen, geopolitisch von Kriegen geprägten Weltlage doch über die Tagespolitik hinausschauen wollen und so etwas wie eine leichte Hoffnung hegen, dass es eine Zeit nach den Kriegen geben wird. Da gilt es bereits jetzt, Brücken zu bauen, gerade zu Räumen, die bislang zu wenig im Fokus waren. Zum anderen verbinden Kasachstan und Deutschland aktuell große wirtschaftliche Interessen. Dass der ganze zentralasiatische Raum wirtschaftlich von großer Bedeutung ist, ist ein Faktum, das wir im Eröffnungsvortrag von Herrn Mangold reflektiert haben.

Ein weiterer wichtiger Aspekt ist die Tatsache, dass Kasachstan im öffentlichen Bewusstsein Deutschlands wenig präsent ist, obwohl sehr viele Menschen, die aus Kasachstan stammen, in Deutschland leben. Man macht sich viel zu wenig Gedanken, woher diese überhaupt kommen. Diese Menschen werden oft schlicht als Russen wahrgenommen, weil sie Russisch sprechen. Darauf sollten wir einen differenzierteren Blick lenken und nicht in allgemeine Klischees verfallen. Das ist insgesamt das Credo unserer Arbeit. Wir wollen keine platten Schwarz-Weiß-Diskurse, sondern die Welt differenzierter betrachten. Ich denke, für uns alle im Zwetajewa-Zentrum ist der Motor unserer Arbeit, aufzuklären, besser zu verstehen und medialer Polemik entgegenzuwirken.

Worauf legten Sie bei der Auswahl der Veranstaltungen ihr Augenmerk?

Ich würde sagen, wir gehen durchaus intuitiv vor, manchmal helfen uns auch Zufälle bei der Planung. Wir sind beispielsweise nicht mit einem strikten Plan nach Almaty geflogen, also genau wissend, wen wir gezielt treffen wollen. So arbeiten wir nicht. Wir sind offen für Begegnungen, und dieses Mal hatten wir wunderbare Angebote über Kunst. Im Anschluss daran haben wir gezielt gesucht, welche Vorträge und Filme dieses Konzept, das uns aus dem Kunstbereich entgegenkam, einrahmen könnten. Und zwar so, dass unser Publikum zum Beispiel die Ausstellungen einordnen kann. Ich gehe dann mit wissenschaftlichem Interesse an das Thema heran und überlege, welche Vortragenden wir für ein ausgewogenes Bild einbinden können. Kurz gesagt: Es ist zunächst ein ganz offenes Konzept, das aber immer wissenschaftlich begleitet wird.

Vielen Dank für das Gespräch.

Die Fragen stellte Sasha Borgardt.

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