Immer häufiger stößt der Bau von Biogasanlagen und Windrädern bei Anwohnern auf Widerstand. Mit ihrem Unmut schaden sie nicht nur sich selbst.

Bis zum 2. März 2017 war Wuthenow eines von vielen unscheinbaren Dörfern in Brandenburg. Doch nachdem dort rund zwei Millionen Gärreste aus einer Biogasanlage ausgelaufen waren, gilt der Ort nun bei Kritikern solcher Anlagen als Beleg dafür, wie gefährlich diese sind. Tatsächlich ist in Wuthenow passiert, was nicht hätte passieren dürfen.

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Aufgrund eines Lecks mussten nach dem Vorfall 14.000 Kubikmeter Wasser aus einem Graben abgepumpt und 100 Kubikmeter kontaminierter Erde abgetragen werden.
Es ist Wasser auf die Mühlen aller Kritiker. Denn auch wenn die Betreiber von Biogasanlagen diese als sicher beschreiben – ein Restrisiko bleibt. Wann immer jemand in Deutschland künftig versucht, den Bau einer Biogasanlage zu verhindern, könnte er auf Wuthenow verweisen.

Die Mehrheit der Deutschen mag für eine Abkehr von Kernenergie und Kohle sein. Doch der Ausbau der erneuerbaren Energien ruft in vielen Regionen des Landes zugleich immer mehr Kritiker auf den Plan. So gibt es allein mehrere Hundert Bürgerinitiativen, die Windkraftprojekte verhindern wollen. Denn deren Schattenwurf und Schall seien, so die Überzeugung der Kritiker, eine Belastung für die Umwelt. Die wissenschaftlichen Meinungen dazu gehen gegenwärtig noch auseinander. Doch die wachsende Verunsicherung hilft im Zweifel jenen, denen die modernen Windmühlen ein Dorn im Auge sind.

Die bayerische Landesregierung hat längst durchgesetzt, dass zwischen Wohnhäusern und Windrädern als Mindestabstand das Zehnfache der Windradhöhe notwendig ist. Misst ein Windrad also 200 Meter, darf im Umkreis von zwei Kilometern kein Haus stehen. Macht dieses Beispiel Schule, droht im dicht besiedelten Deutschland der weitere Ausbau der Windenergie ausgebremst zu werden.

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Viele in unserem Land wünschen sich grünen Strom. Doch wie soll das gelingen, wenn niemand in seiner Nachbarschaft eine Windkraftanlage oder einer Biogasanlage toleriert? Gerade viele Dorfbewohner stören sich daran, dass die von Deutschland angestrebte Energiewende ihre Lebensqualität einschränkt. Sollen Windräder, Solarparks und Biogasanlagen doch dort errichtet werden, argumentieren sie, wo der Strom auch gebraucht und verbraucht wird – also in den großen Städten und Metropolen. Mit Schwarz-Weiß-Rhetorik wird Deutschland aber nicht grüner. Ohne Zugeständnisse der Dorfbewohner ist die Energiewende schlicht nicht zu schaffen. Wer diese Erkenntnis verinnerlicht und nicht gegen Windmühlen kämpft, der lebt stressfreier und somit gesünder. Denn nicht die Windkraftanlage, sondern der Kampf gegen Windkraftanlagen macht manche zuweilen krank.

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Natürlich ist es falsch, Bedenken und Sorgen Betroffener ungeprüft in den Wind zu schlagen. Die Gesundheit eines Menschen sollte genau wie seine Würde unantastbar sein. Doch wenn die Wissenschaft eine Technologie als unbedenklich einstuft, muss das schwerer wiegen als ein ungutes Bauchgefühl. Das Beispiel Wuthenow zeigt, dass Dinge trotz aller Sicherheitsvorkehrungen schief gehen können. Doch was sind zwei Millionen Liter ausgelaufene Gärreste im Vergleich zu einem Leck in einem Kernkraftwerk? Wuthenow sollte daher nicht von Wutbürgern als Argument gegen den Bau von Biogasanlagen missbraucht werden. Es sollte uns alle dafür sensibilisieren, auch die erneuerbaren Energieformen kritisch und konstruktiv zu hinterfragen.

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Alexander Kempf

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