In Deutschland sind Aktionärsrechte gestärkt worden – weitere Verpflichtungen für Firmen werden gefordert. Eine Debatte um zu wenig oder zuviel Regulierung mit Relevanz für die aufstrebende kasachstanische Marktwirtschaft.

In Deutschland sind Aktionärsrechte gestärkt worden – weitere Verpflichtungen für Firmen werden gefordert. Eine Debatte um zu wenig oder zuviel Regulierung mit Relevanz für die aufstrebende kasachstanische Marktwirtschaft.

Den Wahlkampf zur Bundestagswahl dominieren Wirtschaftsthemen. Vor der sitzungsfreien Sommerpause verabschiedeten die großen Parteien jedoch gemeinsam ein neues Gesetz für mehr Transparenz deutscher Unternehmen; auf neudeutsch: zur Corporate Governance.

Das deutsche Bundesministerium für Justiz berief schon September 2001 eine Expertenkommission, die den Deutschen Corporate Governance Kodex erarbeitete. Das mit hochrangigen Wirtschaftsvertretern besetzte Gremium kritisierte mangelhafte Ausrichtung an Eigentümerinteressen, geringe Transparenz von Vorstandbezügen, mangelnde Unbefangenheit der Aufsichtsräte und eingeschränkte Unabhängigkeit von Wirtschaftsprüfern.

Topmanager als „normale“ Angestellte

Durch die Gesetzesnovelle sind börsennotierte deutsche Firmen nun verpflichtet, die exakte Höhe der Einkünfte ihres Topmanagements zu publizieren. Auf den ersten Blick könnte eine Verbindung zur jüngsten Kapitalismuskritik und Mißbilligung der Selbstbedinungsmentalität von Konzernchefs in der deutschen Öffentlichkeit bestehen. Auf den zweiten Blick wird deutlich, dass es keinesfalls ein markt- und wettbewerbsfeindliches Gesetz ist. Die Aktionäre und nicht das Topmanagement tragen das unternehmerische Risiko großer Kapitalgesellschaften.

Insofern hat der Aktionär (shareholder) im Sinne transparenter Eigentumsrechte und deren Wert (shareholder-value) das Recht, zu erfahren wie hoch die Gehälter der von ihm bestellten Manager sind. Ebenso führt die Öffentlichkeit der Vorstandsbezüge, inklusive des Anteils an Aktienoptionen, zu mehr Kapitalmarkttransparenz. Eine staatliche Vorgabe wurde notwendig, da Appelle ergebnislos blieben.

Die neue Richtlinie ist ebenso Teil der aktuellen Debatte um soziale Verantwortung von Firmen (corporate social responsibility). Unternehmensethische Fragestellungen im Sinne der Verantwortlichkeit von Unternehmen und der Berücksichtigung von Interessen sogenannter Anspruchsberechtigter (stakeholder-responsibility) werden thematisiert. Sprich Firmen hätten nicht nur eine Verantwortung gegenüber ihren Eigentümern, sondern auch gegenüber Mitarbeitern, Kunden, Lieferanten sowie sozialem und gesellschaftlichem Umfeld.

Viele deutsche und international tätige Firmen geben sich derzeit selbstverpflichtende Leitbilder respektive Ethikkodizes für den Umgang mit Kunden und Mitarbeitern – beispielsweise jüngst der große Allianz-Konzern. Solche Unternehmenskodizes erfreuen sich großer Beliebtheit und können im Wirtschaftsleben, hier vor allem in der Außendarstellungen sowie zur Rekrutierung von Mitarbeitern, Wettbewerbsvorteile bringen, so der deutsche Wirtschafts- und Unternehmensethiker Alexander Brink. Unternehmen, die sich dieser Entwicklung entziehen, würden teils im marktlichen Wettbewerb von ihren stakeholdern abgestraft.

Rahmenordnung und Wettbewerb: Corporate governance versus social responsibility

Die Transparenz der Vorstandsbezüge und der Trend zu Firmenkodizes stehen in enger Verbindung zueinander. Beide berühren Fragen der Unternehmensführung – jedoch auf verschiedenen Ebenen. Transparente Vorstandsbezüge sind Teil der Sicherung grundlegender Eigentums- und Aktionärsrechte, des Investitonsklimas und des ordnungspolitischen Rahmens. Damit eindeutig staatliche Aufgabe. Fragen konkreter Unternehmensführung, verantwortlicher Selbstbindung und des sozialen Engagements können indes auf Firmenebene und durch den Markt gelöst werden. Denn „wenn Gesellschaften reicher werden, dann wächst auch die Zahlungsbereitschaft für ethisches Verhalten durch private Entscheidungen“, so der in Russland geborene Harvard-Ökonomieprofessor Andrei Shleifer. Forderungen nach gesellschaftlicher Verantwortung von Firmen, die kein Sowjeterbe darstellen, können in einer Marktwirtschaft nur eingefordert, jedoch nicht staatlich verordnet werden. Eine grundlegende ordnungspolitische Debatte, die auch Kasachstan bevorsteht.

Die OECD oder die Weltbank-Tochter International Finance Coporoation (IFC) führen mit den Transformationsländern Zentralasiens regelmäßig Gespräche über Fragen der Corporate Governance und der Sicherung der Eigentümerrechte. Ebenso die EBRD und der Foreign Investors Council (FIC) in Kasachstan. In diesem Bereich muss das Land gemäß der Kritik internationaler Investoren noch nachlegen. Ein Aspekt guter Corporate Governance neben dem gesetzlichen Schutz von Aktionärs- und Eigentumsrechten, der Transparenz von Eigentümerstruktur und der Gleichbehandlung aller Investoren ist ebenso die Transparenz der Managementbezüge.

Einige große und international tätige kasachstanische Firmen zeigen in ihrer Außendarstellung indes schon freiwillig unternehmensethische Flagge – zumindest auf dem Papier. Sie betonen ihr soziales Engagement und ihre gesellschaftliche Verantwortung. Die Kazkommertzbank sammelte beispielweise für die Opfer der Beslan-Tragödie und weist im Jahresabschluss soziale und kulturelle Sponsoringaktivitäten aus, die KazAtomprom betont soziale und umweltpolitische Verantwortung, PetroKazakhstan präsentiert sich mit Stipendienprogrammen als Begabtenförderer und der Vorstandsvorsitzende von KazMunaiGaz sagte der Financial Times Europe, man wolle nicht nur der größte kasachstanische Ölförderer sein, sondern auch ein Unternehmen von Weltrang mit umweltpolitischer Verantwortung. ChevronTexaco Kasachstan lässt seine Mitarbeiter aktiv an Umweltprojekten vor Ort teilnehmen. Das Verhältnis zwischen unternehmensethischem Schein und Sein muss der Markt beantworten – entsprechende Kundenpräferenz vorausgesetzt.

02/09/05

Teilen mit:

Все самое актуальное, важное и интересное - в Телеграм-канале «Немцы Казахстана». Будь в курсе событий! https://t.me/daz_asia