Rund drei Busstunden von Almaty öffnet sich plötzlich die friedliche Steppenlandschaft: Es geht mehrere hundert Meter hinab in den Scharyn-Canyon. Die Hexenschlucht oder das sogenannte Tal der Schlösser ist eine der exotischsten Ausflugsziele rund um Almaty. Mamorierte Steinsäulen, versteckte Höhlen und Abhänge, an denen weiße Graffiti von dem Mut der Bergkletterer zeugen: Das Tal um den Fluss Scharyn braucht den Vergleich mit seinem großem Bruder, dem Grand Canyon in Arizona, nicht scheuen. Wladimir Petrowitsch, 54, arbeitet seit mehr als 40 Jahren nach Abschluss seines Studiums der Bergbauwissenschaften im Sporttourismus als Bergretter und Bergführer. Im Gespräch mit der DAZ berichtet er über die Naturschönheiten des Scharyn-Canyons, seine eindrucksvollsten Bergtouren und spektakulärsten Rettungsaktionen.

/Bild: Christine Karmann. ‚Bergführer Wladimir Petrowitsch vor den Felsen des Scharyn-Tals.’/

Was ist für Sie das Besondere am Scharyn-Canyon?

Die einzigartige Felsenlandschaft, die durch Regen und Wind vor Millionen von Jahren geschaffen wurde. Das Scharyn-Tal eröffnet dem Besucher eine wilde Naturlandschaft. Hier leben Wölfe, Bergziegen und Springmäuse. Übersetzt aus dem Kasachischen bedeutet Scharyn Esche. Eine seltene Eschenart, die früher auf der Erdkugel verbreitet war, hat sich in dieser Anzahl nur in Kasachstan und Nordamerika erhalten.

Warum war das Scharyn-Tal früher auch als Todeszone bekannt?

Die Nomaden waren immer auf der Suche nach Weideplätzen für ihre Tiere. Im Canyon wuchs kein Gras. Die Schönheit der Natur konnte die Menschen nicht ernähren. Erst in den 60er Jahren des 20. Jahrhunderts wurde das Tal wiederentdeckt. Lange war es jedoch als Sperrgebiet geschlossen. Die Grenze zu China ist nicht weit. Erst seit 1993/94 organisieren wir Touren zu dem Canyon.

Welcher Platz im Canyon ist für Sie der schönste?

Das eigentliche Flusstal. Hier kann man angeln, picknicken und sich erholen. Der Herbst ist eigentlich die beste Zeit, um den Canyon zu besuchen. Im Sommer ist es hier kochend heiß, und im Frühjahr schwirren alle Arten von Insekten um den Fluss.

Winnie Puh, Pinguin oder Schmetterling: Haben Sie auch einen Liebligsfelsen?

Ich weiß nicht, mit Fantasie kann man in jedem Felsen etwas erkennen.

Kommt es in der Gegend auch zu Unfällen?

Ja, der Scharyn ist kein kleines Flüsschen.Erst diesen Sommer ist ein Raftingfloss mit Touristen gekentert. Eine Französin ist in den reißenden Fluten ertrunken. Sie wurde erst 60 Kilometer weiter gefunden.

Welches war Ihre spektakulärste Rettungsaktion?

Vor sieben Jahren ist ein kleiner Junge bei der Rückkehr aus dem Canyon verloren gegangen. Er hatte sich hinter einem Felsen versteckt und ist dann in die falsche Richtung gelaufen. Eine Woche haben wir ihn gesucht, bis wir ihn heil gefunden haben. Er hatte sich von den roten Früchten der Berberitze ernährt. Sie sind sehr vitaminreich und schmecken leicht säuerlich. Dem 10-jährigen Jungen war nichts passiert. In der einen Woche ist er jedoch um ganze 18 cm gewachsen. Also, wenn Sie größer werden wollen, verstecken sie sich eine Woche lang im Scharyn-Canyon.

Welche Gipfel sind für Sie als erfahrenen Bergführer die schönsten in Kasachstan?

Wieso nur in Kasachstan, ich habe viele Touren gemacht. Am aufregendsten war es im Kaukasus, auch das Pamirgebirge und die Ausläufer des Tienshan bieten Raum für abwechslungsreiche Touren. In der Nähe von Almaty gefällt mir der Aufstieg zum großen Almatiner See am besten.

Das Gespräch führte Christine Karmann.

09/10/09

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