In der letzten Zeit gab es eine positive Entwicklung in der russlanddeutschen Filmlandschaft. Immer mehr Filme werden produziert und der breiten Öffentlichkeit zugängig gemacht. Ob als Protagonisten des Films, als Besetzung von Haupt- und Nebenrollen, als Regisseure und Produzenten: Nach und nach erobern die Russlanddeutschen immer mehr die Filmlandschaft. Wir möchten einige davon in der Reihe „Was gibt‘s zu sehen?“ vorstellen.

Russlanddeutsche als Hauptprotagonisten im Film, ein Film für Russlanddeutsche oder ein Film von Russlanddeutschen über Russlanddeutsche: Wer gezielter nachforscht, stellt ziemlich schnell fest, dass es eine Reihe von Produktionen gibt, die über die Geschichte, Umsiedlung in die Bundesrepublik Deutschland und den Integrationsprozess der Russlanddeutschen erzählen. In diesen Filmen wird meistens die Frage nach der Identität und der Heimat aufgeworfen und das Leben der Deutschen aus Russland (oder auch anderen ehemaligen Staaten der Sowjetunion) zwischen zwei oder gar mehreren Ländern, Sprachen und Kulturen beleuchtet. Die Sicht- und Herangehensweisen sind mal kritisch, mal humorvoll, mal sachlich, aber diese Filme sind immer mit Emotionen verbunden – ob beim Darsteller, Regisseur oder Zuschauer.

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Integration als Thema

Bei den oben genannten Produktionen handelt es sich meistens um Dokumentar- oder Kurzfilme. Nicht zuletzt gibt es Formate, die sich mit aktuellen Themen befassen und bestimmte Sachverhalte erläutern, wie etwa Beiträge für Fernsehsendungen oder Internetkanäle. Renommierte Sender wie ARTE, ZDF, ARD, PHÖNIX oder WDR können eine Reihe von Produktionen vorweisen, in denen Russlanddeutsche als zentrales Thema, als Protagonisten, als Schauspieler, als Produzenten oder Assistenten auftreten. Neben Dokumentarfilmen und Kurzfilmproduktionen gibt es auch Spielfilme, die von Russlanddeutschen gemacht sind und die russlanddeutsche Thematik aufgreifen. Einer der bekanntesten ist wohl der Film von Anna Hoffmann „POKA heißt Tschüss auf Russisch“, über den bereits mehrmals berichtet worden ist.

In dem Film von Hermann Peseckas und Jurij Diez „In meinen Adern fließt kasachischer Tee“ wird über einen Zeitraum von fünf Jahren das Leben einer achtköpfigen Aussiedlerfamilie in Freilassing/Oberbayern dokumentiert. Zuvor lebten die Protagonisten des Films in Kasachstan, wohin im Jahr 1941 die Großeltern von der Wolga deportiert worden waren. Im Jahr 1985 zieht die Familie Diez in das Gebiet Wolgograd und wandert schließlich 2002 nach Deutschland aus. Wovon die Mitglieder der Familie Diez träumten, welche Wünsche und Pläne sie hatten, welche Rückschläge und Niederlagen sie verkraften mussten und woher sie neue Kraft schöpfen konnten: All das wird im Film „In meinen Adern fließ kasachischer Tee“ einfühlsam und eindrucksvoll vermittelt.

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„Der weite Weg zurück“

Der kasachstandeutsche Regisseur verfolgte die Spuren des Deutschen Theaters in Kasachstan.
Der kasachstandeutsche Regisseur verfolgte die Spuren des Deutschen Theaters in Kasachstan.

Der Regisseur Alexej Getmann kommt ebenfalls aus Kasachstan, aus Temirtau, wo einst das Deutsche Theater angesiedelt war. Seit 1992 lebt er in Deutschland, ist Journalist und Filmemacher. Alexej Getmann drehte den Film „Der weite Weg zurück“ und begleitete dabei das Schauspieler-Ehepaar Maria und Peter Warkentin vom Russlanddeutschen Theater Niederstetten auf ihrer emotionalen Reise durch die Orte der Vergangenheit. Gedreht wurde nicht nur in Deutschland, sondern auch in einigen Städten Kasachstans: in Temirtau, Karaganda und Almaty.

„Die Reise nach Kasachstan war sehr emotional, auch für mich“, erzählt Getmann. „Für Peter und Maria war es einerseits eine große Freude, wieder an die Orte zurückzukehren, mit denen sie so viele Erinnerungen verbinden, und Menschen zu treffen, die sie schon lange nicht mehr gesehen hatten. Andererseits war es nicht immer leicht für sie. Als wir in Almaty vor dem ehemaligen Gebäude des Theaters standen, war es für sie sehr schmerzhaft zu sehen, in welchem Zustand das ist. Dort waren teilweise noch alte Requisiten des Theaters.“ Die Reise durch Temirtau sei am emotionalsten gewesen, so der Regisseur. Da seien viele Gefühle hochgekommen. In der Stadt hat sich vieles verändert, doch leider nicht alles ins Positive. „Da bekommt man schon Wehmut, wenn man dort ist“, so der Regisseur.

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Fluchtgeschichte aufarbeiten

Ein weiterer Film, der bereits in einigen deutschen Städten präsentiert wurde, kommt nicht etwa aus Deutschland oder einem der ehemaligen Länder der Sowjetunion, sondern aus Übersee. „Warten auf Waldemar“ (Originaltitel engl. „Waiting for Waldemar“) ist ein dokumentarischer Film des kanadischen Regisseurs Eric B. Spoeth, dessen Vorfahren Schwarzmeerdeutsche waren. Seine Mutter Erika wurde in der deutschen Kolonie Billersfeld in der Ukraine geboren. Als sie noch ein Baby war, musste die Familie über Polen und Tschechien nach Deutschland fliehen. Auf der Flucht ist Vater Waldemar verschollen. Neben historischen Szenen wird die Handlung durch die Erinnerungen von Erika und ihrem Bruder Wiegand ergänzt. Emotional tragen sie die einzelnen Puzzleteile aus ihrer Kindheit mit den Erzählungen von ihren Vater zusammen, die sie von der Mutter und den beiden älteren Schwestern vermittelt bekommen haben.

„Warten auf Waldemar“ ist ein eindrucksvoller Film, der die ganze Tragik der damaligen Zeit und der Fluchterlebnisse der Menschen eindrucksvoll und unverblümt schildert. Vor dem Hintergrund der historischen Ereignisse spielt sich ein Familiendrama ab, das stellvertretend für Millionen deutscher Flüchtlinge aus dem Osten steht. Ein besonderes Erlebnis ist der Einsatz mehrerer Sprachen im Film, sowie vieler kultureller und alltäglicher Elemente aus dem Leben der Deutschen, die damals im Osten gelebt haben.

Der Regisseur umreißt gekonnt mehrere Kapitel der Fluchtgeschichte der Deutschen aus dem Osten und verarbeitet die Erlebnisse seiner Mutter und ihrer Familie mit viel Herz und Emotionen. Ein Film, der niemanden kalt lassen kann und der einen wertvollen Beitrag leistet – sowohl in die Aufarbeitung und Bewahrung der Geschichte der Schwarzmeerdeutschen, als auch in die Aufrechterhaltung der Erinnerung an diese schwere Zeiten und den Schrecken des Zweiten Weltkrieges, der so viele Menschen und Völker ins Unglück stürzte, millionenfach Schicksale und Leben zerstört hat und bis heute in den nachkommenden Generationen noch schmerzvoll nachhallt.

Katharina Martin-Virolainen, VadW

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