Es gibt Kompetenzen, die schreien danach, am Grill, beim Golf oder im Garten nachgefragt zu werden.

Es sind klassischerweise Ärzte, Anwälte, Kfz-Mechaniker oder Steuerberater, an die man sich auf Partys gerne heranpirscht, um ihnen eine Ferndiagnose aus den Rippen zu leihern und sich die kostenintensive Inanspruchnahme von Dienstleistungen zu sparen. Weil es immer jemanden gibt, bei dem die Leber zwickt, der Nachbar zickt, das Gaspedal klemmt oder das Finanzamt mahnt, haben einige Berufsgruppen faktisch nie Feierabend. Wenn es noch nicht zu spät ist und man kein Helfersyndrom hat, sollte man sich also gründlich überlegen, welchen Beruf man wählt.

Dann werde man besser Archivar, Flugzeugmechaniker, Gemeindevorsteher, Zootierpfleger oder Projektevaluatorin – das braucht kein Mensch, jedenfalls keiner, den man zwischen dem dritten und vierten Bier kennen lernt.

Jedoch hatte ich nie die Berufsgruppe im Blick, die es am ärgsten trifft: die Sanitärinstallateure. Zuletzt hat mir mein Sanitärinstallateur sein Leid geklagt. Normalerweise muss er sich immer den Scheiß seiner Kunden anhören, was natürlich an seinem Beruf liegt. Da geht’s schlimmer zu als beim Frisör. Dabei hat er extra dies Handwerk gewählt, damit er still und stumm an Rohren herumwerkeln kann, weil er eben nicht so der kommunikative Typ ist. Aber jetzt zur Sache.

Klar, die Abhängigkeit von einer funktionierenden Kanalisation ist groß. Viel größer als von anderen Dingen. Das Finanzamt schickt auch noch eine zweite und eine dritte Mahnung. Bauch- und Kreuzschmerzen kann man locker mal ein paar Wochen verschleppen, bevor man zusammenbricht. Und juristische Angelegenheiten ziehen sich sowieso über Jahre hin. Aber wenn das Klo klemmt, dann ist der Mensch in Not. Und zwar sofort, ohne Aufschub! Und dann ist der Mensch abhängig, vorzugsweise vom Sanitärinstallateur. Und das drückt sich ganz unterschiedlich aus.

Zum einen kann sich mein Sanitärinstallateur keine zwei Meter durch den öffentlichen Raum bewegen, ohne dass sich ihm verschiedene Leute an die Fersen heften, weil das Rohr leckt. Und irgendwo leckt immer ein Rohr, und es ist immer ganz dringend und dramatisch. Über viele Meter hinweg winken und rufen sie ihm im Einkaufs-Center zu, für einen Moment stehen bleiben oder gar wo sitzen, ist ganz schlecht für ihn. Das wäre zwar lästig, aber immer noch OK, wenn der Mensch diese Dienst- und Sonderleistungen zu schätzen wüsste und dem Sanitärinstallateur mit viel Geld und Geduld und Respekt entgegenträte. Tut er aber nicht. Denn der Mensch fühlt sich in seiner Abhängigkeit nicht wohl und kehrt das um in Vorwürfe. Er unterstellt dem Handwerker an sich, dass er zu viel Geld fordert, immer zu spät kommt, zu oft und zu lange Pause macht, die Pausenzeiten als Arbeitszeit mitberechnet und die Ruhe weg hat, während der Mensch doch in seiner größten Not hockt.

Dies ist das leidige Schicksal des Sanitärinstallateurs. Er fischt Kot und tote Ratten aus der Kanalisation. Dafür erhält er aber keine Anerkennung, sondern er wird von morgens bis abends belästigt, belabert, gedrängelt und beschimpft. Man gönnt ihm nicht die Pausen und den Sold. Mein Sanitärinstallateur steht kurz vor dem Verfolgungswahn und Burnout. Ich bin aufrichtig betroffen, aber vor allem bin ich froh, dass ich Projektevaluatorin bin!

Julia Siebert

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