Zum dritten Mal präsentierten sich vom 25. bis 26. März soziale Vereine und Initiativen mit ihren Projekten auf der Messe „Aktive Zivilgesellschaft – starkes Kasachstan“ in Almaty. Organisiert wurde sie vom Internationalen Institut Moderner Politik (IIMP), dem Ministerium für Kultur und Information und der Medienakademie. DAZ-Autorin Sylvia Scholz sprach mit einem der Teilnehmer, dem Vertreter der Jerschan-Tatischew-Stiftung, Marat Aitmagambetow.
Beim runden Tisch „Soziale Verantwortung des Staates: zur Rolle des Staates und der Wirtschaft“ sagte die Moderatorin Tatjana Bends von der Versicherungsgesellschaft „Alliance Polis“ in nicht ganz überzeugtem Ton, dass sie darauf hoffe, selbst noch Zeuge einer funktionierenden kasachischen Zivilgesellschaft zu werden. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation in Kasachstan ein? Denken Sie, dass eine solche Hoffnung von Tatjana Bends berechtigt ist?
Zu behaupten, dass es in Kasachstan noch keine Zivilgesellschaft gibt, ist nicht richtig. Die Zivilgesellschaft in Kasachstan kann auf eine 17-jährige Geschichte zurückblicken. In dieser kurzen Zeit sind relativ viele, starke Organisationen entstanden, von denen viele auf internationaler Ebene arbeiten und über gute Programme verfügen. Es ist eine andere Sache, dass die Zivilgesellschaft in Kasachstan natürlich vor einer ganzen Reihe von Problemen steht, angefangen bei einer ungenügenden Gesetzgebung, welche den Gründungsprozess neuer Organisationen erschwert, bis hin zu fehlenden Steuererleichterungen, sowohl für die nichtkommerziellen Organisationen als auch für deren Sponsoren. Grundsätzlich fehlt es an ausreichender Information über die Tätigkeit der Nichtregierungsorganisationen (NGO), insbesondere auch, um neue Sponsoren zu gewinnen. Der NGO-Sektor muss unbedingt gestärkt werden, um ein gleichberechtigter Partner von Staat und Unternehmen zu werden.
Wer ist Zielgruppe Ihrer Stiftung, und worin unterscheidet sie sich von anderen?
Unserem Grundsatzprogramm entsprechend gehören Bachelor- und Masterstudenten der Wirtschaftswissenschaften zu unserer Zielgruppe, außerdem jedoch auch Spezialisten aus dem staatlichen und privaten Bereich, sowie auch Universitätslehrer und sozial benachteiligte geringer verdienende Bevölkerungsgruppen. Unsere Stiftung unterstützt Kinder aus sozial schwachen Familien, gibt ihnen die Möglichkeit, eine gute, hochwertige Ausbildung im Wirtschafts- und Finanzbereich zu bekommen. Darin unterscheiden wir uns grundlegend von den anderen Stiftungen.
Wie viele Stiftungen gibt es überhaupt in Kasachstan?
Wenn wir von Stiftungen sprechen, die von örtlichen Großkonzernen unterstützt werden, so gibt es nur wenige. Die zur Zeit aktivsten Organisationen sind beispielsweise die Stiftung Kus Scholy, von der Kazkommerzbank gegründet, die soziale Stiftung Seimar und die Jerschan-Tatischew-Stiftung, welche von der Familie Tatischew und dem Topmanagement der TuranAlembank gegründet wurde. Darüber hinaus gibt es jedoch auch viele ausländische Investoren aus dem Öl- und Gassektor und dem Telekommunikations- und Computertechnologiebereich, die jährlich Summen für wohltätige Zwecke ausgeben.
Wie viele Stipendiaten werden zur Zeit von Ihnen unterstützt, und mit welchen internationalen Organisationen arbeiten Sie zusammen?
Gerade läuft erneut das Stipendienauswahlverfahren. Es werden sechs Bachelorstudenten mit Studienschwerpunkt Wirtschaft und Finanzen, sowie drei Masterstudenten einer Londoner Wirtschaftsschule Studienstipendien erhalten. Da unsere Stiftung sehr jung ist, gibt es noch keine zuverlässigen, nachhaltigen Kontakte.
Könnten Sie unseren Lesern bitte kurz erklären, wer Jerschan Tatischew war und warum es eine solche Stiftung gibt.
Jerschan Tatischew wurde 1967 in einem kleinen Dorf in Südkasachstan als Kind einer einfachen, kinderreichen Familie geboren. Er studierte in Moskau angewandte Biotechnologie und parallel dazu Wirtschaftswissenschaften in Almaty. 1993 wurde er stellvertretender Vorsitzender der Kazkommertsbank, 1997 schließlich Vorsitzender der TuranAlemBank. Die Bank hatte damals in Kasachstan nur einen Marktanteil von sieben Prozent, niemand glaubte daran, dass die Fusion zweier Banken erfolgreich sein könnte. Im Jahr 2003 jedoch war der Marktanteil schon auf 20 Prozent gewachsen. Im Verlauf von sieben Jahren hat Jerschan Tatischew die Politik und Strategie der Bank entscheidend geprägt. Ihm ist es zu verdanken, dass schließlich ausländische Investoren in die Bank investierten und 22 Vertretungen in Moskau, Kiew, Minsk, Bischkek, Shanghai, Kasan, Jekaterinburg, Tbilissi, Duschanbe, Jerewan und Baku eröffnet wurden. Heute ist die TuranAlemBank eines der führenden Geldinstitute in Kasachstan. Jerschan Tatischew hat mutige, ungewohnte strategische Entscheidungen getroffen und professionelles Arbeiten zum Kriterium des Erfolgs der Bank gemacht. 2004 kam er ums Leben. Seine Familie hat 2005 die gemeinnützige Jerschan-Tatischew-Stiftung gegründet, welche es sich zur Aufgabe gemacht hat, eine hochprofessionelle Finanzelite internationalen Maßstabes heranzuziehen. Wir vergeben Stipendien, unterstützen wissenschaftliche Projekte, die sich damit befassen, das kasachische Bildungssystem auf internationales Niveau zu bringen, und leisten nichtkommerziellen Nichtregierungsorganisationen technische und finanzielle Hilfe bei sozialen Projekten, die sich die Förderung von Wissenschaft, Kultur, Bildung und Gesundheitsvorsorge zur Aufgabe gemacht haben. Gerade die sozial benachteiligten Bevölkerungsschichten benötigen dabei unsere besondere Hilfe.
Warum ist diese Messe für Ihre Stiftung interessant, und welche Eindrücke haben Sie bisher?
Wir nehmen zum ersten Mal an einer solchen Messe teil. Die Arbeit unserer Stiftung basiert darauf, interessante, langfristige Projekte finanziell und strukturell zu unterstützen. Die Messe ist ein guter Ort, um sich mit solchen Projekten bekannt zu machen. Außerdem ist es eine Möglichkeit für uns, die Politik und Philosophie unserer Stiftung an die Bevölkerung und den nichtkommerziellen Sektor heranzutragen, über uns zu informieren. Die Grundidee, einen Dialog zwischen nichtkommerziellen Organisationen und potenziellen Sponsoren innerhalb internationaler, staatlicher und kommerzieller Strukturen herzustellen, ist sehr gut. Jedoch sollten die Organisatoren in Zukunft mehr Augenmerk auf die Teilnahme von Sponsoren legen.
Welche Pläne haben Sie für die Zukunft?
Wir bemühen uns, im Rahmen unseres Programms, den Kreis potentieller Partner auf führende Universitäten in Europa und den USA auszuweiten.
Herr Aitmagambetow, vielen Dank für das Gespräch.
07/04/2007