Die beiden kasachischen Wissenschaftler Valentina Kurganskaja und Anatoly Kossitschenko untersuchten fünf Jahre lang den Islam im Süden Kasachstans. Ihre Ergebnisse haben sie in einer Forschungsarbeit zusammengefasst. Am vergangenen Freitag wurde diese im Deutschen Haus vorgestellt.

Rund 20 Menschen sitzen an einem u-förmigen Tisch im Konferenzsaal der Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) in den Räumen des Deutschen Hauses in Almaty. Zwischen Universitätsdozenten und Journalisten sitzt ein katholischer Geistlicher, der mitfühlend zu seinem Nachbarn schaut, einem dick eingepackten Imam, denn ihm tropft der Schweiß von der Stirn.

Die Jalousien sind zugezogen, die Fenster geöffnet, es ist ein warmer Freitag Nachmittag.

An der Stirnseite der Runde sitzen die beiden Politologen Valentina Kurganskaja und Antaloty Kossitschenko und präsentieren ihren wissenschaftlichen Forschungsbericht zum Thema „Islam und islamische Führer in Südkasachstan“. Über fünf Jahre hinweg besuchten sie Moscheen und sprachen mit Jugendlichen, Studenten und hohen Geistlichen in dieser Region. „Wir haben vier Themenkomplexe untersucht: wie die hohen geistlichen Imame zu der GVMK (Geistliche Versammlung der Muslime Kasachstans) stehen, ob extremistische Entwicklungen zu beobachten sind, die religiöse Ausbildung der Menschen im Allgemeinen und wie es um deren Verhältnis zum Staat steht“, erklärt Kurganskaja.

Auf den 60 farbig gestalteten Seiten des Forschungsberichtes wird über die Situation des Islams im Süden des Landes aufgeklärt. Eine beunruhigende extreme Entwicklung ist nicht erkennbar. „Tendenziell bezeichnen sich mehr Menschen als noch vor sieben Jahren als religiös, ihr theologisches Wissen zeigt jedoch eine gewisse Oberflächlichkeit auf.“ sagt Kossitschenko.

Außerdem gebe es deutliche Unterschiede zwischen Imamen, die im arabischen Ausland ausgebildet wurden, und denen, die ihre Ausbildung in Kasachstan absolvierten. Die kasachischen Imame zeigten sich gemäßigter, wobei dies nicht bedeute, das die im Ausland ausgebildeten Imame damit „extrem“ seien.

FES sieht sich als Moderator

Die Friedrich-Ebert-Stiftung (FES) unterstützte die Wissenschaftler bei ihrer Arbeit und bei der Präsentation ihres Berichtes. Der Projektkoordinator der FES für Zentralasien, Reinhard Krumm, beschreibt die Rolle der Stiftung „als die eines Moderators, der den Dialog beider Seiten fördert. Wir sehen unsere Aufgabe nicht darin, den „richtigen Islam“ zu propagieren, das wollen und können wir nicht. Es geht uns vielmehr darum, eine Plattform zum Austausch und zur Zusammenarbeit zu bieten“, so Krumm. Er betont die Wichtigkeit solcher Untersuchungen und Publikationen: „Dieser Dialog ist von großem Interesse nicht nur für Kasachstan und dessen umliegende Länder, sondern auch für Europa und die gesamte Welt.“
Elvira Pak, die Leiterin des FES-Büros in Almaty, fasst die Forderungen der Wissenschaftler zusammen: „Es geht vor allem darum, aufzuklären und mit falschen Vorurteilen aufzuräumen. Kossitschenko und Kurganskaja fordern deshalb einen umfassenden Religionskundeunterricht an Schulen und Universitäten, wobei dieser alle Weltreligionen beinhalten sollte – objektiv und kritisch, ohne einer bestimmten Tendenz zu folgen.“ Ein Antrag dafür liegt dem hiesigen Parlament vor, die ersten Reaktionen sind jedoch nicht.

Von Natascha Heinrich

07/04/06

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