Zentralasien war Thema in der American Academy Berlin. Die US-Expertin Martha Olcott, der deutsche Diplomat Norbert Baas und ein illustres Auditorium tauschten Ansichten über Status quo und Perspektiven aus.

Eine Gesprächsrunde mit Martha Olcott, Wissenschaftlerin der Carnegie Stiftung (Sektion Russland, Eurasien) und Norbert Baas, Sonderbeauftragter für Osteuropa, den Kaukasus und Zentralasien im Auswärtigen Amt, lockte am 21. Februar in die American Academy Berlin. Im Diplomatenviertel am Wannsee fanden sich Wissenschaftler, Wirtschaftsvertreter, Journalisten, Menschenrechtler, Militärs und Botschaftsvertreter – auch aus Kasachstan, Kirgisistan, Tadschikistan und Usbekistan – ein. Der Titel „Zentralasien: Wertvolle Kraft oder Sicherheitsrisiko?” deutet auf eine Diskussion rund um die Themen politische Stabilität und Islamismus, gepaart mit Terror und Energiereichtum in Zentralasien, hin.

Kaum westlicher Einfluss mehr

Engagiert eröffnete Frau Olcott: „Die USA und Europa sollten ihren Einfluss in Zentralasien nicht überschätzen. Nach dem 11. September und dem Afghanistankonflikt suchte man Partner im Kampf gegen den Terror. Der Westen interessierte sich für Zentralasien, aber nach dem Irakkrieg war es schon vorbei damit. Heute agiert die Politelite dort selbstsicher.” Lange habe man Zentralasien vernachlässigt, und nun sei die Hilfeleistung des Westens zu gering, um Einfluss zu nehmen, so die US-Expertin. Als Beispiel nannte Olcott Kasach-stan: „Mit Selbstbewusstsein reformiert sich das Land. Vor allem die Wirtschaft, weniger die Politik. Die Regierung sucht politische und militärische Kooperation mit Europa und den USA, aber nicht um jeden Preis. Astana sieht sich als eigenständiger Akteur. Der westliche Einfluss ist gering.“ Die Zentralasienexpertin warnte vor gespaltenen, autoritären Gesellschaften und einer zweiten islamischen Transformation in Zentralasien. „Ein Denken in den Kategorien „wir da oben“ und „die da unten“ erzeugt Instabilität“, so Olcott. Oberste Priorität im Westen scheinen derzeit die zentralasiatischen Öl- und Gasreserven zu haben. Olcott gab zu bedenken: „Die kaspischen Reserven können die Energielieferanten Russland oder Naher Osten nicht ersetzen. Sie reichen nur zur Diversifikation.”

Dialog für gemeinsame Interessen

Nach Olcott trug Norbert Baas seine Position in Diplomatenmanier vor. Zunächst sei anzumerken, dass Zentralasien faszinierend sei und nicht nur ökonomisches Interesse verdiene, so der Sonderbeauftragte des Auswärtigen Amtes. Der deutsche Diplomat kennt die Region wie seine Westentasche. „Deutschland und Europa haben enge, natürliche Bindungen nach Zentralasien, enger als die USA”, so Baas. Er erwähnte Deutschlands besondere Chancen durch die eigenen Minderheiten in Zentralasien, deren Integration immer besser gelinge. „Ich freue mich, wie junge Deutschstämmige ihre Chancen nutzen.” Auch er warnte vor einer Überschätzung der Energiereserven Zentralasiens. Bei seinen Worten zur politischen Lage ließ der Europäer Baas eine positivere Bewertung als die Amerikanerin Olcott erkennen. „Die Verbindung von Drogenschmuggel und Terrorismus – durch undemokratische Systeme begünstigt – ist ein Problem in Zentralasien. Ein Teufelskreis kann entstehen. Man darf die Region aber nicht in einen Topf werfen und als Nährboden für radikalen Islamismus abstempeln”, so Baas. „In Almaty oder Taschkent gibt es viele, die Pluralismus und Partizipation wollen, auch Alkoholverkauf und moderat gekleidete Frauen. Radikalen Islam oder ein Kalifat will hier keiner.” In Zentralasien seien es sogar islamische Kräfte, oft gepaart mit Geschäftsinteressen, die Schutz der Menschen- und Eigentumsrechte fordern, so Baas weiter. Dies und mehr Transparenz wünsche sich auch Europa von Zentralasien. Der Vertreter des Außenministeriums sagte mehr institutionalisierten Dialog zu. Einmal Präsident Nasarbajew ins Weiße Haus einzuladen, reiche nicht aus, so Baas. „Wir dürfen die Regierungen Zentralasiens nicht nur kritisieren – beispielsweise in der OSZE. Wir müssen den Staaten eine Sicherung ihrer Stabilität anbieten. Dann sind wir in zehn Jahren nicht mehr so fern voneinander wie heute”, so Baas.

Von Gunter Deuber

24/02/06

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