Aus den Parlamentswahlen in Kasachstan ist Nur Otan, die Partei von Präsident Nursultan Nasarbajew, als eindeutiger Sieger hervorgegangen. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) attestieren Kasachstan Fortschritte im Wahlprozess. In ihrem Report berichten sie gleichzeitig aber auch von Kontrollen bei der Wahlabgabe oder bemängeln die hohe Sieben-Prozent-Hürde, die von keiner anderen Partei erreicht wurde. Das stößt in europäischen Medien teilweise auf Verwunderung und Unverständnis. Der UNO-Botschafter Kasachstans, Kairat Abusseitow, stellt sich den Fragen von DAZ-Autor David Kunz.

Herr Botschafter, die Parlamentswahlen in Kasachstan waren vorgezogene Wahlen. Gab es dafür einen speziellen Grund?

Im Mai 2007 wurden Verfassungsänderungen verabschiedet, die eine Wahl des Parlaments anhand von Parteilisten vorschreiben. Daher bestand ein Widerspruch zwischen der alten Legislative, die noch aufgrund individueller Mandate gewählt wurde und der neuen Verfassung. Mitglieder des Parlaments haben deshalb vorgezogene Wahlen initiiert, um den neuen Normen nachzukommen.

Wahlbeobachter der OSZE haben neben vielen Fortschritten im Wahlprozess auch Unregelmäßigkeiten festgestellt, die es nicht erlauben, von einer Wahl nach internationalem Standard zu sprechen. Was denken Sie über die Fairness der Wahlen?

Die zentrale Wahlkommission wird sämtliche Ergebnisse überprüfen und mit regionalen und lokalen Kommissionen zusammenarbeiten, um die gemachten Fortschritte zu vertiefen und Unregelmäßigkeiten in Zukunft zu vermeiden. Die Rolle von in- und ausländischen Beobachtern ist in diesem Zusammenhang sehr wichtig, zumal diese das Recht haben, die Qualität der Wahlen zu kontrollieren. Ich möchte an diesem Punkt allerdings betonen, dass es kaum ein Land gibt, welches die OSZE-Standards vollständig erfüllt. Wenn Wahlen abgehalten werden, gibt es immer Wege, wie diese noch verbessert werden könnten. So ist das Leben. In der Schweiz werden die Parlamentswahlen am 21. Oktober zum ersten Mal von der OSZE beobachtet. Ich denke, das wird eine gute Gelegenheit sein für die Schweizer Behörden, zu lernen mit internationalen Beobachtern zu arbeiten und auf deren Ergebnisse zu reagieren.

Wie begegnen Sie den von der OSZE vorgeworfenen Mängeln?

Falls die Behörden entscheiden sollten, dass Verbesserungen notwendig seien, dann wird die zentrale Wahlkommission zusammen mit in- und ausländischen Experten Empfehlungen ausarbeiten und diese der Regierung und dem Parlament vorlegen. Ich möchte hier anfügen, dass die zentrale Wahlkommission seit den 90er Jahren eng mit der OSZE zusammenarbeitet, um die Vereinbarung der nationalen Gesetzgebung mit den OSZE-Normen zu gewährleisten. Wir sind verpflichtet zur Zusammenarbeit mit der OSZE, und diese Tatsache wurde auch nie angezweifelt.

Wie stark haben die Unregelmäßigkeiten in den Wahllokalen das Wahlresultat beeinflusst?

Die OSZE und andere Beobachter haben die allgemeine Fairness der Wahlen nicht in Frage gestellt. Sie haben lediglich von einigen spezifischen Fällen gesprochen, die das Gesamtresultat nicht ändern.

Die OSZE beklagte mitunter den Einfluss lokaler Behörden in einigen Wahllokalen. Wie beurteilen Sie das, und was könnte der Grund dafür sein? Schließlich lief die Nur Otan Partei nie wirklich Gefahr, keine Mehrheit im Parlament zu haben.

Seit dem ersten Tag der Wahlkampagne war klar, dass Nur Otan die Mehrheit der Sitze im Parlament gewinnen würde. Gleichzeitig erwartete man eine oder zwei Oppositionsparteien, die zusätzlich im Parlament vertreten wären, was nicht geschah. Alle diese Parteien, mit Ausnahme der Kommunisten, stehen für etwa dieselben Werte: Freie Demokratie und Marktwirtschaft. Das ist ein positives Zeichen. Die Opposition hat es nicht geschafft, neue glaubwürdige Wege und alternative Lösungen zu präsentieren. Es ist speziell für die Opposition schwierig, ihren Platz in einem Land zu finden, das wirtschaftlich, sozial und politisch wächst. Die Wahlresultate haben gezeigt, dass die meisten Einwohner Kasachstans den Kurs der Regierung unterstützen. Der überwältigende Sieg von Nur Otan war die Wahl der Wähler und nicht die Wahl von lokalen Behörden.

Denken Sie, dass die Wahlbeurteilung der OSZE einen Einfluss darauf haben wird, ob Kasachstan 2009 den OSZE-Vorsitz erhält?

Die Meinung der OSZE-Mitglieder ist nicht von einer einzelnen Einschätzung abhängig, wenngleich diese berücksichtigt wird. Am Ende dieses Jahres, wenn die Abstimmung stattfindet, werden die allgemeine Bereitschaft von Kasachstan und dessen politische und internationale Leistungen bewertet.

Was halten Sie von der Sieben-Prozent-Hürde für politische Parteien? Ist sie nicht zu hoch für eine junge Demokratie wie Kasachstan, und sehen Sie Alternativen?

Die Hürde wurde in den vorgängigen Einschätzungen der OSZE-Wahlbeobachter erwähnt. Ich glaube, diese kann weiter diskutiert werden. Falls notwendig, können Folgemaßnahmen getroffen werden. Ich muss noch einmal betonen, dass die Wahlen im August die erste Wahlerfahrung für ein parteienbasiertes Parlament in Kasachstan waren. Wir werden unsere Lektionen daraus lernen.

Was war der Grund dafür, die Bestimmung in der Verfassung zu verankern, dass Präsident Nasarbajew auf Lebenszeit wieder gewählt werden kann?

Es war die Initiative von Mitgliedern der Partei, die entschieden haben, die Amtszeitbeschränkung für den ersten Präsidenten aufzuheben, um dessen persönlichen Beitrag zur Bildung des unabhängigen Kasachstans zu würdigen. Meiner Meinung nach ist es eine gute Möglichkeit für Präsident Nursultan Nasarbajew, seine politischen und wirtschaftlichen Reformen zu vollenden.

Wie schwierig ist es für Sie als Repräsentant Kasachstans, jene Art von Wahlergebnissen zu präsentieren, an die die westeuropäische Gesellschaft nicht gewöhnt ist?

Für mich ist es überhaupt kein Problem Wahlergebnisse zu präsentieren. Ich traf Journalisten und Experten nach den Wahlen am 18. August und habe dabei ernsthaftes Interesse an Kasachstan feststellen dürfen. Gleichzeitig gibt es in der Tat Unterschiede im Denkansatz und unterschiedliche Erfahrungen in Ländern mit einer langen Tradition von Demokratie und in jenen, in denen politische Reformen vor 16 Jahren stattfanden.

Herr Botschafter, vielen Dank für das Gespräch.

14/09/07

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