Mats Schonebeck aus dem Unternehmen Petkus hat sich mit der DAZ über Chancen und Perspektiven Kasachstans als Wirtschaftsstandort unterhalten. Im vergangenen Jahr war er selbst im Bereich Business Development und Global Operations in Kasachstan unterwegs, um sich die Bedingungen vor Ort anzusehen und auszuloten, ob Petkus eine eigene neue Produktionsstätte hierzulande aufbauen sollte.
Petkus ist ein mittelständisches Unternehmen, das seinen Hauptsitz im deutschen Bundesland Thüringen hat. Mit inzwischen weltweit ungefähr 400 Mitarbeitenden stellt das Unternehmen, das schon 1852 gegründet wurde, Anlagen für die Saatgutaufbereitung und -reinigung her. Dabei werden 90 Prozent der Produkte außerhalb Deutschlands und 70 Prozent in Absatzländer außerhalb der Europäischen Union verkauft, vor allem an große Agrarunternehmen.
Verlagerung der Lowtech-Produktion
Eine Anlage, erklärt Schonebeck, bestehe aus einem Hightech-Teil, der technologisch sehr anspruchsvoll ist, und aus Lowtech-Modulen. Die Maschinen von Petkus können beispielsweise optisch sortieren. Das heißt, dass die Körner im freien Fall mit zwei Kamerasträngen rundherum aus 360 Grad gescannt werden. Die Maschine kann dann in Sekundenbruchteilen entscheiden, ob es sich um ein gutes oder ein schlechtes Korn handelt, indem es die Daten mit denen anderer Körner abgleicht, die schon mal gekeimt sind. Die schlechten Körner werden dann in Echtzeit aussortiert. Klar, dass diese Technologie zu dem Hightech-Anteil einer Anlage gehört.
Diese Hochtechnologie wolle Petkus in Europa und insbesondere am Standort Deutschland halten, so Schonebeck. Den Gesamtwert einer solchen Anlage macht aber bis zur Hälfte auch einfache Technologie aus, wie Förderbänder oder Silos. Viele Gründe sprechen dafür, deren Produktion ins Ausland zu verlagern. Wenn die Anlage nämlich beispielsweise nach Kasachstan verkauft wird, der Käufer dann aber nicht im Land produziert, dann werden die Transportwege für die produzierten Güter des Anlagenkäufers lang und teuer: „Da kann man sich heutzutage überlegen: Will man das einmal quer durch die Welt schiffen? Muss das alles in Deutschland produziert werden? Oder schaut man besser lokal, ob es vor Ort Firmen gibt, mit denen man zusammenarbeiten kann? Oder gründet man dort selbst Fertigungsstandorte, wo man diese Komponenten herstellt?“, schildert Mats Schonebeck vom Business Development der Firma Petkus seine Überlegungen.
Um diese Fragen zu beantworten, war er also vergangenes Jahr in Kasachstan, um die Bedingungen vor Ort zu beurteilen.
Besuch in Astana, Petropawlowsk und Kostanai
„Bei uns haben wir in den letzten anderthalb Jahren Standorte analysiert und ausgewählt für einen globalen, neuen Produktionsstandort. Dann bin ich in den Jahren 2023 und 2024 in unseren Hauptabsatzmärkten gewesen und habe mir diese angeguckt. Im Rahmen dieser Markterkundung war ich dann in Brasilien, Russland, der Türkei und natürlich auch in Kasachstan, weil das unsere Hauptzielmärkte sind, wo wir viel Erfahrung haben und schon eine lange Zeit investieren.“
In der Tat, in Kasachstan ist Petkus schon sehr lange vertreten. Mitarbeitende für Vertrieb und Service sind dort bereits seit 2009 im Rahmen der Petkus GmbH aktiv. Zu Sowjetzeiten war sogar das Haupttestzentrum für Saatgut- und Aufbereitungsmaschinen auf kasachstanischem Gebiet. Dort hat man die Maschinen einem Härtetest unterzogen, da Verunreinigungen, Steine und Dreck von der eigentlichen Ernte getrennt werden mussten. Aktuell hat Petkus ein Team aus elf Personen vor Ort und, je nach wirtschaftlicher Lage, sind es mitunter auch mehr. Produktionsanlagen hatte Petkus in Kasachstan jedoch noch nicht.
Gelandet ist Schonebeck dann in Astana, bevor es in die Hauptregion im Norden nach Petropawlowsk und Kostanai ging. Beide Standorte sind Hauptanbaugebiete für Getreide und liegen an entsprechenden LKW-Routen, die auch nach Russland führen. Da Petkus traditionell enge wirtschaftliche Beziehungen zu Russland hat, wäre dies entsprechend interessant für Exporte einer möglichen neuen Produktionsstätte in Kasachstan.
Sein erster Besuch war in eine von der Außenhandelskammer organisierte Delegationsreise eingebettet. Dabei sind Vertreter verschiedener Unternehmen mit dem Thüringer Wirtschaftsminister Wolfgang Tiefensee nach Kasachstan gereist. Das Ziel der Delegation war es, die wirtschaftlichen Beziehungen zwischen dem ostdeutschen Bundesland sowie der Republik Kasachstan zu stärken.
Während seines Besuchs hat Mats Schonebeck in Kasachstan viel gesehen. Einerseits besuchte er verschiedene Produktionswerke, beispielsweise ein großes Automobilwerk in Kostanai mit weit entwickelter Technologie, andererseits sah er aber auch Bereiche der Landwirtschaft gesehen, die noch nicht so weit entwickelt gewesen waren.
Gerne hätte Petkus zunächst mit lokalen Produzenten vor Ort zusammengearbeitet, beispielsweise durch ein Joint Venture, bevor das Unternehmen in eigene Montagelinien investiert hätte. Die Grundtechnologie, die Petkus für die Produktion seiner Anlagen benötigt, habe Schonebeck in Kasachstan jedoch nicht finden können. Außerdem werden Bestandteile von Maschinen, wie
Elektromotoren oder Kugellager, nicht im Land hergestellt. Da diese Zukaufteile schließlich importiert werden müssten, wäre die Produktion in Kasachstan schon von Grund auf teuer.
Geopolitische Lage erschwert Marktsituation von Petkus erheblich
Petkus arbeitet, wie bereits erwähnt, traditionell bedingt viel mit Russland zusammen und dieser Markt ist für das Unternehmen mit Hauptsitz in den neuen Bundesländern nach wie vor wichtig: „Das liegt einfach daran, dass Petkus eine sehr lange Firmenhistorie und Tradition hat. Gerade zu den Zeiten der UdSSR hat das Unternehmen viele Maschinen und Anlagen dorthin transportiert und abgesetzt.“
Seiner Firmengeschichte zum Trotz habe sich Petkus zuletzt jedoch aus politischen Gründen, aufgrund der angespannten Lage und der Unsicherheit gegen Investitionen in Russland entschieden. Viele Anlagen von Petkus können inzwischen nicht mehr ohne weiteres nach Russland verkauft und geliefert werden, da einige Bestandteile als Dual-Use-Güter gelten. Dazu gehören auch einfache Silos zur Lagerung oder Förderbänder für Getreide und Saatgut. Transport und Logistik seien außerdem viel komplizierter und teurer geworden: „Wenn eine Anlage aus zwanzig bis vierzig LKW-Ladungen besteht, müssen die alle zusammen vor dem Zoll warten, bis alle vierzig da sind. Die können wir nicht an einem Tag laden. Über zwei Wochen würden die an der Grenze aufeinander warten, um dann erst die Papiere einzureichen, wonach alle zwanzig bis vierzig LKW auf einmal über die Grenze fahren. Das bedeutet natürlich einen riesigen, logistischen Aufwand und die Logistikkosten für derartige Lieferungen haben sich zeitlich teilweise verfünft- bis verzehnfacht.“
Für die Zukunft ist noch nicht klar, wie der stark nach Osten orientierte Vertrieb von Petkus gestaltet wird, sollte sich ein noch stärkeres Ost-West-Gefälle ergeben oder sollten Zölle erhöht werden, dann, so Schonebeck, sei es sinnvoll, mehr in BRICS-Ländern zu investieren, um gegebenenfalls zu einem späteren Zeitpunkt noch die Möglichkeit zu haben, in diesen Ländern weiterzuarbeiten.
Kasachische Arbeitskräfte für deutsche Unternehmen
Ein weiterer Schwerpunkt der Wirtschaftsdelegation war die Gewinnung von in Thüringen dringend benötigten, vorqualifizierten Arbeitskräften. Kulturell war Mats Schonebeck von den Menschen vor Ort beeindruckt, die er als sehr warm, aufgeschlossen und hilfreich beschreibt: „Sie zeigten sehr viel Offenheit und Interesse, wenn es darum geht, sich neues Wissen anzueignen und wirtschaftlich weiter zu wachsen. Man hat einen gewissen Hunger bei den Leuten gemerkt. Sie haben gesagt: Wir wollen hier unbedingt etwas schaffen, wir wollen arbeiten und mit euch kooperieren.“
Organisatorisch sei die Fachkräftegewinnung in Kasachstan jedoch vor allem dadurch erschwert, dass es kein Ausbildungssystem und keine Einheitlichkeit bei Abschlüssen wie in Deutschland gebe. Entsprechend müsse jede Person individuell an der Qualität ihrer Arbeit bemessen werden.
Subventionspolitik macht Investitionen attraktiver
Obwohl sich Petkus schließlich vorerst gegen Investitionen in Kasachstan und für die Produktion in Ungarn entschieden hat, machen die Förderungen hierzulande durch den kasachischen Staat die Investitionen für Unternehmen aus dem Ausland attraktiver: „Wenn man sagt, wir investieren ein oder zwei Millionen Euro in den Standortaufbau und wir wollen später, dass sich dort 30 Mitarbeitende ansiedeln und kasachische Arbeitsplätze entstehen, dann konnte man ziemlich gut darüber reden, wie der kasachische Staat die ausländischen Direktinvestoren unterstützt und was für Gelder man dafür bekommt. Falls außerdem Einfuhrzölle oder Ausfuhrbeschränkungen erlassen werden, wäre dieser Faktor für uns noch wichtiger gewesen.“
Mit der Subventionspolitik versucht Kasachstan also, ausländische Investitionen zu fördern, Anreize zu schaffen und damit die Wirtschaft auszubauen.