Heute wurde in einem Radiobeitrag dafür Werbung gemacht, mit einem Lama spazieren zu gehen. Zur Entschleunigung. Das wäre noch viel entspannender, als mit einem Hund oder einem Pferd spazieren zu gehen. Was, bitteschön, soll daran entspannend sein, mit einem Tier spazieren zu gehen, frage ich mich. Warum sollte man ein Lama mit sich führen, wenn man doch viel besser ohne ein Lama spazieren kann?
Aber für andere Leute scheint das anders zu sein. Ralph zum Beispiel geht unheimlich gern mit einem Pferd spazieren. Dass man auf einem Pferd spazieren geht, was dann ja Reiten heißt, verstehe ich noch gerade so. Aber warum man neben einem Pferd dahertrottet, will mir nicht einleuchten, zumindest nicht, wenn es ums Entspannen und Abschalten geht. Für Ralph ist es aber quasi ein Synonym. Denn eigentlich wollte ich das Grundstück seiner Mutter pachten, wo niemand ist, dafür aber viel Natur und ein Bachlauf, auf den man starren kann. Da das Grundstück aber zu weit entfernt liegt, um mal eben zum Entspannen hinzufahren, hat er mir gutmeinend als Ersatz angeboten, einmal in der Woche mit seinem Pflegepferd spazieren zu gehen. Ich verstand den Zusammenhang nicht, da sich für mich das Bild so darstellt: Bach in der Pampa = Entspannen. Spaziergang mit Pferd = purer Stress. Aber um meiner zunehmenden Verstocktheit entgegenzuarbeiten und weil ich im Ansatz gern neuen Ideen aufgeschlossen wäre, habe ich es sogar ausprobiert, als ich Ralph einmal besuchte. Mit dieser Erfahrung kann ich jetzt zumindest fundiert und qualifiziert in Frage stellen, wie ich bitte schön abschalten soll, wenn ich ein großes Tier direkt neben mir habe, das sich ständig vor irgendwas erschreckt, so dass ich aufpassen muss, dass es mir nicht vor lauter Schreck den Fuß zerquetscht. Wenn es ständig stehen bleibt, um Gras zu rupfen, und ich keinen Schritt vorwärts komme; wenn es den Kopf hin und her schlägt und mir dabei fast den Arm ausreißt. Nein, Danke!
Ein Pferd ist mir eine Nummer zu groß, obwohl ich es auch mit Hunden nicht angenehmer finde, auch wenn sie ganz klein sind. Meinen Freund Frank treffe ich gern auf einen Spaziergang, was ja ganz entspannend sein könnte, wäre nicht jedes Mal der Hund dabei! Frank und ich sehen uns nicht so oft, drum gibt es immer viel zu erzählen, über das Leben, die Liebe, den Tod. Was eine gewisse Ungestörtheit erfordert, die sicher nicht gegeben ist, wenn jemand ständig seinen Hund rufen muss, der überall ist, wo er nicht sein soll, und sonst was anstellt, was er lassen soll. Und wenn er ihn an die kurze Leine nimmt, läuft er uns ständig quer vor die Füße, bleibt abrupt stehen oder sprintet unvermittelt los und reißt Frank einen Meter mit sich. Ich will einfach nicht mit Tieren spazieren gehen!
Und wenn ich mir jetzt noch ein Lama an meiner Seite vorstelle, dann kriege ich schon bei der vagen Vorstellung einen Föhn. Jetzt könnten Sie sagen, ja, müssen Sie ja gar nicht, jedem das Seine! Ja, aber wenn das nun in Mode kommt und andere Menschen mit ihrem Lama durch die Gegend laufen, betrifft das zwangsläufig auch mich! So wie ich ständig von anderer Leute Hunden belästigt werde, die immer wieder aufs Neue ausrufen „Huch, das hat er vorher noch nie gemacht!“ Und wenn Hunde nach jahrhundertelanger Zähmung immer noch unberechenbar sind und Dinge tun, die sie vorher angeblich noch nie getan haben, wie soll man denn dann mit Lamas umgehen, wer weiß, was die alles machen?! Da fehlen doch noch die Langzeitwirkungsanalysen! Soviel ich weiß, spucken sie mindestens, und das reicht mir auch schon an Belästigung. Stellen Sie sich vor, ich stehe nichts ahnend auf einem Hügel und genieße die Aussicht, fange gerade an, abzuschalten und dann sabbert mir plötzlich ein Lama auf die Schulter, weil irgend so ein Knilch meint, mit einem Lama wandere und entspanne es sich viel besser als ohne. Hoffentlich haben diesen Radiobeitrag nicht zu viele Leute gehört! „Warum nicht mit einem Lama spazieren gehen?“ fragte die Radiomoderatorin. Wenn ich hier eine Gegendarstellung loswerden darf, möchte ich fragen: Warum mit einem Lama spazieren gehen, wenn es auch ohne geht?!
Julia Siebert
26/06/09