Deutsche Universitäten und ein deutscher Bildungsabschluss sind im allgemeinen in Kasachstan und unter den Studenten hoch angesehen. Was aber das deutsche Bildungssystem konkret ausmacht und welche Voraussetzungen für ein Studium in Deutschland nötig sind, davon ließen sich Studenten der Kasachischen Nationalen Universität Al-Farabi in Almaty berichten. Die meisten studierten bereits im 3. und 4. Studienjahr, aber auch Magistranten der Fakultät für Internationale Beziehungen interessierte das Thema.

Die Friedrich-Ebert-Stiftung Almaty lud im Rahmen ihrer politischen Arbeit und der Kooperation mit den Hochschulen am 4. November zu einem Vortrag und anschließender Diskussion mit der Politikwissenschaftlerin Nadine Arendt ein. Für die Studenten der „KasNU“ war der Unterricht jedoch mehr als reine politische Bildung: neben dem Informations- und Erfahrungsaustausch wurde über das eigene und das deutsche Hochschulsystem reflektiert.
So erfuhren die Studenten vom vierstufigen Ausbildungssystem in Deutschland, das in die Primar-, Sekundarstufe I und II sowie die akademische Ausbildung und den quartiären Bereich unterteilt ist. Ist das Bildungssystem in Kasachstan staatlich gesteuert, so wird die Zuständigkeit des Schul- und Hochschulwesens in Deutschland durch die Kulturhoheit der Länder geregelt, so Arendt. Eine weitere Besonderheit des deutschen Bildungssystems sei die Festlegung des weiteren schulischen Werdegangs eines Kindes schon in der Grundschule. Hier finde eine Leistungsbeurteilung und Selektion der Schüler durch die Lehrer statt, die in Deutschland kritisch diskutiert wird. Arendt ging in ihren Ausführungen auch auf die geschichtlichen Hintergründe ein und betonte, dass die Anfänge des deutschen Bildungswesens schon im frühen Mittelalter zu finden seien. Die erste deutsche Universität wurde bereits im Jahre 1386 in Heidelberg gegründet. Verwunderte Gesichter – denn hier in Almaty gilt die Al-Farabi-Universität mit 14.000 Studenten als größte und älteste Hochschule Kasachstans. Als Kirow-Universität wurde sie 1934 in der damaligen Kasachischen Sowjetrepublik auf der Grundlage eines pädagogischen Instituts gegründet.

Was kennzeichnet nun das deutsche Bildungssystem und die Hochschullandschaft?

In allen Bundesländern sind als Resultat des „Bologna-Prozesses“ europäisch vergleichbare Hochschulabschlüsse eingeführt worden. Ein Studium an deutschen und europäischen Universitäten orientiert sich an den Prinzipien der freien Bildung, Lehre und Forschung.
Ende der 90er Jahre und im Zuge der schlechten PISA-Ergebnisse wurde allerdings eine Reform des Bildungssystems immer notwendiger, führt Nadine Arendt aus.

Ein Meilenstein in der Hochschulreform war 1999 der sogenannte „Bologna-Prozess“: So werden politische Maßnahmen zur Schaffung eines einheitlichen Europäischen Hochschulraums bis zum Jahr 2010 bezeichnet. Diese rechtlich unverbindliche Absprache wurde von 29 europäischen Bildungsministerien unterzeichnet; Hauptziel aller Unterzeichner war die Einführung international einheitlicher Hochschulabschlüsse und die Umstellung der Diplom- und Magisterstudiengänge auf Master und Bachelor. Auch Kasachstan fühlt sich dem Ziel des Bologna-Abkommen verbunden und bietet an der DKU (Deutsch-Kasachischen Universität) einen deutsch-kasachischen international anerkannten Doppelabschluss an.

Das Thema Studiengebühren versetzte viele Studenten der KasNU in Erstaunen: „In Halle gibt es bis heute noch keine Studiengebühren“, erklärte Nadine Arendt, die selbst an der Martin-Luther-Universität Halle (MLU) studierte. Mit Ausnahme des Semesterbeitrages, der an vielen Hochschulen anfällt, orientieren sich staatliche Hochschuleinrichtungen am UN-Sozialpakt (oder IPwskR, Art.13), der Hochschulunterricht ohne Gebühren für jedermann zugängig macht und damit dem kulturellen Menschenrecht auf Bildung entgegenkommt. Wie lange staatliche Hochschulbildung in Deutschland noch unentgeltlich bleibt, ist wahrscheinlich nur eine Frage der Zeit. Bereits in den neunziger Jahren wurde an vielen Universitäten gegen die Einführung von Studiengebühren protestiert.

Vor allem Universitäten in Westdeutschland erheben mittlerweile vermehrt Studiengebühren. Ostdeutsche Universitäten dagegen verzichten meist auf Gebühren, so dass sie für Studienbewerber eine echte Alternative darstellen. Die Universitäten in Ostdeutschland werden für viele junge Menschen aus ganz Deutschland immer attraktiver. Aufgrund der oft sehr modernen Studiengänge und der beschaulichen Universitätsatmosphäre in den kleinen Hochschulen entscheiden sich viele für ein Studium im Osten, fernab der Massen-Universitäten in Berlin, München, Hamburg.

Studiengebühren müssen ausländische Studenten also nicht zahlen, aber sehr gute Kenntnisse der deutschen Sprache sind für ein Studium in Deutschland eine Grundvoraussetzung. So bieten Deutschmittler wie das Goethe-Institut oder auch DSD- und PASCH-Schulen (Deutsches Sprachdiplom und Initiative-Schulen: Partner der Zukunft) qualitativ hochwertige Sprachkurse auf allen Sprachniveaus an.

In Sachen Studiengebühren…

Die MLU bietet potentiellen Studierenden ein attraktives und breit gefächertes Angebot an Studiengängen. Am renommierten Orientalistischen Institut der Universität werden zentralasiatische Studien angeboten, was insbesondere für russischsprachige Bewerber und Studenten aus Kasachstan interessant ist. Aber auch Islamwissenschaften und Arabistik werden am Orientalistik-Institut gelehrt.

Die Frage nach der Einbindung der Studenten in universitäre Vereinigungen und Studentengruppen an den Hochschulen Kasachstans regte zur weiteren Diskussion an: Es gäbe durchaus eine Selbstverwaltung der Studenten an allen Fakultäten, das sogenannte „Maslichat“ der Studenten. Arendt betonte, dass eine aktive Beteiligung der Studenten an der Hochschulpolitik in Deutschland und eine kritische Grundhaltung sehr erwünscht sei.

Studiengänge wie die Politikwissenschaften an der MLU sind aufgrund ihrer Praxisorientierung und Berufsperspektiven unter den Studenten sehr beliebt. Im Rahmen eines Masterprogramms wurde an der politikwissenschaftlichen Fakultät der Studiengang „Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft“ eingeführt. Warum sich die Lehre an der MLU nicht auf die klassische Politikwissenschaft konzentriere? Mit dem Forschungsgebiet „Parlamentsfragen und Zivilgesellschaft“ möchte man, so Arendt, Antworten auf moderne Probleme in der Politik finden, die das gesamte Spektrum des Parlamentarismus betreffen. Dies könne die klassische Politikwissenschaft nicht mehr in vollem Umfang leisten. So habe bsp. die Entwicklung der Parteien in Deutschland in den letzten drei Jahrzehnten kontinuierlich abgenommen, was an der Wahlbeteiligung und an den Wahlergebnissen aller Parteien zu erkennen sei.

„Politik des Aktivbürgers“

Nadine Arendt erklärte, dass es eine Akzentverschiebung innerhalb der Bevölkerung gegeben hat: die Bevölkerung an sich sei ja nicht unpolitisch geworden, sondern engagiere sich weniger in Parteiverbänden und viel mehr in eigenen autonomen Bewegungen und Bürgerinitiativen. Dieses Phänomen der Herausbildung von alternativen Formen der Politik sei laut Arendt in den letzten Jahren immer stärker zu beobachten. Auf konkrete Fragen aus der Energie- oder Umweltpolitik fordert die Bevölkerung heutzutage klare Antworten: Themen mit Nachhaltigkeit und Betroffenheitscharakter, wie der Atomausstieg und die Energiewende, interessieren die Bevölkerung eben mehr als große Parteiprogramme, hebt Arendt hervor.
In Europa spreche man daher vom freiwilligen bürgerschaftlichen Engagement und von der Politik des Aktivbürgers, der sich ad hoc für eine Sache engagieren will.

In Kasachstan orientiert man sich derzeit am Vorbild westlicher Demokratien und dem Parlamentarismus in Deutschland, so die Antwort der Dozenten und Studenten.
Kasachstan sei ein Land auf dem Weg, entwickelt sich aber gerade in der Wirtschaft sehr dynamisch. In dem jungen Staat, der im Dezember dieses Jahres sein 20-jähriges Unabhängigkeitsjubiläum feiert, gibt es auf jeden Fall viele junge motivierte und engagierte Studenten, junge Menschen, die durch ihre Erfahrungen während eines Auslandsstudiums in Deutschland die Entwicklung ihres Landes mitgestalten wollen.

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Was meinen Sie dazu? DAZ befragte Studenten, was ein Studium in Deutschland für sie so attraktiv macht. 

Nursultan, 3. Studienjahr:

„Ob ich es mir überhaupt vorstellen kann, in Deutschland zu studieren? Ja, natürlich, wobei die deutschen Sprachkenntnisse sicherlich eine große Rolle spielen. Ich habe bereits von vielen Studienangeboten und Möglichkeiten gehört. Der große Vorteil ist, dass man an den staatlichen Universitäten keine Studiengebühren zahlen muss. Man kann beruhigt seinen Studien nachgehen und muss nicht noch extra nebenbei Geld verdienen. Aber was wirklich zählt, ist die Erfahrung und der Austausch!“

Sabina, 1. Studienjahr Magistratur:

Ein Studium in Deutschland bedeutet für mich zunächst interkulturellen Austausch. Außerdem fördert das deutsche Bildungssystem den Individualismus und die Eigenständigkeit im Menschen. Man kann sich die Disziplinen im Studium selbst zusammenstellen und auswählen, das alles wirkt sich positiv auf das freie Denken und die Unabhängigkeit aus. Das ist natürlich der große Vorteil eines Hochschulstudiums in Deutschland.“

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Weitere Informationen: www.uni-halle.de; www.daad.de; www.wikipedia.org

Von Malina Weindl

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