Kasachstans Bewertung bei der Ratingagentur S&P hat sich gegenüber dem vergangenen Jahr leicht verbessert. Kolumnist Bodo Lochmann ist der Meinung, dass dennoch einiges im Argen liegt und ein A-Rating in näherer Zukunft nicht zu erwarten ist.

Standard & Poors (S&P) ist die bekannteste internationale Ratingagentur, deren Aufgabe es ist, Regierungen, Markteilnehmer und einfache Leute über den qualitativen Zustand der Finanzen eines Staates oder eines Unternehmens zu informieren. Zu diesem Zweck analysiert S&P eine Vielzahl von Finanzdaten des jeweiligen Untersuchungsobjektes, die natürlich entsprechend bereitgestellt werden und objektiv sein müssen. Die aktuelle Bewertung enthält immer auch einen Ausblick auf die Zukunft in Form des Abwägens von positiven oder negativen Einfluss ausübenden möglichen Entwicklungen. Regierungen, Manager und Teilnehmer der Finanzmärkte bekommen so eine neutrale, nach einem einheitlichen System vorgenommene Bewertung der Risiken des jeweiligen Untersuchungsobjektes und können anstehende Entscheidungen qualifizierter fällen.

Kasachstan hat im vergangenen Jahr von S&P die Bewertung BBB plus bekommen, was eine leichte Verbesserung zum Vorjahr war. Dieses Rating ist das viertbeste und bescheinigt dem Lande damit den sogenannten Investitionsstatus, der allerdings schon eine Stufe tiefer beginnt. Als positiv bei dieser Bewertung wurden vor allem die beiden Profizite (Einnahmen übersteigen Ausgaben in Staatshaushalt und Außenhandelsbilanz), die Existenz des Nationalfonds (in dem der größte Teil der Steuereinnahmen aus dem Erdölexport akkumuliert, also nicht sofort verbraucht wird) und das Vorhandensein des „Geschenks des Himmels“, also der vielen Naturreichtümer, herangezogen.

Ein weiteres Steigen des Ratings, das ein wachsendes Vertrauen in die Sicherheit von Finanzanlagen in Kasachstan und sinkenden Zinszahlungen dafür entsprechen würde, wird jedoch durch eine Reihe von Risikofaktoren gebremst. Die Liste dafür ist allerdings länger als die der positiven Faktoren, und es sind nicht nur wirtschaftliche Dinge. Negativ wird von S&P die Geldpolitik der Nationalbank bewertet, die als nicht ausreichend flexibel eingeschätzt wird. Das noch relativ niedrige Produktionsniveau, ausgedrückt im Bruttoinlandsprodukt pro Kopf der Bevölkerung (im Moment bei etwa 12 000 US-Dollar), ist der nächste Faktor, die hohe und eher noch weiter wachsende Abhängigkeit von den Rohstoffexporten ein weiterer. Wenn auch die Versuche zur Diversifizierung der Wirtschaft durch die Innovationspolitik Kasachstans gewürdigt werden, werden doch deren Resultate nicht besonders positiv bewertet. Das Bankensystem Kasachstans stellt infolge seines sehr hohen Anteils an zweifelhaften oder restrukturierten Krediten ein weiteres Risiko wohl nicht nur für die nächsten Monate dar. Über die Notwendigkeit der Bereinigung der Bankenbilanzen von faulen Krediten wird ja hierzulande schon lange gesprochen, aber konsequentes Handeln steht noch aus. Auch die unzureichende Professionalität des Bankenmanagements, die Undurchsichtigkeit vieler Geldprozesse und Eigentumsverhältnisse, schlechtes Risikomanagement und Korruption werden als störende Faktoren benannt. Die Deutlichkeit mancher Aussagen und Einschätzungen wird hierzulande manchem wohl nicht gefallen. Nicht zuletzt missfällt der Ratingagentur auch die Ungewissheit in der Frage der Nachfolge des Präsidenten, eine Frage, die nicht erst im letzten Moment geregelt werden sollte.

Da dem jetzigen Rating BBB ein Plus hinzugefügt wurde, sieht die Agentur im Moment jedoch insgesamt noch einen leichten Aufwärtstrend, trotz aller genannten Einzelprobleme. Der Schritt zum „A“ ist jedoch nicht aktuell, dafür müsste insbesondere im Bankensektor gründlich aufgeräumt werden. Hier tut sich jedoch kaum etwas, so dass eine weitere Verschlechterung der Lage nicht auszuschließen ist. Neben der Schaffung des eigentlich vor längerer Zeit schon angekündigten speziellen Fonds für kritische Kredite (deren Ausfallrisiko dann allerdings der Staat und damit die Gemeinschaft der Steuerzahler übernehmen müssten) wäre es notwendig, dass die Banken selbst tätig werden. Dazu gehört insbesondere eine realistische Bewertung ihrer in den Büchern stehenden Aktiva, die zu einem großen Teil abzuwerten wären. Das hieße, dass man sich mit dem unschönen Wort „Verlust“ und mit roten Zahlen in den Bilanzen anfreunden müsste. Das macht natürlich keinen Spaß, aber der Spaßfaktor hält sich bei so ernsten Angelegenheiten wie der Bewertung der Zukunftsaussichten eines ganzen Landes von Natur aus sowieso meist in Grenzen.

Bodo Lochmann

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