In Nur-Sultan trifft der neue kirgisische Präsident erstmals seinen Amtskollegen aus Kasachstan. Auch in Moskau wird Schaparow vorstellig. Es ist das erste Mal seit dem gewaltsamen Machtwechsel in Kirgisistan, dass der Fokus von den innenpolitischen Verhältnissen in dem zentralasiatischen Land auf die Außenpolitik des neuen Staatschefs wandert.
Sadyr Schaparow hat seine ersten Auslandsbesuche als Präsident Kirgisistans absolviert. Am Dienstag traf das kirgisische Staatsoberhaupt in Nur-Sultan seinen kasachischen Amtskollegen Kassym-Schomart Tokajew. Zudem gab es weitere Gespräche zwischen Schaparow und Tokajews Vorgänger Nursultan Nasarbajew, dem kasachischen Regierungschef Askar Mamin und dem Sprecher des Abgeordnetenhauses Nurlan Nigmatulin.
Noch im Januar hatte es Verwirrung darum gegeben, welchem Land der erste offizielle Besuch Schaparows gelten würde. Im Anschluss an seinen Sieg bei der Präsidentenwahl vom 10. Januar war gemeldet worden, Schaparow werde auf Einladung seines kasachischen Amtskollegen Kassym-Schomart Tokajew zuerst in das Nachbarland reisen. Anfang Februar wurde dann bekannt gegeben, dass der Antrittsbesuch in Russland
geplant sei.
Tokajew und Schaparow mit gemeinsamer Erklärung
Bei dem Treffen zwischen Schaparow und Tokajew betonte der kasachische Präsident die „große Bedeutung“ des Besuchs. Dieser sei ein Zeichen des Respekts gegenüber dem Nachbarn. Kirgisistan sei für Kasachstan nicht nur Verbündeter, sondern auch ein Brudervolk, so Tokajew weiter. In das gleiche Horn stieß auch Schaparow, indem er aus einem Werk des kasachischen Dichters Schuban Moldagaliew zitierte: „Ich bin Kasache, aber die Kirgisen sind mir verwandt. Und das Schicksal hat uns zusammengeschweißt.“
Im Anschluss an die Verhandlungen im erweiterten Format gaben Tokajew und Schaparow eine gemeinsame Erklärung ab. Darin betonten sie die Rolle Nasarbajews als Erster Präsident Kasachstans, die „positive Dynamik“ der gemeinsamen Beziehungen sowie das Festhalten an ihrer strategischen Partnerschaft und an früher getroffenen Vereinbarungen.
Mehr Koordination in der EAWU, mehr Handel, mehr Bildungsaustausch
Außerdem enthielt die Erklärung konkrete Ergebnisse der bilateralen Verhandlungen. So solle der Fokus der gemeinsamen Beziehungen auf einer vertieften Zusammenarbeit im Bereich Handel und Wirtschaft liegen. In dem Zusammenhang wollen beide Seiten bessere Bedingungen schaffen, um mehr Investitionen im jeweiligen Nachbarland zu ermöglichen. Zudem verschrieben sie sich einer stärkeren Koordination im Rahmen der Eurasischen Wirtschaftsunion (EAWU), um gegen Handelsbeschränkungen und andere Barrieren vorzugehen.
Im Interesse einer verstärkten Zusammenarbeit der fünf zentralasiatischen Länder soll es darüber hinaus in diesem Jahr ein Konsultationstreffen in Bischkek geben, bei dem es um ein koordiniertes Vorgehen zur Bekämpfung der Corona-Pandemie geht. Nicht zuletzt wollen Kasachstan und Kirgisistan nach den Worten Tokajews und Schaparows auch den Austausch im Kultur- und Bildungsaustausch vertiefen. Um die gemeinsamen Pläne mit Leben zu füllen, unterzeichneten beide Seiten eine Reihe von Dokumenten, darunter Abkommen über gegenseitige Militärhilfe und über die Entwicklung nationaler Sportarten und Spiele.
Schaparow verspricht bessere Investitionsbedingungen
Im Zuge des Treffens mit Nasarbajew besuchte Schaparow auch das Museum, das dem Ersten Präsidenten Kasachstans gewidmet ist. Zudem legte er im Beisein des Kommandeurs der Republikanischen Garde in Nur-Sultan einen Kranz am Denkmal für die Verteidiger des Vaterlandes ab.
Schaparow blieb auch am Mittwoch in der kasachischen Hauptstadt. Er traf sich dort mit Vertretern der kasachischen Wirtschaft und rief diese auf, in Kirgisistan zu investieren. Obwohl die beiden Nachbarländer strategische Partner und in der EAWU miteinander verbunden seien, schöpften sie ihr gemeinsames wirtschafts- und handelspolitisches Potential noch nicht aus, so Schaparow.
Kirgisistan für seinen Teil strebe daher nach einer Verbesserung der Investitions- und Handelspolitik und arbeite daran, den Zugang zu seinen Märkten zu verbessern. „Wir legen einen besonderen Fokus darauf, die Sicherheit von Investitionsobjekten und dem Eigentum von Investoren zu gewährleisten, Barrieren zu beseitigen und Anforderungen zu vereinfachen“, erklärte Schaparow vor den Geschäftsleuten.
Treffen mit Putin vor allem ein Austausch von Freundlichkeiten
Bereits in der vergangenen Woche hatte sich Schaparow in Moskau mit seinem russischen Amtskollegen Wladimir Putin getroffen. Das Treffen brachte viele freundliche Worte, aber wenige konkrete Ergebnisse. Der kirgisische Präsident würdigte das hohe Niveau der bilateralen Beziehungen. Sein erster Auslandsbesuch als Präsident bestätige dies. Weiter beteuerte er, dass die außenpolitischen Prioritäten seines Landes in einer Vertiefung der eurasischen Integration im Rahmen von EAWU, GUS, OVKS und SOZ bestünden.
Putin bezeichnete seinerseits die russisch-kirgisischen Beziehungen als privilegiert und äußerte sich erfreut darüber, dass Russland für Kirgisistan der wichtigste Handelspartner sei. Zugleich mahnte er aber auch eine Stabilisierung in der Republik an: „Wir hoffen sehr, dass es ihnen gelingt, die innenpolitische Situation zu normalisieren“, so Putin. Einige Beobachter werteten dies als nachträgliche Kritik an den Umständen, die Schaparow an die Macht gebracht hatten. Der russische Präsident hatte bereits die Parlamentswahlen und den darauffolgenden Aufstand in Kirgisistan im Oktober 2020 als „Elend des kirgisischen Volkes“ bezeichnet, das „wir ohne Mitleid und Besorgnis nicht ansehen können“. Bei dem Treffen mit Schaparow betonte Putin auch, dass es besonders wichtig sei, Russisch als offizielle Sprache in Kirgisistan zu erhalten.
Am 25. Februar dann traf Schaparow den Vorsitzenden der Staatsduma Wjatscheslaw Wolodin und Regierungschef Michail Mischustin. Dabei wurde ein Regierungsabkommen abgeschlossen, dem zufolge Russland der kirgisischen Seite 623 Millionen Rubel (ungefähr 8,4 Millionen US-Dollar) auf nicht rückzahlbarer Basis gewährt, um ein System zur Kennzeichnung von Waren im Rahmen der EAWU zu schaffen. Diese „technische Unterstützung“ wurde bereits im April 2019 von Kirgisistan beantragt. Auf einem Treffen mit Vertretern russischer Großunternehmen stellte Schaparow wie auch in Kasachstan günstigere Voraussetzungen für internationale Investoren in Aussicht.
Kirgisistan wirtschaftlich von Russland abhängig
Dass die Russische Föderation der wichtigste Handels- und Wirtschaftspartner der Kirgisischen Republik ist, belegen die Zahlen: Im Jahr 2020 betrug der Außen-handelsumsatz vorläufig 1,5 Milliarden US-Dollar, 1,3 Milliarden davon waren Exporte aus Russland. Russland ist auch das wichtigste Zielland für Arbeitsmigration aus Kirgisistan. Rund 800.000 kirgisische Staatsbürger leben und arbeiten dort. Darüber hinaus hängt Kirgisistan stark von der finanziellen Unterstützung Russlands ab. Zum Jahresbeginn stellte Russland dem Land 20 Millionen US-Dollar zum Stopfen von Haushaltslöchern zur Verfügung. Insgesamt hat Russland Kirgisistan in den letzten 15 Jahren 700 Millionen US-Dollar Schulden erlassen.
Ein Besuch im ebenfalls benachbarten Usbekistan ist dem Vernehmen nach für Ende März geplant. Zudem hatte Schaparow vor der Reise nach Russland mit Chinas Staatschef Xi Jinping telefoniert. Der Präsident der Volksrepublik lud seinen Amtskollegen nach China ein.