„Medianet“, ein im vergangenen Jahr gegründetes Netzwerk, bildet junge Journalisten aus – und setzt sich dabei für eine freie, professionelle Berichterstattung in Kasachstan ein

„Der Journalisten-Nachwuchs in Kasachstan wird mit jeder Generation schlechter.“ Diese Ansicht von Adil Jalilow widerspricht der gängigen Meinung innerhalb des Berufsstandes der Journalisten in Kasachstan, der zunehmend von der eigenen Entwicklung eingenommen ist. Erst vor kurzem lobte Namasali Omaschew, Professor für Journalistik an der Nationalen Kasachischen Universität Al Farabi, in einem Zeitungsinterview das hohe Niveau der Journalisten-Schulen in Kasachstan. „Der Nachwuchs wird hier besser als in den USA ausgebildet,“ so Omaschew gegenüber dem „Almaty Herald“. Die Journalisten in Kasachstan seien vielseitiger und hätten ein breiteres philosophisches und geschichtliches Verständnis als die Amerikaner, die größeren Wert auf die technischen Raffinessen des Berufes legten.

Doch Jalilow, selbst studierter Philologe und seit neun Jahren Journalist, steht mit seiner kritischen Haltung nicht allein. Eine ganze Handvoll von Kollegen denkt wie er. Und so hatte er im vergangenen Jahr die Idee, jungen Journalisten in Kasachstan eine Alternative zur hiesigen Ausbildung zu bieten. Gemeinsam mit drei Kollegen gründete er die Journalisten-Organisation Medianet. „Eine verrückte Idee,“ gibt Jalilow zu. „Noch ist sie wie ein winziges Licht weit weg am Horizont.“ Doch selbst wenn das Ziel vielleicht unerreichbar sei, die Mühe lohne sich, ist der jetzige Direktor des jungen Journalisten-Netzwerkes überzeugt.

Wichtigster Teil von Medianet ist die angeschlossene Media-School. Hier lernen junge Leute das Einmaleins des Journalismus – in einer Form, die durch das übliche Studium an einer der 20 kasachstanischen Journalismus-Fakultäten nicht möglich ist. Vor allem Praxis wird groß geschrieben. Medianet bildet damit einen Gegenentwurf zur universitären Ausbildung, die meist noch immer aus Frontalunterricht, auswendig gelerntem Wissen und vor allem Schul-Noten besteht.

„Doch ein Journalist braucht keine Noten,“ so Jalilow. Vielmehr müsse man als Journalist wissen, wie man Fernsehbeiträge oder Hörfunksendungen produziert, worauf es bei der Themenauswahl für eine Zeitung ankommt und dass innerhalb einer Redaktion selbst der Fahrer eine wichtige Rolle spielt, weil er für Pünktlichkeit und gutes Arbeitsklima sorgt.

Das Konzept von Medianet besteht darin, jungen Journalisten Informationen aus erster Hand zu vermitteln. Unterrichtet werden die Medianet-Studenten deshalb von erfahrenen und vor allem aktiven Journalisten, die aus der eigenen Praxis berichten. Redakteure der BBC gehören ebenso zu den Dozenten wie freie Journalisten aus Deutschland oder Russland, fest angestellte Redakteure der kasachstanischen Zeitung „Panorama“ oder des Magazins „Kontinent“ geben den Medianet-Studenten konkrete Tipps, worauf die eigenen Redaktionen Wert legen.

Die Kurse bei Medianet dauern vier Monate, ein bis zwei mal kommen die Studenten in der Woche vorbei. Das sei zwar kurz, gibt Jalilow zu, und man könne noch darüber streiten, ob es bei dieser Länge bleibe, dennoch verspricht er sich von dem intensiven Training, dass die Teilnehmer im Anschluss an ihre Wunschredaktionen vermittelt werden können. Den Studenten einen Arbeitsplatz in einer Redaktion zu vermitteln, ist erklärtes Ziel des Projekts.

Der erste „Jahrgang“ von Medianet, etwa 40 Studenten, hat im Februar 2005 mit dem Unterricht begonnen. Offen sind die Kurse für Schüler von 14 Jahren an bis hin zu jungen Journalisten, die bereits Berufserfahrung aufweisen. Um den unterschiedlichen Ansprüchen gerecht zu werden, gibt es zur Zeit zwei Klassen, eine für Anfänger, meist noch Schüler, und eine für Fortgeschrittene, in denen Journalistik-Studenten neben Berufsanfängern sitzen. In den ersten beiden Monaten geht es um die Grundlagen des Journalismus. Stilmittel wie Reportage, Bericht oder Nachricht stehen ebenso auf dem Programm wie beispielsweise die Spezialisierungen Wissenschafts- oder PR-Journalismus.

Einmal in der Woche kommen die Jung-Journalisten ins Büro von Medianet und funktionieren es wahlweise zum Klassenzimmer, Fernsehstudio oder zur Zeitungsredaktion um. Hier treffen sie Gastdozenten, die zu einem bestimmten Thema referieren, oder üben mit den Stamm-Trainern von Medianet Interviewtechniken, Zeitungs-Layout oder Programmplanung.

Bei der Auswahl der Trainer setzt Jalilow auf Ausgewogenheit. Mit der 30-jährigen Saltanat Schundibajewa seien beispielsweise gleichzeitig „Frauen“-Themen und TV-Journalismus abgedeckt, der 24-jährige Jerkin Uderbai ist für Print-Journalismus zuständig und nebenbei „Jugendlicher“ und „echter“ Kasache im Boot, Pawel Grudnizki, ein Selfmade-Mann im Fernsehgeschäft, steht wie auch Jalilow für den in Kasachstan noch weitgehend unbekannten freien Journalismus.

Jalilow ist oft erstaunt, wie professionell die Arbeit der Studenten schon ist, wenn sie mit Mikrofon und Aufnahmegerät im Stadtviertel ausschwärmen, um eine Radiosendung zu produzieren, oder mit zwei fiktiven Zeitungen gegeneinander antreten, um im Nachhinein die Qualität ihrer Print-Erzeugnisse zu analysieren.

Professionelles Equipment steht den Studenten dabei meist nicht zur Verfügung. Die „Zeitungen“ werden per Hand geschrieben, und nur mit viel Glück könne man sich hin und wieder eine Kamera organisieren, so Jalilow. Er setzt darauf, dass sich auch weiterhin Geldgeber für das Projekt finden. Bisher lebt man von Zuschüssen der amerikanischen Soros- oder der deutschen Friedrich-Ebert-Stiftung. So lassen sich allerdings lediglich das Büro von Medianet, Miete, Computer und Telefonkosten finanzieren. Die Studenten kostet der Unterricht trotzdem nur 2.000 Tenge, etwa zwölf Euro im Monat, gerade genug, um die Unkosten für notwendiges Lehr-Material zu decken. Die Mitarbeiter von Medianet und auch die Dozenten arbeiten zum großen Teil ehrenamtlich – neben ihrem eigentlichen Beruf.

Doch die erfahrenen Journalisten aus Zeitungs,- Fernseh-, Radio- oder Online-Redaktionen sehen auch für sich einen Gewinn. Sie wollen aus den Medianet-Studenten fähigen Nachwuchs rekrutieren. Weil sie schlechte Erfahrungen mit Journalismus-Absolventen gemacht haben, die viel Geld verdienen wollen, aber häufig nicht einmal ein Interview führen können, engagieren sie sich für den Nachwuchs.

Die Studenten bei Medianet bekommen am Ende des viermonatigen Kurses keine Zensuren und kein Zeugnis, sondern ein Zertifikat. Voraussetzung dafür sind Empfehlungen von drei Stamm-Trainern. Wenn es nach Adil Jalilow geht, soll das Medianet-Zertifikat bald eine Art „Gütesiegel“ für junge Journalisten sein – und der Anfang einer erfolgreichen Karriere.

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