In Russland ist der Tag des Verteidigers ein Tag des Mannes. Er wird in besonders archaischer Art und Weise begangen, mit Militärparaden und Säbelrasseln. Auch in anderen europäischen Ländern wird dieser Tag in abgewandelter Form gefeiert. Vergleichbar in Deutschland sind Vatertag und Muttertag – Relikte, die letztlich nur auf Geschlechterklischees beruhen. Da ist die Frage erlaubt: sind Feiertage wie der Tag des Verteidigers noch angemessen?

Am 23. Februar war es wieder an der Zeit. Russland feierte den Tag des Verteidigers. Inoffiziell ist dies der Tag des Mannes. Der Mann als Krieger. Als Held. Der Tag des Verteidigers ist in Russland und in Teilen der ehemaligen Sowjetunion ein gesetzlicher Feiertag. Als Anlass zu diesem Tag nahm man den Widerstand der Roten Garde gegen die nahenden deutschen Streitkräfte.

„Wieder en vogue“

Lenin rief damals zur Nivellierung und Formierung der Roten Armee auf. In der vorrevolutionären Zeit hatte jede Region in Russland ihr eigenes Fest, Trotzki war es schließlich, der dieses Fest vereinheitlichte und im Jahre 1923 den Erlass unterschrieb, in dem man den 23. Februar zum Jahrestag der „Roten Arbeiter und Bauernarmee“ erkor. Nachdem der Tag über die Jahre zunehmend an Bedeutung verlor, ist er seit einiger Zeit wieder en vogue.

Vor allem junge russische Männer feiern diesen Tag, um ihre Zugehörigkeit und ihre Sympathie mit dem russischen Militär zu bekunden. Üblicherweise erhalten Männer an diesem Tage kleine Geschenke oder Postkarten von ihren weiblichen Angehörigen. Schon im Schulalter wird die nachwachsende Generation auf diesen Tag geeicht, indem junge männliche Schüler kleine Gaben von ihren Klassenkameradinnen erhalten.

Geschlechterrollen

Mittlerweile machen sich vermehrt kritische Stimmen breit. Vielen erscheint der Tag nicht mehr zeitgemäß. Dies hat unter anderem damit zu tun, dass Militarismus in Russland keine allein männliche Domäne mehr ist. Mittlerweile sind rund 60.000 Soldatinnen beim russischen Militär gemeldet. 700 von Ihnen wurden bereits im Krieg eingesetzt.

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Doch dies ist nur eine Argumentationslinie. Schließlich gibt es auch die Stimmen, die diesen Tag per se ablehnen. Auch wenn in Russland grundsätzlich konservativere Kräfte wirken und die Emanzipationsentwicklung weniger weit fortgeschritten ist als in anderen westlichen Gesellschaftsformen, so werden vor allem von außen kritische Stimmen lauter dahingehend, ob diesem Tag in einer modernen und pluralistischen Gesellschaft solch eine Relevanz eingeräumt werden sollte. Schließlich wird hier ein antiquiertes Männerbild hochgehalten.
Ähnlich ist es beim Frauentag in Russland, der traditionell am 8. März gefeiert wird. Hier geht es nicht um den Abbau von Emanzipationsbarrieren, sondern in vielerlei Hinsicht darum, alte Rollenklischees zu bedienen. Zwar werden die Frauen an diesem Tag beschenkt, allerdings auch dafür geehrt, eine gute Hausfrau und Mutter zu sein. So erhalten die Frauen an diesem Tag eher traditionelle Aufmerksamkeiten wie Schmuck oder Beauty-Artikel.

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Dennoch sollte man nicht mit aufgeklärter Arroganz über dieses Fest urteilen. Schließlich ist man in Deutschland beispielsweise in vielerlei Hinsicht auch nicht weiter. Der Vatertag mag ein volkstümlicher Brauch sein (dessen Tradition auf das 19. Jahrhundert zurückreicht), doch auch bei diesem „Männertag“, geht es letztlich nur um gesellschaftlichen Eskapismus, sei es sich zu betrinken, oder einfach wieder „Mann zu sein“ – was auch immer das heißen mag.

Kai Wichelmann

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