Ich träume von der guten alten Zeit, als alles noch viel, viel einfacher war. Als es noch die großen klobigen Geräte gab, die man einfach in eine Steckdose stöpseln musste, und schon ging es los. Als man einfach nur an einem Knopf drehen musste, und schon wurde es warm oder kalt.

Als man noch nicht über viele verschiedenfarbige Kabel stolperte. Und nun – überall Kabelsalat, das eine Gerät funktioniert nur, wenn man es mit verschiedenen anderen Geräten verkabelt und diverse Adap-ter zwischengeschaltet sind. Dann muss man alles noch programmieren, einstellen, aufeinander abstimmen. Und weil ich es nicht verstehe, gar nicht verstehen will, muss ständig ein Mann kommen, der die Kabel in die Hand nimmt und sie zuordnet, wie es sein soll. Währenddessen koche ich dem Manne einen Kaffee, um seine Laune zu erhalten, weil er es zwar besser weiß als ich, aber trotzdem noch viel fummeln und dabei fluchen muss. Und dann funktioniert es immer noch nicht, weil jeder neue bestellte Mann es besser weiß, als der vorherige und alle zusammen einen neuen Kabelsalat produzieren. Nach mehreren Anläufen funktioniert nicht alles, aber vieles, das zwar auch nicht ganz, aber so halbwegs. Ich muss mir immer neue „Dinge” anhören, die es so gibt, und mir scheint, alle sind auf dem neuesten Stand, nur ich nicht. Überhaupt kann ich nicht mitreden, denn da ja das Internet schlecht läuft, der Fernseher fast gar nicht und das Radio nur manchmal funktioniert, weiß ich auch nichts über die neuesten Ereignisse im Promigeschehen, Fußball und sowieso. Um dem allen etwas entgegenzusetzen, habe ich nun ein altes graues Telefon mit langem dickem Kabel, Wählscheibe und schwerem Hörer installiert. Da weiß man, was man in der Hand hat, jedes Telefonat muss man sich hart erarbeiten, es sieht solide aus und nicht wie ein Spielzeug. Und es macht ordentliche Geräusche (anstatt nervtötend rumzupiepsen). Dieses Telefon gibt mir Halt! Hiermit kenne ich mich aus und kann auch ganz ohne männliche Hilfe mit der Außenwelt kommunizieren. Es hat schon fast antiken Wert, wer weiß, wer schon alles damit telefoniert hat, tausend Geschichten könnte es erzählen. Und so steht es auch für gute Wertarbeit aus Zeiten, als man die meisten Dinge noch ein Leben lang hatte und nicht alle paar Wochen alles neu gekauft hat. Da klinge ich wie meine Oma und kann mich gar nicht freuen, dass es so vieles gibt, was das Leben so viel einfacher macht. Und erinnere mich gern an Russland, wo sich eben nicht tausend Spezialgeräte stapeln – in der Garage, im Werkzeugkeller und in der Küche. Wo man mit einem Küchenmesser fast alles schneidet, was es zu schneiden gibt. Und wo man beinahe alles mit einem Streifen Tesafilm flicken darf. Weil es wichtig ist, dass es sofort und im Augenblick und „irgendwie” funktioniert. Wer weiß, was morgen ist. Genau! So sehe ich das nämlich auch. Ich will, dass man mit nur einem soliden Werkzeug alles installiert – und zwar jetzt sofort – was dann meinetwegen nur zwei Jahre funktioniert. Aber alle Männer, die mir helfen, wollen, dass alles zehn Jahre lang funktioniert – dafür aber erst in vier Wochen. Vielleicht sollte ich die Strategie wechseln und einen russischen Mann beauftragen.

Von Julia Siebert

07/07/06

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