Am 10. Dezember wird in der norwegischen Hauptstadt Oslo der Friedensnobelpreis an die Europäische Union (EU) verliehen. Ilja Sokolow aus Kasachstan, der in Wuppertal Europäistik studiert, hat sich Gedanken über den Weg der Staatengemeinschaft gemacht.

Früher war das Wort „Europa“ mit dem Wort „Krieg“ verbunden. Diese Krise Europas haben die Europäer gemeinsam in den vergangenen 50 Jahren größtenteils überwunden. Von der Friedensgemeinschaft sind die europäischen Staaten zur Wirtschaftsgemeinschaft und mit Maastricht zur Liberalisierungsgemeinschaft geworden. Mit Lissabon zur Solidaritätsgemeinschaft.

Europa hat im vergangenen Jahrhundert eine Transformation in eine Gemeinschaft durchgemacht, in der im Konsens entschieden wird. Dies geschah aus europäischer Erfahrung heraus und nach dem Vorbild der politischen Webbereiter Europas: dem französischen Politik- und Wirtschaftsberater Jean Monnet, dem französischen Außenminister Robert Schumann, dem ersten Bundeskanzler Konrad Adenauer, dem ersten Präsident der Kommission der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft Walter Hallstein, dem italienischen Premierminister und Außenminister Alcide De Gasperi, dem belgischen Außenminister und Premierminister Paul-Henri Spaak und dem britischen Premierminister Winston Churchill, die am Anfang dieses langen Wegs zu einem einheitlichen Europa standen. Im Laufe dieses Wegs haben sie trotz unterschiedlicher Krisen und unabhängig von ihren eigenen nationalen Sprachen, Kulturen und Weltvisionen ein einheitliches europäisches Bewusstsein entwickelt, mit dem sie diese Krisen gelöst haben.

Alle Krisen Europas lassen sich als Vertrauenskrisen definieren, und der Weg zum gegenseitigen Vertrauen, zum Vertrauen zu Europa ist noch nicht zu Ende beschritten. Hoffentlich bewältigen die Europäer nach dem Vorbild der Gründerväter der EU auch die neue Vertrauenskrise und biegen nicht von dem eingeschlagenen Weg ab. Sie dürfen nicht ausweichen und sich von kurzfristigen Interessenserwägungen in die für Europa falsche Richtung drängen lassen. Niemand hat gesagt, dass der eingeschlagene Weg des Vertrauens leicht sein wird, aber die Europäer haben entschieden, ihn allen Krisen zum Trotz zu gehen. Da sie diesen schwierigen und langsamen Weg gewählt haben, müssen sie weitere Maßnahmen unternehmen, besonders in Krisenzeiten, weil das Projekt „Europa“ und der Weg zu Europa noch nicht vollendet ist.

Dass Europa in eine neue Vertrauenskrise geraten konnte, beruht auf dem immer noch existierenden Nationaldenken der Politiker, obwohl zwei Drittel der Europäer trotz aller Unterschiede für ihr gemeinsames Europa sind. Die Finanzkrise stellt Europa vor neue Herausforderungen. Heute stellt sich die Frage, ob die Europäer zu einer neuen, qualitativ besseren Gemeinschaft, zu einer einigen Austeritätsgemeinschaft, zu einem neuen Europa werden wollen. Gleichzeitig steht der Kontinent vor der aktuellen Frage, ob die Europäer die bisherigen Verhältnisse konservieren oder ihr Europa weiterentwickeln und zu einem neuen Europa werden wollen.

Von Ilja Sokolow

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