Unter der Leitung des Staatssekretärs Franz Josef Pschierer besuchten Politiker und Unternehmer im Rahmen einer Delegationsreise des Bayerischen Staatsministeriums für Wirtschaft und Medien die Hauptstadt Astana und Almaty.

Man sucht nach neuen Zielrichtungen – Bayerische Wirtschaftspolitik sieht sich als Vorreiter und schaut sich nach neuen Märkten um. Deshalb besuchten im März Unternehmer und Politiker aus Bayern die kasachische Hauptstadt und auch die südliche Metropole. In Astana kam man insbesondere mit dem Ministerium für Investitionen und Entwicklung und dem Wirtschaftsministerium ins Gespräch, besichtigte unter anderem auch das EXPO-Gelände, führte Gespräche mit den EXPO-Verantwortlichen und vielen anderen Wirtschaftsvertretern und -verbänden. Auch in Almaty traf man sich auf politischer und unternehmerischer Ebene und hatte zusätzlich noch Austausch mit der deutschen Minderheit.

Im Großen und Ganzen ging es um Kooperationsgespräche, Erfahrungsaustausch – ein Vorfühlen seitens Bayerns und seiner Wirtschaftsvertreter und politischer Instanzen. Die Unternehmer kamen aus den Bereichen Gesundheits-, Maschinenbau-, Elektrotechnik-, Metallverarbeitungs– und Bauindustrie.

Über den Vertrieb hinauskommen?

Der bayerische Staatssekretär Franz Josef Pschierer und der Akim von Almaty Baibek Bauirschan. | © Akimat Almaty

In vielen Kooperationsgesprächen lotete man die Möglichkeiten von Zusammenarbeit aus, sprach über Chancen und Risiken. Auch im Deutschen Haus gab es nach der Vorstellung der hiesigen Arbeitsstrukturen eine rege Diskussion zu dieser Thematik. Es sind interessante Faktoren, die die Delegation als lukrativ betrachtet, um Unternehmen dazu zu bewegen, nicht nur Vertriebsniederlassungen zu gründen, sondern Kasachstan als möglichen Produktionsstandort zu betrachten: die geopolitische Brückenkopflage, die politische Stabilität, der Stand der Rechtssicherheit, und vor allem die niedrigen Energiekosten, die von ausschlaggebendem Interesse sind.

Was gegen Investitionsaussichten spricht, sind Erfahrungswerte anderer deutscher Unternehmen vor Ort, Größen wie Fachkräftemangel, mäßige Rechtssicherheit und Schwäche vieler anderer staatlicher Strukturen. „In vielen Bereichen muss von kasachischer Seite noch geliefert werden“, fasst Generalkonsulin der BRD, Frau Dr. Schimkoreit die Erwartungen vieler deutscher in Kasachstan tätiger Unternehmer, zusammen.

Die Delegation zeigte auch ein ausgeprägtes Interesse an der Arbeit der Deutschen Minderheit, dem Image der Deutschen im Lande und dem Stand der Deutschen Sprache in Kasachstan. Für mögliche Markteintritte seitens Deutschlands sei die deutsche Minderheit in Kasachstan von großer Bedeutung, so Pschierer. Seiner Meinung nach profitiert in so einem Fall auch die DMi: „Die deutsche Minderheit in Kasachstan hat viele Chancen bei erfolgreichen Kooperationsprozessen. Denn je mehr Wirtschaftsbeziehungen es gibt und je mehr deutsche Firmen sich in Kasachstan ansiedeln – nicht nur mit Vertrieb, sondern auch mit Produktion – desto mehr werden auch deutsches Kulturgut, deutsche Geschichte und Sprache im Land gepflegt“.  Auf dem Programm der politischen Delegation aus Bayern stand in Almaty neben einem Rundtischgespräch mit dem Akimat und dem Konsulat, einem Besuch der Deutsch-Kasachischen Universität auch der Besuch des Deutschen Hauses in Almaty. Bei dieser Gelegenheit sprach der Staatssekretär Franz Josef Pschierer, ein gebürtiger Schwabe, auch mit der DAZ.

Sie kommen gerade mit ihrer Delegation aus Astana. Wie verliefen bisher die Kooperationsgespräche, und haben sich Ihre Erwartungen erfüllt?

Es ist eine Delegation, die aus Politiken und Unternehmern des Freistaates Bayern besteht. Sie vertreten insbesondere die Bereiche der Bauwirtschaft, der Gesundheitswirtschaft, des Maschinenbaus, der Elektrotechnik und der Metallverarbeitung. Die Gespräche waren für uns sehr spannend. In Astana hatten wir auch sehr erfolgreichen Austausch mit Politikern, was das Wirtschafts– und das Gesundheitsministerium angeht. Und wir werden sicher versuchen, insbesondere im Zuge der Vorbereitung der EXPO 2017, solche Gespräche zu intensivieren.

Es steht auch ein Kooperationsgespräch mit Baibek Bauirschan, Akim von Almaty, an…

Der Akim ist für uns ein sehr wichtiger Ansprechpartner, denn hier wird viel in die Infrastruktur und in den Ausbau investiert. Ich stelle fest, dass Kasachstan in vielen Bereichen sehr hoch entwickelt ist, insbesondere was den Einsatz moderner Technologien angeht, z.B. E-Government, was hier schon längst in die Gesellschaft eingeführt ist. Es gibt einen Bedarf an Infrastruktur-Ausbau. Kasachstan ist ein sehr ernstzunehmender Standort. Das gilt für Astana, für Almaty und für andere Regionen. Was den Logistik-Bereich angeht, liegt Kasachstan in einer geostrategisch interessanten Lage zwischen zwei sehr großen Staaten – Russland und China. Das bietet auch Brücken-Chancen. Und insofern werden wir alles tun, um bayerische Unternehmer dafür begeistern, sich in Kasachstan zu engagieren.

Stichwort Expo 2017: Wie wird Bayern auf dieser Ausstellung präsentiert?

Die Expo 2017 hat ein top aktuelles Thema: „Energie der Zukunft”. Es spielt auch in Bayern eine sehr große Rolle. Die BRD steigt aus der Kernenergie aus. Das heißt, wir müssen die komplette Energieversorgung Deutschlands umstellen. Das bedeutet auch für Bayern den Ausbau von erneuerbaren Energien, Photovoltaik, Wind– und Wasserkraft sowie Biogasanlagen. Das wären besonders viele Investitionen zur Erhöhung der Energieeffizienz. Auch für Kasachstan ist so etwas dringend erforderlich. Energieeffizienz bedeutet: Produkte mit möglichst wenig Energieaufwand zu erzeugen oder auch Privathaushalte dazu anzuleiten, mit weniger Energie auszukommen. Für bayrische Firmen ist das ein sehr interessantes Thema. Und möglicherweise bin auch ich bei der Expo 2017 mit einer Delegation wieder in Kasachstan.

In Kasachstan stehen weitere gesellschaftliche und wirtschaftliche Reformen an. Es gibt das große Antikrisenprogramm “Nurly Zhol”. Auch in Deutschland und in der EU gibt es ähnliche Programme. Wo können hier gemeinsame Projekte entstehen?

In ihrem Programm „Horizont 2020“ tut die Europäische Union auch sehr viel, um die Unternehmen und die Forschungslandschaft fit zu machen für die Zukunft, und hier gibt es sicherlich gute Möglichkeiten für Zusammenarbeit. Das Thema Energie ist eins der wichtigsten in der Zukunft. Es gibt einen Schwerpunkt, den ich erst heute an der DKU in Almaty kennengelernt habe – Wassermanagement (Intelligente Nutzung von Wasser und Ressourcen). Das Wasser ist gerade in Zentralasien eine knappe und wertvolle Ressource, und hier müssen wir uns Gedanken darüber machen, wie wir diese Probleme gemeinsam lösen können. Ein dritter Punkt ist die Digitalisierung. In Deutschland und vor allem in Bayern geben wir sehr viel Geld für die Digitalisierung der Gesellschaft aus. Das sind Vorhaben wie Industrie 4.0 (weg von der Kommunikation zwischen Mensch und Maschine, hin zur Kommunikation von Maschine zu Maschine), IT-Sicherheit, E-Health (digitale Gesundheitsdaten), Energie digital u.a. Hier gibt es viele Berührungspunkte, und wir freuen uns über Delegationen und Unternehmensvertreter aus Kasachstan in Bayern.

In Astana findet alljährlich ein Wirtschaftsforum statt, sehen Sie da ein Interesse für sich?

Ein Wirtschaftsforum ist immer gut, um Chancen kennenzulernen, die ein Land bietet. Wir sehen die Zukunft der Chancen in der Nähe Kasachstans zu anderen Märkten, in der Mitgliedschaft Kasachstans in der Welthandelsorganisation (WTO), in der Zollfreiheit und dem Freihandel innerhalb der Eurasischen Wirtschaftsunion.

Warum ist Kasachstan jetzt so interessant für Bayern geworden? Wegen der nahenden EXPO?

Nein, es hat einen anderen Hintergrund. Die bayrische Wirtschaftspolitik versucht immer frühzeitig neue Märkte zu erkennen. Diese Reise hinterlässt bei mir den Eindruck, dass wir hier handeln sollten. Die klassischen Regionen, die wir früher im Fokus hatten, bergen so ihre Schwierigkeiten in sich, der südamerikanische Bereich ist nicht ganz einfach, insbesondere Brasilien, China ist in Vielem etwas überhitzt, Russland leidet unter dem Embargo, und in Indien findet man nur eine mangelhafte Infrastruktur vor. In Kasachstan hat man im Vergleich zu anderen Ländern eine ausgebaute Infrastruktur, es ist einfach erreichbar und birgt zahlreiche andere Vorteile in sich.

2016 ist eine große Herausforderung für Deutschland. Sie haben den OSZE-Vorsitz. Was stellen dabei Zentralasien und Kasachstan dar?

Zentralasien ist in Deutschland sicherlich noch nicht so stark im Fokus, wie es sein sollte. Es wird vor allem in die klassischen Handelsländer geblickt wie Brasilien, Russland, Indien und China. Dabei läuft man Gefahr, wichtige Regionen zu vernachlässigen. Zentralasien ist als Brückenkopf eine sehr wichtige Region. Kasachstan als Partner ist ganz besonders wichtig, weil es hier eine andere Stabilität gibt; die Kaufkraft und das Einkommen sind vergleichsweise höher; insgesamt sieht man hier mit die besten Chancen in Zentralasien.

Russlanddeutsche in Bayern – wie machen sie sich als Unternehmer bemerkbar?

Hier ist die Integration, meiner Meinung nach sehr fortgeschritten, und man merkt eigentlich kaum mehr Unterschiede. Diese Menschen haben sich, wie man sagt, assimiliert. Aus meiner Erfahrung kann ich sagen, dass es sich bei den unternehmerischen Tätigkeiten meist um kleine und mittlere Betriebe handelt. Das sind sicherlich weniger die großen Kapitalgesellschaften als klassische familiengeführte Betriebe.

Haben Sie bereits Erfahrungen der Zusammenarbeit mit der deutschen Minderheit Kasachstans und welche Potenziale sehen Sie bei den Kasachstandeutschen?

Ich hatte bislang noch keine solchen persönlichen Begegnungen wie momentan hier vor Ort. Ich weiß, dass es diese Minderheit gibt, weil ich die deutsche Geschichte in den letzten 20-30 Jahren selber mitverfolgen konnte und seit 20 Jahren selber in der Politik bin. Ich habe die Auswanderungswelle der 90er Jahre natürlich auch mitbekommen, weil sich auch in Bayern viele Kasachstandeutsche angesiedelt haben. Aber ich erlebe es persönlich zum ersten Mal hier vor Ort.
Bayrische Unternehmen sollten die Chancen nutzen, dass sich hier vor Ort eine deutschsprachige Minderheit befindet, die den Markteintritt erleichtert; es gibt nicht diese Barrieren, die man sonst häufig hat. Eine Minderheit, die Deutsch und deutsche Kultur versteht und deutsches Brauchtum kennt. Und wir werden nach dieser Reise in einer Rückbetrachtung auch darüber diskutieren, wie wir unsere Unternehmer noch mehr darauf aufmerksam machen können was für Vorteile Sie hier haben.

Vielen Dank für das Gespräch!

Das Interview führten Julia Boxler und Olessja Klimenko

Die Delegation aus Bayern beim Rundtischgespräch im Akimat Almaty. | © Akimat Almaty
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