Menschliches Handeln ist von Irrationalität, Unvernunft und Gier geprägt. Nach Ansicht von Kolumnist Bodo Lochmann wird dieses Phänomen besonders in Krisenzeiten immer wieder deutlich.

Die größte und wichtigste Zentralbank dieser Welt, die US-amerikanische Fed, begeht in diesem Jahr ihren 100. Geburtstag. Die Abkürzung „Fed“ steht dabei für „Federal Reserve System“, was eine spezifische Benennung für eine Notenbank ist. Die Fed gehört zu den eher jungen Zentralbanken, allerdings hatte sie einige Vorgänger, so dass ihre Geschichte länger ist als die 100 Jahre, die nun begangen werden. Entstanden ist die Fed im Ergebnis einer schlimmen Finanzkrise zu Ende des 19. Jahrhunderts, die von Bankenzusammenbrüchen und mehrfachen starken Geldsystemschwankungen gekennzeichnet war. In der Krise war keine letzte Instanz der Bankenrettung, also kein Reservesystem, vorhanden, was die Krise schlimme Ausmaße annehmen ließ.

Die Fed ist zwar von ihren Aufgaben her eine klassische Zentralbank, nicht jedoch von ihrer Eignerstruktur. Mehrere tausend Geschäftsbanken der USA „leisten“ sich ihr zentrales Reservesystem, das gleichwohl versucht, gesamtwirtschaftliche, also über den engeren Geldsektor hinausgehende Aufgaben zu realisieren.

Als die Fed gegründet wurde, bekam sie die Aufgabe, „eine elastische Geldversorgung“ sicherzustellen, also die Liquidität der Geschäftsbanken zu sichern und die Bankenaufsicht wahrzunehmen. Dieser Aufgabenstellung lagen die bitteren Erfahrungen der Finanzkrise zugrunde: Infolge des Fehlens eines Reservesystems konnte ihr nichts Ernsthaftes entgegengestellt werden. Erst später hat sich die amerikanische Zentralbank der Standardaufgabe von Nationalbanken – der Optimierung des Inflationsniveaus – angenommen. Zusätzlich soll sich jedoch im Unterschied zu den meisten Zentralbanken der anderen Länder die Fed auch noch der Verringerung der Arbeitslosigkeit widmen, sprich die Wirtschaftskonjunktur durch Steuerung der Kreditvergabe kontrollieren. Die Inflation ist im Moment in den USA kein ernsthaftes Problem, so dass sich, bedingt durch die Subprime-Finanzkrise 2007 – 2009, die Fed wieder dem Ziel widmen muss und kann, für dessen Lösung sie eigentlich einmal gegründet worden war, nämlich die Sicherung des Finanzsystems.

Bisher scheint das zu funktionieren. Die enorme Geldmenge, die die Fed losgelöst von den realwirtschaftlichen Istdaten in Umlauf gebracht hat und noch weiter bringt, scheint das Bankensystem und die Finanzmärkte stabilisiert zu haben, ohne eine Inflationssteigerung bewirkt zu haben. Die Kunst wird für die Fed darin bestehen, den Hahn des sprudelnden billigen Geldes so langsam und rechtzeitig zuzudrehen, dass die Realwirtschaft in ihrer Entwicklung nicht beeinträchtigt wird. Das wird schon ein Kunststück werden, auf das sowohl Fans, als auch Kritiker der Fed warten. Schließlich hat die Fed einen erheblichen Teil Schuld mit daran, dass es seinerzeit zur großen Weltwirtschaftskrise (1929 – 1933) in der Tiefe und Länge kommen konnte, die wir aus den Geschichtsbüchern kennen. Damals tat die Fed anfangs nichts, um die Spekulationsprozesse einzudämmen, die von einer ungezügelten Kreditvergabe des Bankensektors an den Nichtbankensektor ausging. Als es dann zum Crash, also dem Platzen der Spekulationsblasen kam, tat sie viel zu wenig, um den Schaden zu begrenzen. Das ist zwar immer leicht gesagt, aber schwer getan, schließlich kann niemand den Verlauf solcher Krisenprozesse vorhersehen. Dennoch bleibt die Erkenntnis aus der Geschichte der Krise der 1930er Jahre, dass das bewusst billig gehaltene Geld in Investitionen und nicht vordergründig in Konsumtion und Spekulation fließen sollte. Die Steuerung des als richtig eingestuften Geldflusses ist zwar nicht einfach, keinesfalls kann diese Steuerung jedoch allein den Marktprozessen überlassen werden. Schließlich entstehen solche Spekulationsblasen nicht im Ergebnis eines unvermeidbaren Naturprozesses, sondern im Resultat menschlichen Handelns, das sehr leicht Irrationalität, Unvernunft und Gier einschließt. Die Finanzkrisen vieler Länder, einschließlich Kasachstans, beweisen das stets aus Neue. Zwar sollte man meinen, dass die historische Erfahrung klüger macht, es scheint jedoch eher so, dass jede Generation ihre eigenen negativen Erfahrungen sammeln muss, um dann wenigstens eine Zeitlang eine vernünftigere Entwicklung hinzukriegen. Irgendwann sind immer die negativen Erfahrungen von gestern vergessen, die Analysen des Geschehenen abstrakt geworden und die Lehrbücher der Wirtschaftsgeschichte verstaubt.

Bodo Lochmann

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