Jeden Monat wird im Kinderheim in Talgar ein Fest gefeiert. Alle Kinder, die in dem ehemaligen Pionierlager leben feiern ihren Geburtstag immer am letzten Wochenende im Monat. Kürzlich mit Besuch aus Deutschland.

Die Sonne scheint. Es ist ein heißer Sommertag und Ende des Monats. Bunte Girlanden schmücken heute den Hof vor der Kantine. Auf ihnen steht „Happy Birthday“. Es ist der letzte Samstag im Monat, und alle Kinder, die hier leben wissen: Heute wird gefeiert – nämlich alle Geburtstage des Monats. Acht Kinder sind im Juni ein Jahr älter geworden. Sie leben zusammen mit 57 weiteren Kindern und Jugendlichen auf dem Gelände des ehemaligen Pionierlagers in Talgar, wo der gemeinnützige Verein „Kowtscheg“ (Arche) seit 14 Jahren ein Kinderheim für Waisen und behinderte Kinder betreibt.

Festmal für die Kinder vorbereitet

Den Bewohnern der “Arche” ist anzusehen, dass sie gut aufgehoben sind. | Bild: Manuel Seifen

Dieses allmonatliche Geburtstagsfest verläuft dieses Mal etwas anders als gewöhnlich, denn es sind Gäste aus Deutschland gekommen. Sie haben den Kindern Süßigkeiten und ein großes Festessen mitgebracht. Einer der Besucher ist Manuel Seifen. Er arbeitet im Generalkonsulat Almaty und ist auf die Idee gekommen, zusammen mit seiner zukünftigen Frau und ein paar Gästen das Kinderheim zu besuchen.

Im Speiseraum haben sich alle versammelt, um die Geburtstagskinder zu feiern. In der Zwischenzeit haben Manuel Seifert und seine Gäste das Festmahl für die Kinder bereitet. Nun stehen dort auf vier großen Tischen verteilt große Schüsseln mit frisch gebratenem Schaschlik, Salaten, sogar Lasagne gibt es.

Er beobachtet, wie sich die Kinder an der großen Tafel bedienen. Die Älteren stehen sogar hinter dem Büffet und machen den Jüngeren die Teller voll. Die Geburtstags-party ist auf ihrem Höhepunkt.

Den Kindern geht es gut. Sie lachen und toben durch den Speisesaal. Einige von ihnen sitzen im Rollstuhl und beobachten das bunte Treiben. Das ist vor allem dem Engagement von Guido Trezzani zu verdanken. Der Italiener lebt bereits seit 1996 in Kasachstan und engagiert sich für Waisenkinder und Kinder mit Behinderungen. Damals hat er angefangen, in einer Gruppe für freiwillige Sozialarbeiter aus Italien zu arbeiten, die nach Kasachstan gekommen sind, um in den staatlichen Kinderheimen zu arbeiten.

Aus Pionierlager wurde Kinderheim

„Daraus ist die Idee entstanden, ein eigenes Kinderheim zu eröffnen“, erinnert sich Trezzani. Damals hat er mit einer Gruppe Freiwilliger den Verein „Kowtscheg“ gegründet. In einem Haus in Almaty haben die Sozialarbeiter Kinder aufgenommen und die Zusammenarbeit mit den örtlichen Kinderheimen fortgeführt. Das Haus wurde bald zu klein. Im Jahr 2000 nutzte der Verein „Kowtscheg“ die Gelegenheit und erwarb das Territorium eines ehemaligen Pionierlagers in Talgar.

„Das Gelände hier war schon elf Jahre verlassen. Wir haben es gekauft und angefangen, die Gebäude zu renovieren. Hier war praktisch nichts mehr erhalten geblieben. Die letzte Saison, in denen Kinder hier Urlaub gemacht haben, war im Sommer 1989. Danach haben die Leute hier alles mitgenommen, was nicht niet– und nagelfest war. Es sind nur die Fundamente der Gebäude übrig geblieben. Alles musste neu aufgebaut werden“, so Trezzani.

Heute sitzt Wolodymyr im Rosengarten vor den Wohngebäuden. Er ist 37 Jahre alt und wohnt eigentlich in einem Heim für erwachsene Behinderte. Doch er kommt immer an den Wochenenden wieder nach Talgar zurück, weil es ihm hier so gut gefällt.

„Oft bringt uns die Polizei Kinder, manchmal sind es aber auch die Eltern“, weiß Trezzani. Die Schicksale sind verschieden. Im Kinderheim versuchen 30 Mitarbeiter den Kindern das Leben zu erleichtern. Neben den ständigen Erziehern kommen auch Lehrer, die den Kindern zum Beispiel Englisch und Kasachisch beibringen. Die meisten von Ihnen kommen aus nicht kasachischen Familien. „Das mag an den unterschiedlichen Traditionen liegen. In kasachischen Familien gibt es möglicherweise einen größeren Zusammenhalt zwischen den Generationen“, vermutet Manuel Seifen.

Für die Kinder gab es ein großes Geburstagsfestmahl. | Bild: Manuel Seifen

Perspektiven auf einen Arbeitsplatz

Das Besondere an dem Kinderheim „Kowtscheg“ ist, dass hier auch Kinder und Jugendliche mit Behinderung leben. Sie haben hier die Möglichkeit, in den Werkstätten zu arbeiten. Auf dem Gelände gibt es eine Näh-, Keramik– und Holzwerkstatt. In der Nähwerkstatt werden zum Beispiel Bettdecken genäht.

Derzeit wohnen 65 Kinder– und Jugendliche auf dem Gelände des ehemaligen Pionierlagers. Die jüngsten sind zwei Jahre alt, die ältesten Bewohner 37 Jahre alt. Sie sind aufgeteilt in drei Wohnhäusern. Ein viertes Wohnhaus wird gerade renoviert. Dort sollen zwei Familien mit ihren Kindern einziehen, die sich auch um die Heimkinder kümmern.

Die meisten gehen in die örtliche Schule. „Wir versuchen die Kinder vorzubereiten auf das Berufsleben. Seit Juni können fünf Jugendliche nach Almaty fahren, um ein Praktikum zu machen. Sie sind 18-19 Jahre alt. Da sind die Perspektiven nicht schlecht, dass sie einen Arbeitsplatz finden“, sagt Guido Trezzani.

Der Verein „Kowtscheg“ kann sich mit Hilfe des eigenen Viehs und einem Stück Land zum Teil selbst versorgen. Alles, was die Erzieher den Kindern bieten können, vom Essen über Kleidung bis hin zur Unterkunft sind das Ergebnis eines langjährigen Engagements. „Wir haben Freunde und private Sponsoren, darunter auch Einheimische, ohne die wir nicht überleben können“, verrät Guido Trezzani. Er versteht es Spenden und Materialien für das Kinderheim zu organisieren. Darauf ist er stolz und führt seine Gäste über das Gelände. Das Herzstück des Kinderheims ist das Zahnarztkabinett. Hier werden die Kinder einmal im Jahr von jungen Zahnärzten aus Italien, die als Freiwillige nach Kasachstan kommen, untersucht. Ebenso kommen junge Physiotherapeuten, die sich um die behinderten Kinder kümmern. Dafür gibt es extra einen Sportsaal.

Fröhliche Kinder

Die Kinder haben gegessen und gute Laune. Nun dürfen sie spielen. Vor den Wohnhäusern haben die Erzieherinnen Planschbecken aufgestellt. Jemand sagt, dass es gerade in Almaty 40 Grad heiß wäre. Die Kinder toben im kühlen Wasser, den Erzieherinnen macht es Spaß ihnen dabei zuzusehen. So genießen alle das Geburtstagsfest am Ende des Monats.

Kinderheimleiter Guido Trezzani freut sich jeden Monat über die ausgelassene Stimmung und die lachenden Kinder. Doch manchmal kann er die gute Laune um ihn herum nicht ganz genießen, denn sie wird überschattet von den alltäglichen Sorgen. Denn das Ende des Monats bedeutet nicht nur, dass die Geburtstage der Kinder gefeiert werden, sondern auch, dass alle laufenden Rechnungen beglichen werden müssen.

Da der Verein „Kowtscheg“ kämpft jeden Monat damit, die anfallenden Nebenkosten zu bezahlen. Besonders die Heizkosten sind hoch. „Wir werden von Seiten der Verwaltung als juristisches Unternehmen angesehen, das Gewinne erwirtschaftet. Eigentlich sind wir eine Nicht– Regierungsorganisation und sollten auch Vergünstigungen bekommen. Dies ist aber leider nicht der Fall“, bedauert Trezzani. Er weiß, dass der Verein Geld sparen könnte, wenn die Unterkünfte an das Gassystem angeschlossen würden. Dies koste allerdings pro Gebäude eine halbe Millionen Tenge. Geld, das der Verein nicht aufbringen kann.

Von Dominik Vorhölter

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