Im Gespräch mit Stefan Buchmayer (GIZ)

Anfang Mai lud die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) mit dem Polizeirevier der Stadt Almaty sowie der dortigen Akademie des kasachischen Innenministeriums zu einer Tagung im Zeichen der Extremismusbekämpfung. Unter dem Motto: „Polizei und Jugend: Wir sind zusammen!“ boten die Veranstalterinnen und Veranstalter Jugendlichen zwischen 16 und 20 Jahren zahlreiche Workshops und Vorträge zum Thema Polizeiarbeit und Extremismusprävention an.

Wir haben vor Ort mit Stefan Buchmayer, dem Leiter des zuständigen Regionalprogramms der GIZ (gefördert aus Mitteln des Auswärtigen Amtes), gesprochen. Dabei ging es unter anderem um die aktuelle Lage der inneren Sicherheit Kasachstans und Präventionsmaßnahmen gegen Extremismus.

Herr Buchmayer, bei der Tagung steht die Extremismusbekämpfung im Zentrum: Was sind in Kasachstan in diesem Kontext derzeit die größten Herausforderungen?

Grundsätzlich sehe ich für die gesamte Region, also auch Kasachstan, zwei große Herausforderungen. Die eine ist eher intern, die andere ist extern. Die interne hat mit dem Verhältnis von Staat und Gesellschaft zu tun. Das ist überall eine Herausforderung – nicht nur in Zentralasien, sondern auch in Europa. Durch sehr schnelle Verfügbarkeit von globalisierter Information ist es heutzutage viel schwieriger, besonders der Jugend Orientierung zu vermitteln. Es geht nicht darum, sie in eine Richtung zu lenken, sondern den jungen Menschen Unterstützung zu geben, damit sie sich positiv in der Gesellschaft positionieren können.

Stefan Buchmayer (links) im Gespräch mit einem Teilnehmer des Forums

Es geht darum, den Gesellschaftsvertrag zu verstärken. Den Gesellschaftsvertrag zwischen Staat und Bürger, mit einem besonderen Fokus auf Jugend. Ich denke, dass es in Kasachstan dafür sehr gute Voraussetzungen gibt. Die Gesellschaft ist relativ offen, die Gesellschaft ist sehr divers.

Der zweite, externe Faktor kommt von internationalen Terrorismusgruppen. Ich denke hier vor allem an den Islamischen Staat in der Provinz Khorasan, der in letzter Zeit immer mehr von sich reden macht, auch in Europa. Und der in den Ländern Zentralasiens aktiv zu rekrutieren versucht, auch wenn Kasachstan nicht am stärksten davon betroffen ist. Aber das ist eine Herausforderung für die ganze Region. Es ist auch nicht die einzige Gruppe, aber es ist momentan eine der aktivsten.

Welche Präventionsmaßnahmen werden ergriffen, um Extremismus einzudämmen? Und welche Rolle spielt Deutschland dabei?

Auch da kann man wieder zwei Stränge hervorheben. So gibt es die allgemeine Prävention. Die heutige Veranstaltung fällt beispielsweise darunter. Arbeit mit der Jugend, wobei es darum geht, alternative Narrative zu erzeugen, alternative Leitbilder zu geben. Gerade sitzen zum Beispiel Sportler, Künstler und Vertreter der Jugendkultur im Podium, die dabei unterstützen. Wir arbeiten auch gerne mit staatlichen Stellen zusammen, um zu versuchen, positives Potenzial in der Jugend zu stärken. Denn die Jugend hat jede Menge davon. Und um das zu stärken und zu fördern – daran arbeitet das Projekt.

Es gibt dann auch eine Projektschiene, die stärker auf unseren politischen Partner, das Innenministerium der Republik Kasachstan, abzielt. Da geht es darum, etwa den Zusammenhang mit internationaler Praxis und Forschung in diesem Bereich zu zeigen. Das Zusammenspiel, das zum Beispiel in der Bundesrepublik Deutschland gut funktioniert: zwischen Sicherheits- und anderen staatlichen Behörden in der Prävention, mit zivilgesellschaftlichen Organisationen und mit Forschungseinrichtungen und Forschungsinstitutionen.

Ich würde es fast den Dreiklang der Extremismusprävention nennen. Dieses Modell stellen wir immer wieder im Projekt vor, und das wird auch sehr gut angenommen von unseren Partnern in Kasachstan.

Welche Kompetenzen braucht die Jugend, um gegen extremistisches Gedankengut immun zu werden, bzw. kann man überhaupt immun sein?

Ob es eine hundertprozentige Immunisierung gegen Extremismus gibt, das wage ich zu bezweifeln. Aber man kann natürlich die Resilienz stärken. Resilienz sind die Faktoren, die den Menschen helfen, mit Herausforderungen zurechtzukommen. Wir werden nie ein völlig sicheres Leben ohne Herausforderungen haben. Deshalb müssen wir – und besonders die Jugend – auch darauf eingestellt sein, mit Situationen zurechtzukommen, die als Bedrohungen empfunden werden. Bedrohungen, die Jugendliche auch auf individueller Ebene empfinden; auf privater Ebene, auf emotionaler Ebene, auf die eigenen Perspektiven bezogen.

Man muss da ansetzen, der Jugend Perspektiven vermitteln. Denn die schlimmste Situation, die man absolut vermeiden muss, ist Perspektivlosigkeit. Daher muss man Jugendliche auch in ihrer Eigenverantwortung stärken. Es geht darum, das Vertrauen in sich selbst und seine Fähigkeiten aufzubauen. Das ist ganz wichtig.

Was kann Kasachstan von Deutschland im Kontext der Extremismusbekämpfung lernen?

Das ist eine sehr schwierige Frage, weil wir alle mit diesem Phänomen konfrontiert sind. Deutschland, Kasachstan und viele andere Länder. Kein Land kann für sich behaupten, dass es DIE eine Lösung gefunden hat. Es geht dabei immer auch um soziale Fragen, Jugendfragen, Bildungsfragen, Integrationsfragen, Fragen nach der Stellung der Frau in der Gesellschaft, um einige zu nennen. Man spricht oft von einem gesamtgesellschaftlichen Präventionsansatz. Das will heißen, dass der Staat allein das nicht schafft. Man muss der Zivilgesellschaft also Raum lassen und auch Expertinnen und Experten aus Forschung und Wissenschaft gebührenden Raum geben.

Es ist eine Art Dreiklang – und der funktioniert in Deutschland gut. Da gibt es sehr viel, was gemacht wird. Es gibt beispielsweise den Deutschen Präventionstag, bei dem sehr viele Akteure und Elemente zusammenkommen, um unter anderem über Themen wie Extremismus- und Gewaltprävention zu diskutieren. Es gibt Initiativen auf dem Niveau der Gemeinden, der Länder und der Bundesebene. Das liegt in Deutschland auch an der föderalen Struktur des Staates, aber es ist etwas, was man auch in einem nicht föderalen Staat durchaus angepasst replizieren kann.

Konnten Sie innerhalb Ihres Projekts bereits Erfolge beobachten?

Absolut, ja. Das sieht man schon allein an dieser Veranstaltung, die nur eine innerhalb einer ganzen Reihe von Veranstaltungen ist und in Zusammenarbeit mit der Almatiner Polizeiakademie entstanden ist. Man merkt auf jeden Fall, dass Kasachstan diesen Weg beschritten und sich in der Prävention breiter aufgestellt hat. Es wird stark auf Jugendfragen geachtet und die Jugend sensibilisiert.

Ein anderes gutes Beispiel aus dem letzten Jahr ist die Aufarbeitung eines Studienaufenthalts in Deutschland durch eine Vertreterin der Sicherheitskräfte, in dem Fall der Justizbehörden. Eine solche Art von Wissensaustausch ist eigentlich ein Idealfall: dass man nicht nur zuhört, sondern sich dem Ganzen wirklich aktiv annimmt, noch einmal reflektiert und an seinen eigenen Kontext angepasst. Und das wird auch schon gemacht. Ich glaube, das ist ein sehr gutes Zeichen für die Zusammenarbeit.

Welche Botschaft haben Sie für junge Menschen, die mit dem Gedanken spielen, sich gegen Extremismus einzusetzen oder sogar daran interessiert sind, der Polizei beizutreten?

Ich würde ihnen sagen – aber das ist allgemein sehr wichtig, speziell in den heutigen Zeiten: Nehmt Euch Zeit, zuzuhören, um die Gesellschaft, für deren Sicherheit Ihr arbeitet, gut zu verstehen. Und zwar einem breiten Spektrum an Stimmen. Da sind wir auch wieder bei dem Gesellschaftsvertrag. Sicherheitskräfte sind ja auch Teil dieser Gesellschaft und müssen diese demnach sehr gut verstehen. Um das zu können, muss man sich vor allem umhören. Und das ist vielleicht nicht immer leicht, besonders für einen jungen Polizisten oder eine junge Polizistin.

Man hört ja schon während seiner Ausbildung so viel. Da kann man dann auch leicht denken, dass man sehr viel weiß und sehr viel kann. Und das kann man nach der Ausbildung auch. Aber das Hineinhören in die Gesellschaft, in all die Stimmen der Gesellschaft, beginnt eigentlich erst nach der Akademie so richtig. Und das würde ich jungen Menschen, die über eine Zukunft bei der Polizei nachdenken, sehr ans Herz legen: Hört hin!

Vielen Dank für das Gespräch.

Interview: Hauke Schenck

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