Ein großes Rätselraten beschäftigt gegenwärtig die Finanzexperten, die sich mit dem Rentensystem Kasachstans beschäftigen. Völlig unerwartet nicht nur für die breite Öffentlichkeit, sondern auch für die Experten selbst hat die Regierung beschlossen, die gegenwärtig 13 privaten Rentenversicherungsfonds zu einem einheitlichen Fonds unter staatlicher Leitung zu verschmelzen. Da diese Entscheidung nur verkündet, aber nicht erläutert wurde, sind nun Tür und Tor für die unterschiedlichsten Meinungen und Spekulationen geöffnet.

Dabei geht es um eine ganze Menge Geld. Immerhin 21 Milliarden Dollar haben sich seit Einführung des Kapitaldeckungsverfahrens durch die Beiträge der Versicherten angehäuft. Dieses Geld soll bis zum Rentenbeginn des ein individuelles Rentensparkonto Besitzenden ja nun nicht nur angesammelt, sondern durch Investieren des Geldes auch noch vermehrt werden. Genau hier aber liegt der Schwachpunkt des jetzigen Systems: die Kapitalerträge sind auch im langjährigen Vergleich so niedrig, dass sie nicht die Inflation ausgleichen. Die Rentenversicherten verlieren also real, sprich in Kaufkrafteinheiten, Geld. Das führt bei den absolut sowieso nicht allzu großen Beitragssummen dazu, dass die Rente später dann dürftig ausfällt und Altersarmut eine verbreitete Erscheinung sein wird. Die technische Ursache für die niedrigen Kapitalerträge ist bekannt: die Pensionsfonds dürfen nur in heimische Wertpapiere investieren, da aber ist das Angebot sehr begrenzt. Am ehestens sind noch Staatsanleihen verfügbar, die bringen aber nicht mehr als um die vier Prozent Zinsen, zu wenig also, um die Inflation auszugleichen. Bereits seit Längerem wird darüber diskutiert, wie man das Geld der Rentensparer höherverzinslich anlegen kann, ohne ein unvertretbar hohes Risiko einzugehen. Möglicherweise meint man in Kreisen der Staatsführung, mit der Zentralisierung und Verstaatlichung der privaten Mittel bessere Möglichkeiten für sinnvolle Investitionen zu haben. Aus quantitativer Sicht ist das möglicherweise so, sprich, es könnten leichter Investitionen aus einem großen Topf finanziert werden. Zu bezweifeln ist jedoch, dass es Staatsdienern besser als privaten Managern gelingen würde, höhere Renditen zu erzielen. Schließlich bleiben die Rahmenbedingungen unverändert, zumindest hat man noch nichts anderes gehört.

Investitionsobjekte mit hohen Erträgen und niedrigem Risiko sind aus objektiven Gründen nun mal rar, und das nicht nur in Kasachstan. Private Manager müssen sich zudem vor den Aktionären verantworten und die Eckzahlen des Unternehmens offenlegen. Bei einem staatlichen Konstrukt ist zu befürchten, dass eine wirksame Öffentlichkeitskontrolle nicht zustande kommt. Zumindest haben gar zu viele staatliche Manager in anderen Bereichen der Wirtschaft bisher nicht unbedingt mit hervorragenden Endergebnissen ihrer Investitionsentscheidungen aufgewartet. Das weiß natürlich auch der wachsamere Teil des Volkes, weshalb auch die Skepsis unter den Rentensparern hinsichtlich des Nutzens der anstehenden Reform groß ist. Diese Skepsis wird durch die staatlichen Aktivitäten in dieser Frage eher noch genährt und nicht abgebaut. Weder das Parlament noch eine breite Öffentlichkeit ist konstruktiv über den Zweck oder die Herangehensweise der Reform informiert. Zwar hat der Verband der privaten Rentenversicherer in einem offenen Brief an den Präsidenten auf die Gefahren einer Fehlkonstruktion des neuen Systems ebenso hingewiesen wie auf verfassungsrechtliche Bedenken hinsichtlich des Einhaltens solcher Grundrechte wie derjenigen auf Eigentum und freie Vertragswahl; eine Antwort darauf ist jedoch nicht erfolgt.

Neben den grundsätzlichen inhaltlichen Fragen steht auch die Frage, was mit den bisherigen Beschäftigten in den Rentenfonds passieren soll. Das sind immerhin 12.000 Personen, die nun höchst verunsichert sind, was sich nicht gerade positiv auf ihre Arbeit auswirken dürfte.

Die Gefahr ist jedenfalls groß, dass die anstehende Reform zu einem großen systemischen Fehler wird. Das bleibt zwar abzuwarten, ein Ansteigen des Misstrauens der Bevölkerung gegenüber dem Staat ist aber schon feststellbar.

Bodo Lochmann

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