Das AIDS-Virus breitet sich in Osteuropa und in Zentralasien rasant aus. Ein Projekt der AIDS Foundation East West (AFEW) soll die medizinischen Systeme in vier zentralasiatischen Ländern langfristig stärken

Das Programm von AFEW mit dem Namen „Soziale Begleitung“ („Client Management“), ist auf drei Jahre angelegt und umfasst Kasachstan, Tadschikistan, Kirgisistan und Usbekistan. Das Ziel ist die Prophylaxe vor allem bei Risikogruppen, also Drogenabhängigen, Sexarbeitern und Gefängnisinsassen. Die Menschen sollen einen besseren Zugang zur umfassenden und qualifizierten Gesundheitsvorsorge bekommen.

Allein in Kasachstan leben nach offiziellen Zahlen über 5.500 Menschen mit HIV oder AIDS. Im Vergleich zu Zahlen in Afrika erscheinen diese Daten nicht besonders erschreckend, dennoch sind die Wachstumsraten sehr hoch. Außerdem liegen die inoffiziellen Zahlen bei 50.000, also beim Zehnfachen der Statistik. Der Regionaldirektor der AFEW in Zentralasien, Nicolas Cantau, betont: „Um die Situation, wie sie in Afrika ist, in Zentralasien zu verhindern, muss jetzt etwas getan werden!“. Der gebürtige Franzose ist seit anderthalb Jahren bei der AIDS Foundation East West und kam wie viele andere Mitarbeiter aus der Organisation „Ärzte ohne Grenzen“ zu der AFEW.

Die AIDS Foundation East-West ist eine internationale humanitäre Organisation, die vor allem im Bereich der öffentlichen Gesundheitsvorsorge arbeitet. Zur Mission von AFEW gehört es, Prophylaxe gegen HIV und AIDS zu betreiben sowie Menschen, die mit dieser Krankheit leben, zu unterstützen und ihnen eine Behandlung zu ermöglichen. Die Organisation ging 1991 aus der Vereinigung „Ärzte ohne Grenzen“ hervor und arbeitet vorrangig in den GUS-Ländern. AFEW arbeitet vor allem direkt mit Risikogruppen: HIV-positiven schwangeren Frauen, Drogenabhängigen, Sexarbeitern, Gefängnisinsassen. Die Foundation schult auch das medizinische Personal oder die Wärter in Gefängnissen, damit sie das Wissen um die Seuche weitergeben können.

AIDS verbreitet sich in den Staaten der ehemaligen Sowjetunion teils wegen mehrfacher Benutzung von Spritzen beim Drogenkonsum, teils durch sexuellen Kontakt vor allem mit Prostituierten ausgesprochen schnell. In Zentralasien, Russland, in der Ukraine und den baltischen Staaten sind 60 Prozent der registrierten HIV-Positiven Drogensüchtige. Die Gründe für den massiven Drogenmissbrauch sehen die Experten in wirtschaftlichem Niedergang, in der hohen Arbeitslosigkeit und Armut. Außerdem ist Heroin leicht zu bekommen und vergleichsweise billig. Manchmal ist ein Schuss Heroin sogar billiger als eine Flasche Wodka.

In Usbekistan bezeichnet der UN-Report aus dem Jahr 2002 das Wachstum des HIV-Virus als „explosiv“. Dort waren allein in der ersten Hälfte des Jahres 2002 so viele Neuinfektionen zu vermelden wie in den vergangenen 10 Jahren zusammen.

AFEW-Regionaldirektor Nicolas Cantau hält die Aufklärungsarbeit, die von Regierungen in den jeweiligen Ländern gegen die Ausbreitung von AIDS betrieben wird, für „unzureichend und nicht effektiv“. Die Aufklärung über AIDS in der Bevölkerung ist mangelhaft. In Usbekistan und Tadschikistan haben weniger als 60 Prozent der jungen Leute je von HIV oder AIDS gehört, und weniger als zehn Prozent wissen, wie sie sich schützen können. Zum Beispiel erreichten die Aufklärungskampagnen der Regierungen, so Cantau, nur 20 Prozent der Drogenabhängigen. Um die Situation zu verändern und die Ausbreitung zu verhindern, müssten aber etwa 60 Prozent erreicht werden. Die regionalen „Vertrauenspunkte“ in den Städten Zentralasiens, wo Informationsmaterial, Kondome und saubere Spritzen ausliegen, sind meistens geschlossen, wenn sich Drogenabhängige dahin wenden möchten. Cantau sieht auch dort Handlungsbedarf. Zwar begannen die Länder der Sowjetunion schon 1987 AIDS-Zentren zu errichten, doch ist deren Mission eher, die Personen zu testen sowie die HIV-Infizierten und AIDS-Kranken zu registrieren, und nicht, zu informieren und Prävention zu betreiben.

Zum AFEW-Projekt „Soziale Begleitung“ gehört auch die Einrichtung von Ressource Centres, die bei dem medizinischen Personal im jeweiligen Land Trainings für den Umgang mit HIV und AIDS durchführen, Informationen über die Seuche und notwendige Materialien wie Kondome, Spritzen und Medizin bereitstellen.

Das Budget für das Programm beträgt 3,2 Millionen Euro. Das langfristige Ziel ist dabei, so Cantau, „Strukturen in den zentralasiatischen Ländern aufzubauen“, damit die medizinischen Zentren miteinander arbeiten. Die Mitarbeiter von AFEW glaubten nicht, dass sie HIV und AIDS und weitere Ansteckungen verhindern können, aber „das Projekt wäre ein Erfolg, wenn die medizinischen Systeme miteinander kommunizieren und zusammen arbeiten würden“.

AFEW arbeitet dabei eng mit den lokalen medizinischen Experten und den staatlichen sowie den nichtstaatlichen Organisationen des jeweiligen Landes. Die Gesundheits-, Innen- und Justizministerien der vier Länder sowie nationale Organisationen für Drogenkontrolle erklärten sich bereit, das Projekt zu unterstützen. Internationale Unterstützung bekommt das Projekt „Soziale Begleitung“ vom niederländischen Außenministerium und von verschiedenen internationalen Hilfsorganisationen.

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