Heute war ich in meinem Antiquariat, und alles war anders. Auf den ersten Blick sah es dort zunächst so aus wie früher, aber etwas stimmte nicht, etwas ganz Entscheidendes – die Atmosphäre. Das Problem: eine Frau!
In einem Buchantiquariat muss es bedächtig zugehen und langsam, so langsam, dass der Staub Gelegenheit hat, sich zu legen. Allenfalls darf man ein schüchternes Rascheln hören, leise schlurfende Schritte, ein unterdrücktes Räuspern. Ein richtiger Antiquar hat einen im Blick, er steht sofort zur Seite, wenn man eine Frage hat, da muss man nicht lange rufen und fuchteln. Wie man sich das in einem Film oder eben antiken Buch vorstellt. So war es auch in Wirklichkeit in meinem Antiquariat inmitten der Kölner Innenstadt; eine kleine Idylle, in der man zur Ruhe kommen konnte, stöbern, als wenn die Zeit stehen geblieben wäre. Wo man auf die Frage: „Was suchen Sie denn?“ die abwegigsten Fragen stellen konnte. Und der Antiquar dann auf seine Leiter stieg und zielsicher und vorsichtig das passende Buch aus dem herrlichen Chaos gezogen hat. Immer!
So wollte ich das auch heute. Ich suchte nach einem passenden Geburtstagsgeschenk für eine Freundin, die Gärtnerin ist. Da sie sicher schon sämtliche Fachbücher der Pflanzen- und Blumenkunde hat, sollte es etwas antikes sein, worin steht, wie man damals meinte, gärtnern zu müssen, bestmöglich in altgotischer Schrift gedruckt.
Ich betrat also mein Antiquariat und wollte grad eintauchen in die staubige Gemächlichkeit, da schoss eine Frau an mir vorbei, gleich darauf hörte ich ein hektisches Räumen und Stoßen, ja, als ob jemand die Bücher mit aller Wucht gegen die Regalwand drückt. Jeder Stoß tat weh. Und alles war so ordentlich. Kein Wunder, denn die Frau hetzte ohne Unterlass von Regal zu Regal, sortierte hin und her, brachte in den verschiedenen Regalen die Bücher in Reih und Glied, so dass man ein Lineal hätte anlegen können. Das hat mich eh schon verstimmt, und dann fand ich auch nicht auf Anhieb die Abteilung mit den Gartenbüchern und auch nicht sofort die Frau, weil sie ja immer in Bewegung war. Ich folgte dem Lärm, aber immer war sie einen Schritt schneller als ich. Als ich sie endlich einholte, konnte sie mir nicht direkt das passende Regal zeigen. Ich erwähnte schon, dass ein Antiquar nicht nur unbedingt die Abteilungen kennen muss, sondern, was darin für Werke zu finden sind und wo sie stehen. Mein Antiquar wusste das! Jetzt war ich endgültig beleidigt und nach dem Motto „Suchen kann ich selber“ fand ich schließlich, was ich wollte. Immerhin! Aber die Freude war nur mäßig groß, das Drumherum um diesen Buchkauf passte nicht.
Also ehrlich! Frauen gehören in eine Hosen- oder Dessousabteilung, wo man geschäftig räumen und sortieren darf: alle rosa Unterhosen zu den rosa Unterhosen, ab Größe 36 aufwärts bis Größe 44 usw. Frauen können auch wunderbar eine ordentliche Kaffeetafel eindecken, wo an jeder Untertasse und jedem Löffel noch mal ein wenig gerückt wird, bis jedes winzige Detail an Ort und Stelle ist. Aber man muss einsehen, dass Frauen eben nicht für alle wichtigen Dinge des Lebens geschaffen sind; in ein Buchantiquariat dürfen sie allenfalls, wenn überhaupt, als sehr kurzzeitige Urlaubsvertretung. Ach, diese Frage habe ich vergessen zu stellen. Es gibt also noch Hoffnung!
Julia Siebert
22/08/08