Mit einer Exportquote von 52 Prozent im Jahr 2010 gehört Rheinland-Pfalz zu den drei deutschen Bundesländern mit den höchsten Exportanteilen. Diese Position wird ganz wesentlich durch die engen Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern Mittel- und Osteuropas geprägt. Vom 25. bis 30. September 2011 unternimmt das Mittel- und Osteuropazentrum Rheinland-Pfalz GmbH (MOEZ) in Zusammenarbeit mit dem rheinland-pfälzischen Wirtschaftsministerium sowie der Berliner Commit GmbH eine brachenübergreifende Wirtschaftsreise nach Astana und Karaganda. Im Interview mit der DAZ spricht der Geschäftsführer des MOEZ Jörg Rathmann über Potentiale für rheinland-pfälzische Mittelständler in Kasachstan, die Rohstoffpartnerschaft und das Angebot des MOEZ.

/Bild: MOEZ. ‚Jörg Rathmann, Geschäftsführer des Mittel- und Osteuropazentrums Rheinland-Pfalz GmbH (MOEZ).’/

Herr Rathmann, welchen Stellenwert hat für Sie Kasachstan, wie beurteilen Sie vor dem Hintergrund der Wirtschafts- und Finanzkrise sowie des staatlichen kasachischen Wirtschaftsförderungsprogramms 2010 bis 2014 die Situation des Landes und welche Chancen und Potentiale sehen Sie dort für rheinland-pfälzische Mittelständler?

Kasachstans Wirtschaft hat 2010 dank der Trendwende auf den Weltrohstoffmärkten und staatlicher Stabilisierungsmaßnahmen zu einem sichtlichen Wachstum zurückgefunden. Als Motor des Wirtschaftswachstums erwies sich die Industrie mit einem Plus von zehn Prozent wobei weniger die Rohstoffgewinnung, sondern vor allem die Betriebe des verarbeitenden Gewerbes für den Zuwachs sorgten.

Nach der Finanz- und Wirtschaftskrise 2009 wies der Außenhandel bereits im Jahr 2010 wieder eine Steigerung von rund 24 Prozent auf. Hervorzuheben ist zudem, dass die kasachische Volkswirtschaft, als eine der wenigen Volkswirtschaften weltweit, in der Finanz- und Wirtschaftskrise ein Wirtschaftswachstum verzeichnen konnte. Für 2011 wird mit einem Wachstum des Bruttoinlandsprodukt (BIP) von fünf bis sieben Prozent gerechnet.

Wenngleich diese makroökomischen Daten ein positives Bild abgeben, bleibt die Lage auf der mirkoökonomischen Ebene teilweise angespannt. Viele Unternehmen haben weiterhin hohe Verbindlichkeiten, und die Finanzierung von Projekten ist aufgrund der weiterhin angeschlagenen Finanzwirtschaft im Land schwierig.

Dennoch bietet Kasachstan aus unserer Sicht mittel- und langfristig in allen Branchen und Sparten große Chancen für die mittelständischen Unternehmen in Rheinland-Pfalz. Das Land verfügt über immense Rohstoffreserven und einhergehend mit den gestiegenen Rohstoffpreisen auch wieder über die notwendigen Devisen.

Einen zusätzlichen Effekt bieten die vielfältigen Förderinitiativen der kasachischen Regierung, mit deren Hilfe die Rohstofflastigkeit und die Abhängigkeit von den Weltmärkten überwunden werden soll. Große Chancen für die deutschen Unternehmen versprechen wir uns daher vor allem bei der Umsetzung der Programme zur forcierten Industrialisierung des Landes, der zahlreichen Branchenprogramme (beispielsweise in den Sektoren Energiewirtschaft, Kommunalwirtschaft, energieeffiziente Gebäudesanierung, Trinkwasserversorgung, Umweltschutz, Gesundheitswesen und Pharmazie bzw. Maschinenbau).

In all diesen Bereichen können die rheinland-pfälzischen Unternehmen punkten. Zugute kommt ihnen dabei auch das weiterhin sehr gute Image deutscher Technologien und Produkte in Kasachstan.

An wen richten sich die Angebote des MOEZ?

Unser Angebot richtet sicht primär an die mittelständischen Unternehmen in Rheinland-Pfalz, die mit rund 98 Prozent der Arbeitsplätze eine besondere Bedeutung für den Wirtschaftsstandort Rheinland-Pfalz haben, aber in der Regel nicht über eigene Auslandsabteilungen verfügen.

Diese Unternehmen erhalten bei uns fundierte und aktuelle Informationen über die wirtschaftliche und politische Situation auf den Zielmärkten Osteuropas sowie Unterstützung bei der Suche nach weiterführenden Kontakten. Unser Kerngeschäft ist die Organisation von Wirtschaftsdelegationsreisen, Messen und branchenspezifische Symposien. Diese Veranstaltungen bietet das MOEZ als Teil des Außenwirtschaftsprogramms des Landes Rheinland-Pfalz „Wir öffnen Märkte“ an. Sie eignen sich ideal für Unternehmen, die sich kostengünstig und effizient einen ersten Überblick über einen für sie neuen Markt verschaffen wollen.

Dies gilt auch für die bevorstehende Wirtschaftsreise nach Astana und Karaganda. Im Rahmen der Reise werden an beiden Standorten Kooperationsbörsen stattfinden, zu denen wir für die teilnehmenden rheinland-pfälzischen Unternehmen potentielle Kooperationspartner einladen. Weiterhin haben die Unternehmen die Gelegenheit zu direkten Gesprächen mit Vertretern aus Politik und Verwaltung, um weitere Hinweise zur richtigen Herangehensweise bei der Markterschließung zu erlangen.

Im Mai diesen Jahres besuchte der Stellvertretende Premierminister und Minister für Industrie und Neue Technologien Aset Issekeshev die Bundesrepublik. Dabei ging es unter anderem um die Rohstoffpartnerschaft. Wie sehen Sie diese Initiative?

Aus Sicht des MOEZ und der Wirtschaft in Rheinland-Pfalz kann ich diese Initiative natürlich nur begrüßen. Die Verfügbarkeit von Rohstoffen und Halbfertigerzeugnissen ist für eine Technologienation wie Deutschland ohne eigene große Rohstoffreserven von zentraler Bedeutung. Umgekehrt kann die Republik Kasachstan vom Know-how der deutschen Wirtschaft profitieren und Unterstützung bei der Diversifizierung der kasachischen Wirtschaft erhalten. Strategische Partnerschaften und eine verstärkte wirtschaftliche Zusammenarbeit mit Kasachstan bieten aus meiner Sicht daher große Chancen für die deutsche Wirtschaft.
Glücklicherweise kann Deutschland auf eine lange und Intensive Partnerschaft mit der Republik Kasachstan zurückblicken. Bei uns im Hunsrück gibt es beispielsweise eine große Gemeinschaft von Spätaussiedlern aus Kasachstan. Viele von ihnen stammen aus der Region Shambyl. Und nicht wenige haben Kontakt zu Verwandten, Freunden und Bekannten dort gehalten. Diese Beziehungen bieten zusätzliches Potential für den Aufbau von Partnerschaften auf der regionalen Ebene.

Was sollte aus Ihrer Sicht an den Rahmenbedingungen verbessert werden?

Kasachstan hat in den vergangenen Jahren viel unternommen um das Thema Korruption in den Griff zu bekommen. Erfolge zeigen sich hier unter anderem bei der deutlich verbesserten Einordnung des Landes in Rankings wie dem von Transparency International. Auch beim Schutz des geistigen und materiellen Eigentums kann die Republik Kasachstan Fortschritte aufzeigen. Wichtig ist es, diesen Weg weiter konsequent fortsetzen, um das Land noch konsequenter in die globale Wirtschaft zu integrieren.

Uns allen sollte klar sein, dass Protektionismus kein Mittel zur Bewältigung der Herausforderungen des 21. Jahrhunderts sein kann. Leider hat es den Eindruck, dass sich derartige Tendenzen in den letzten Jahren in Kasachstan verstärkt haben. So soll beispielsweise die Gründung eines Unternehmens in Kasachstan nur mit einem kasachischen Geschäftsführer möglich sein, weil die Bedingungen für den Erhalt einer Arbeitsgenehmigung für einen ausländischen Geschäftsführer oft unerfüllbar sind. Solche Regelungen weisen unseres Erachtens in die falsche Richtung.

Deutsche Unternehmen beklagen außerdem noch immer zu häufig fehlende Transparenz, Bürokratie, lange Genehmigungsverfahren sowie mangelnde Rechtsicherheit und ein schlecht entwickeltes Gerichtswesen in Kasachstan. Hier sind weitere Verbesserungen erforderlich.
Gleichwohl muss man die Anstrengungen der kasachischen Regierung zur Verbesserung des Investitions- und Geschäftsklimas anerkennen.

Interview: Konstantin Dallibor

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Mittel- und Osteuropazentrum Rheinland-Pfalz (MOEZ) GmbH
Um die Wirtschaftsbeziehungen zu den Ländern Mittel- und Osteuropas auszubauen und zu intensivieren hat Rheinland-Pfalz 2006 mit der Mittel- und Osteuropazentrum Rheinland-Pfalz (MOEZ) GmbH eine eigene Landesgesellschaft zur Außenwirtschaftsförderung mit den MOE-Staaten geschaffen. Angesiedelt am Flughafen Frankfurt-Hahn ist das MOEZ die zentrale Anlaufstelle für Wirtschaftskontakte zwischen rheinland-pfälzischen Unternehmen und Handels- und Kooperationspartnern in den Ländern Mittel- und Osteuropas. Mit mittlerweile elf Kontaktstellen in den wichtigsten Wirtschaftsräumen Mittel- und Osteuropas verfügt das Zentrum über eine hervorragende Vernetzung mit den dynamischen Märkten in den MOE-Staaten. Angesiedelt in der MOEZ GmbH sind darüber hinaus mittlerweile zwei Repräsentanzen aus Polen und Russland sowie das Projektbüro „Wirtschaftskooperation Rheinland-Pfalz-Südosteuropa“.

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