Der Lebensweg des Autors Georg Lauer gleicht einem Buch in drei Kapiteln: Geboren 1941 in Russland, lebte er seit 1959 in Kasachstan, bis er 1995 nach Deutschland auswanderte. Jeder Lebensabschnitt prägte ihn als Person und auch als Autor. An seine ehemalige Heimat Kasachstan, wo er den Großteil seines Lebens verbrachte, hat er nur die schönsten Erinnerungen. Er lebte damals mit seiner Familie im Dorf Issyk, in der Nähe des heutigen Almaty. Seine Eindrücke und Erfahrungen hält Georg Lauer in seinen Notizbüchern fest, aus denen bereits zwei Sammelbände entstanden sind.

Bereits als Kind war Georg Lauer ein interessierter und neugieriger Beobachter, eine feine und kreative Seele. „Ich war zwar kein besonders guter Schüler, doch ich konnte sehr gut Aufsätze schreiben und malen“, erinnert sich der Autor an seine Schulzeit. Georg Lauer ist im Gebiet Tscheljabinsk geboren und aufgewachsen. Im Jahr 1959 siedelte er nach Kasachstan um. Dort lebte er mit seiner Familie bis 1995. Die Ausreise nach Deutschland stellte Georg vor viele Herausforderungen.

„Jeder meinte damals zu mir, dass ich in dem Alter keine Arbeit mehr finden werde, doch ich habe das Gegenteil bewiesen“, erzählt er stolz. Georg bekommt eine gute Stelle als Hausmeister – und eine Dienstwohnung dazu. Er lebt auf einer Insel zwischen Rosenheim und München, in einem Schloss. „Ich hatte einen großen Schreibtisch mit einem tollen Ausblick auf den Park“, schwärmt Georg Lauer von seiner damaligen Umgebung. Beste Voraussetzungen, um kreativ tätig zu sein.

Seine ersten Schreibversuche unternahm Georg noch in Russland und in Kasachstan, doch davon ist leider nichts erhalten geblieben. „Es war nichts Bedeutendes. Lediglich ein paar Notizen über meine Erinnerungen und Eindrücke aus jenen Tagen“, erklärt der Autor, doch der Klang seiner Stimme lässt ein wenig Bitterkeit erahnen.

Das Schreiben als große Leidenschaft

Erst 1999 kommt Georg wieder zum Schreiben. „Das habe ich einem Gespräch zu verdanken. Bei einem Spaziergang habe ich einem Bekannten viel über mein Leben erzählt. Daraufhin meinte er, ich soll meine Erinnerungen und Erfahrungen doch aufschreiben“, erinnert sich Georg Lauer. „Zunächst war ich verwirrt. Ich? Etwas aufschreiben? Ich bin doch kein Schriftsteller, dachte ich mir damals.“

Georg Lauer traut sich das Schreiben erst selbst nicht zu. Doch der Gedanke lässt ihn tagelang nicht los. Schließlich setzt er sich hin und schreibt ein paar Zeilen nieder. Er findet seine Erfüllung in der neuen Aufgabe und beginnt, jeden Tag etwas in sein Notizbuch zu schreiben. „Bis heute habe ich ganze 18 Notizbücher mit Erinnerungen und Eindrücken aus meinem Leben gefüllt“, erzählt er stolz.

Wenn Georg Lauer über seine große Leidenschaft, das Schreiben, spricht, beginnen seine Augen jugendlich zu leuchten, und seine Stimme bekommt einen neuen Klang. Seine Geschichten sind in leichter, poetischer Sprache geschrieben und entsprangen nicht etwa seiner Fantasie, sondern sind direkt aus dem echten Leben gegriffen. Georg Lauer versteht es, die einfachen Dinge des Lebens gefühlvoll und authentisch zu beschreiben.

Aus den Notizbüchern eines Russlanddeutschen

Die ersten Versuche zeigt der angehende Autor zunächst seiner Familie. Er wird ermutigt, die Kurzgeschichten irgendwo einzureichen, damit sie veröffentlicht werden können. Früher hat Georg Lauer seine Geschichten nur handschriftlich verfasst. Jedoch erkennt er, dass man mit der Zeit Schritt halten muss, und lernt mit 74 Jahren den Umgang mit einem Computer. Nach und nach entstehen auch die ersten Kontakte zu anderen Autorinnen und Autoren. Es beginnt ein bereichernder Austausch.

Die ersten Kurzgeschichten erscheinen in russlanddeutschen Zeitungen, Zeitschriften und Anthologien. Im Jahr 2018 erfüllt sich endlich ein Traum: Sein erster Sammelband mit Kurzgeschichten in russischer Sprache erblickt die Welt. Das Buch trägt den Titel „Из записных книжек российского немца“ (dt. „Aus den Notizbüchern eines Russlanddeutschen“). Ein Jahr darauf folgt ein Sammelband in deutscher Sprache: „Am Ufer des Flusses“. In beiden Büchern sind Erzählungen aus seinem Leben gesammelt.
Besonders gern erinnert sich Georg Lauer an die Präsentation seines deutschsprachigen Sammelbandes in seiner heutigen Heimatstadt Bad Wörishofen im November 2019. Die Lesung wurde mithilfe der Evangelisch-Lutherischen Erlöserkirche organisiert und hatte 50 Besucher. Die Unterstützung aus seiner Umgebung bedeutet ihm sehr viel, und das weiß Georg Lauer auch zu schätzen: „Man darf nicht immer nur fordern, sondern muss auch etwas zurückgeben können. Und man kann nicht immer nur Erwartungen stellen, sondern muss hin und wieder auch selbst Initiative zeigen“, erzählt er überzeugt.

Für Georg Lauer vergeht kein Tag ohne eine Zeile

Georg Lauer bleibt aktiv: Er besucht Seminare und Lesungen für russlanddeutsche Autoren, knüpft immer wieder neue Kontakte, erweitert sein Netzwerk und beteiligt sich an unterschiedlichen Veranstaltungen. Momentan arbeitet er an seinem neuen deutschsprachigen Buch, in dem Erzählungen über Ausflüge und kleinere Reisen gesammelt sind.

Für den engagierten Autor vergeht kein Tag ohne eine Zeile: „Wenn mir nichts einfällt oder ich keine Ideen habe, dann schreibe ich einfach über das Wetter“, lächelt er verlegen. „Wichtig ist, dass ich schreibe und in Übung bleibe“.

Georg ist nicht nur ein guter Erzähler, sondern auch ein guter Beobachter. Seine Kurzgeschichten sind farbenfroh, lebendig, lebensecht und lesernah. Jeder wird sich in seinen Erzählungen wiedererkennen können. Auf die Frage, woraus er seine tägliche Inspiration zum Schreiben schöpft, antwortet Lauer: „Ich schreibe über alles, was ich sehe, höre, fühle und was mich umgibt. Über die Menschen, denen ich begegne, über meine Gefühle, Erinnerungen und die Schönheit der Natur. Das Leben liefert uns die besten Impulse zum kreativen Schaffen. Und diese Quelle ist unerschöpflich.“

Kontakt zum Autor – Email: lauergeorg@mail.ru

Katharina Martin-Virolainen

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„Der Herbsttraum“ von Georg Lauer

Zum Herbstbeginn tauscht der Wald sein prächtiges Grün gegen ein buntes Herbstgewand. Die schönen Birken mit weißen Stämmen, stehen wie junge Mädels vor der Hochzeit und probieren ihre goldenen Blätterkleider an. Der goldene Herbst.

Irgendwann beginnt der Blätterfall. Bei jedem Windstoß wirbelt immer mehr Laub in der Luft und legt sich wie ein warmer, zauberhafter, orientalischer Teppich auf die Erde. Es raschelt so angenehm unter den Füßen.

Mir kommt wieder meine längst vergangene Kindheit in den Sinn, als ich mich so gern auf der Herbstdecke ausstreckte und am Himmel die Wolken anschaute. Sie waren einmalig schön und änderten sich ständig.

Wenn der Wind die Bäume schaukelte, sah es aus, als ob die Zweige den vorbeifliegenden Wolken zuwinken würden. Manchmal wurde der Wind immer stärker und jagte die Wolken.
In meinem Teenagerkopf tauchten außergewöhnliche Träume auf: Ich sah mich am Lenkrad eines märchenhaften Schiffes im wütenden Ozean, verfolgt von Piraten. Auf dem Schiff befand sich ein Schatz, und die Piraten kamen immer näher. Man hörte ihre bedrohenden Schreie. In diesem gefährlichen Moment legte sich plötzlich der Wind. Die Wolken bewegten sich auch nicht mehr. Leider verschwand das Bild danach…

Es ist spannend, die Übergänge von einer Jahreszeit zu der anderen zu beobachten. Das prächtige Grün wird immer dunkler und matter. Auf einigen Bäumen sind die ersten gelben Strähnchen zu sehen. Es sind die ersten Merkmale des Herbstes. So wie bei den Menschen in der Herbstzeit ihres Lebens die ersten grauen Haare auftauchen, manchmal auch die ersten Falten um die Mundwinkel und unter den Augen.

Die Zeit bleibt nie auf der Stelle stehen. Sie geht immer weiter. Die Erntezeit kommt. Die Tage werden kürzer, der Himmel ist oft ungemütlich grau. Die Sonne ist viel milder, wärmt nicht mehr so und versteckt sich oft hinter den Regenwolken. Die gelben Blätter sind schon keine Seltenheit mehr. Die bunten Herbstfarben erfreuen das Auge mit ihrer natürlichen Schönheit.

Der Herbst ist meiner Meinung nach die schönste Jahreszeit. Alles kommt zu seiner Zeit.
Die Menschen haben noch genug Freuden und Sorgen. In jungen Jahren fehlt einem immer die Zeit. Das Leben ist so verführerisch, aber man muss viel lernen, einen Beruf ergreifen. Dann kommt die Arbeit dazu, die Familie muss ernährt werden. Wenn die Kinder erwachsen werden, muss man auch sie unterstützen, bis sie mit der Lehre oder dem Studium fertig sind. Danach gründen sie eigene Familien. Naturgemäß kommen auch die ersten lieben Enkelkinder. Mit 50 achtet man noch nicht so auf die grauen Haare, aber einige bekommen schon einen ganz grauen Kopf. Vorbeigeflogen die Jahre, man zählt schon nicht mehr die grauen Haare.

Der Winter ist ganz nah…

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