Das riesige Kaschagan-Ölfeld ist ein Geschenk der Natur. Es verspricht jährlich 40 Millionen Tonnen Erdöl. Warum hier Investoren nicht zugreifen und welche Probleme mit der Erdölförderung in Kaschagan verbunden sind, weiß Prof. Dr. Bodo Lochmann.

Kaschagan, das große Ölfeld im Norden des Kaspischen Meers, ist für Kasachstan im Moment Hoffnung und Fluch zugleich. Hoffnung, weil dort die gewaltige Menge von 4, 8 Milliarden Tonnen Erdöl lagert, davon sind mit heutigen modernen Technologien 1,7 Milliarden Tonnen förderbar. Bei einer Jahresförderung von etwa 100 Millionen Tonnen, die Kasachstan zur Zeit knapp erzielt, könnte dieses Feld demnach die Erdölzukunft des Landes über mehr als einhundert Jahre sichern. Aus diesem Grunde wird ungeachtet einer Reihe von besonderen Schwierigkeiten auch viel dafür getan, dieses Geschenk der Mutter Natur zu erschließen.
Fluch ist Kaschagan deshalb, weil es aus Sicht des Endergebnisses – die Bereitstellung von mindestens 40 Millionen Tonnen exportfähigen Erdöls jährlich – bisher nicht klappen will.
Ursachen dafür sind erst einmal die gegebenen naturbedingten Herausforderungen, wie hoher Druck in den erdölführenden Schichten, die ökologische Empfindlichkeit des 820 Quadratkilometer großen Gebiets, die große Fördertiefe und der hohe Schwefelgehalt des Öls. Hinzukommt die zu Beginn des Projekts praktisch vollständig fehlende Infrastruktur, mit der nicht nur technologieorientierte Anlagen, sondern simple Straßen, Wohnsiedlungen, Kommunikationssysteme und Ähnliches gemeint ist. Die Gesamtheit aller dieser und weiterer Faktoren macht Kaschagan zu einem einzigartigen Projekt, vor allem hinsichtlich der technologischen Herausforderungen.

Das drückt sich auch den Aufwendungen von Zeit, Kosten und Nerven aus, die ohne Ausnahme alle über den Plangrößen liegen. Ursprünglich sollte das 1998 gestartete Projekt 2005 Öl liefern, nach mehreren offiziell genannten, aber immer wieder verschobenen Terminen und der jüngsten Havarie der Versuchsanlagen wird nun von 2015 bis 2016 als Inbetriebnahmetermin geredet, es gibt aber auch Aussagen betreffs 2018 – 2019. Die anfangs geplanten Kosten von 8 bis 10 Milliarden Dollar sind längst Makulatur. Heute ist man bei 75 Milliarden Dollar angelangt, auch die 100-Milliarden-Grenze wird nicht ausgeschlossen. Lediglich der Nervenaufwand aller beteiligten Projektpartner ist nicht exakt zu messen. Man könnte hier als möglichen Indikator die aus dem Projekt bereits ausgeschiedenen leistungsstarken Konsortionalpartner, gescheiterte Manager und Regierungsvertreter, die Vielzahl teils öffentlicher vorgetragener Kritik und Vorwürfe heranziehen, ohne jedoch wirklich das Ausmaß des Nervenverschleißes erfassen zu können.

Vereinfacht gesagt, ist das inhaltliche Problem Kaschagans nicht das Geld, obwohl sich auch hier mehr als genug Fragen aufgetürmt haben. Problematisch ist eher, dass nur einige wenige internationale Unternehmen das Know how haben, ein solch schwieriges Projekt überhaupt technologisch beherrschen zu können. Kasachische Unternehmen haben dieses Wissen nicht, weshalb den größten Teil der finanziellen und technologischen Anstrengungen weltweit operierende Unternehmen übernommen haben, die sich aber trotz ihrer geballten Kompetenz auch einige Zähne am Brocken Kaschagan ausgebissen haben. Vielleicht sind die Schwierigkeiten auch bloß eine vorauseilende Rache der Natur, denn beim Umweltschutz sollen nicht immer die allerhöchsten Standards in dem ökologisch sensiblen Gebiet Leitfaden des Handelns sein.

Nun ist am 11. Juni 2014 eine Vereinbarung zwischen der kasachischen Regierung und den beiden größten Aktionären des Projekts – Shell und Exxon Mobil – unterschrieben worden, in dem den ausländischen Unternehmen eine Verlängerung der bereits erteilten Konzession um 20 Jahre, also bis zum Jahre 2061, zugestanden wurde. Damit sollen die beteiligten Unternehmen die Chance erhalten, ihre ungeplant hohen Mittel über Förderung und Verkauf des Öls auch irgendwann einmal zurückholen zu können. Das wird trotz dieser Verlängerung schwierig, denn noch ist völlig offen, wann das Feld in Betrieb geht und wie viel Geld bis dahin noch eingesetzt werden muss. Nach dem jetzigen Stand der Dinge dürften die beteiligten Unternehmen keinesfalls vor 2030 mit dem Erreichen der Kostendeckung rechnen. Dieses Jahr gilt auch nur dann als einigermaßen gesichert, falls die Nachfrage nach Öl auf den Weltmärkten so hoch bleibt wie im Moment. Das aber ist keinesfalls sicher. Sicher ist jedoch, dass die Nichtinbetriebnahme von Kaschagan zunehmend zum Problem für den kasachischen Staatshaushalt wird. Schließlich sind die Ölsteuern über den Nationalfonds auch für den Staatshaushalt bereits seit einigen Jahren fest eingeplant, sie kommen aber nicht. Kaschagan wird also auf längere Sicht noch ein Thema bleiben, mindestens für Unternehmen, Regierungsvertreter und Kolumnisten.

Bodo Lochmann

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