In letzter Zeit lerne ich vermehrt Schweizer kennen, die allesamt sehr nett und interessant sind. Da ich ca. 40 Jahre lang kaum Schweizer kennen gelernt habe, jedenfalls blieben sie nicht in meinem Leben hängen, frage ich mich, wo die plötzliche Häufung herkommt.

In meinem Leben hatte ich bereits zwei kulturelle Akkumulationen, deren Ursache jedoch absolut nachvollziehbar ist. Durch meine Tätigkeit im Zentrum für Türkeistudien und meine Reisen nach Russland habe ich zwangsläufig viele türkische und russische Menschen kennen gelernt. Weitere Länder haben sich mir bislang nicht aufgedrängt. Das heißt, natürlich kenne ich Menschen aus zig Ländern, aber es sind einzelne Exemplare und Ländervertreter, nennenswerte Häufungen haben sich nicht wieder ergeben. Ja, und nun habe ich innerhalb weniger Wochen schon drei Schweizer kennen gelernt, mit denen ich gerne den Kontakt aufrechterhalten möchte. Prozentual gesehen, ist das relativ viel. Wo kommen sie also plötzlich her, diese Schweizer? Gehen wir der Sache mal auf den Grund.

Die Begegnungen vollzogen sich stets in der persönlichen und beruflichen Weiterbildung im Beratungskontext, die in meiner Heimatstadt stattfanden. Aha! Der Schweizer an sich bildet sich also gerne fort. Entweder es gibt in der Schweiz nicht so viele oder so günstige oder so gute Fortbildungsangebote, und darum bildet sich der Schweizer an sich in Deutschland fort. Darum ist ihr Anteil in den Weiterbildungen so hoch, dass die Wahrscheinlichkeit, sie kennen zu lernen, relativ hoch ist, so dass es kein Zufall oder Schicksal, sondern schlicht dem Dreisatz geschuldet ist. Oder aber die Schweizer waren schon immer da, wo ich auch war, nur habe ich sie bislang nie wahrgenommen, weil ich anders genordet war. Und nun trete ich in eine neue gesellschaftskommunikative Phase, in der der Schweizer an sich in seiner Wesensart besser als andere Kulturvertreter zu meinem Interaktionsgebaren passt, und mein Unterbewusstsein führt mich direkt zu ihnen hin, den Schweizern.

Aber was genau zieht mich so magnetisch an, was der Schweizer an sich, in sich hat und auch ausstrahlt? Der Schweizer, wie ich ihn kennen gelernt habe und wie es mir behagt, ist eine Mischung aus zurückhaltend aber trotzdem offen, auf eine ironische und schelmische Weise humorvoll, kann locker daherplaudern, dabei aber trotzdem etwas aussagen, ist gegenüber dem gesellschaftlichen Allerlei alternativ-kritisch eingestellt, ohne verbittert oder verbrämt zu sein, ist direkt und ehrlich, dabei aber nicht verletzend. Entweder ich bin auch so oder ich bin noch nicht so, wäre aber gerne so oder ich bin anders und suche für die Kommunikation nach meinem Pendant.

In jedem Fall kam der Schweizer an sich gerade rechtzeitig als Retter in letzter Not in mein Leben: denn ich war drauf und dran, mich aus der zwischenmenschlichen Kommunikation zurückzuziehen, weil es mir darin zu laut, zu schnell, zu einseitig, zu wenig differenziert, nicht lustig genug zuging. Jetzt weiß ich: Es geht! Man kann sich mit anderen Leuten locker-leicht-lustig und zugleich informativ und tiefsinnig austauschen. Und wenn es dafür einen Schweizer braucht, soll mir das auch recht sein. Ich habe den Schweizer Interaktionsstil zwar nicht erfunden, aber entdeckt und so nehme ich mir das Recht heraus, ihm einen Namen zu verpassen. Ich werde ihn leider nicht nach mir benennen können, da es ja nicht mein Sprachstil ist, sondern er wird von nun ab „Schweizer Stil“ heißen.

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