Der kommende deutsche EU-Ratsvorsitz wird in der europäischen Presselandschaft unterschiedlich kommentiert. Während manche eine Führungsrolle der Bundesrepublik begrüßen, wird an anderer Stelle vor den Komplikationen der europäischen Einigung, zusätzlichen Erweiterungen und einem zweiten Anlauf zur europäischen Verfassung gewarnt.

LUXEMBURGER WORT
„Der kommende deutsche Ratsvorsitz der Europäischen Union will in Sachen Verfassung als ehrlicher Makler auftreten. Jedenfalls wird die deutsche Bundesregierung nicht müde, die Wiederbelebung der EU-Verfassung zu beschwören. Das wird nicht einfach sein, wenn man bedenkt, wie mühsam sich die 25 Staaten 2004 auf den Kompromiss einigten. Wie kann man den Niederländern und Franzosen entgegenkommen, die den Text in Volksabstimmungen ablehnten? Die Formel des Europaparlaments, keine neue Erweiterung ohne Reform, ist gut gemeint, aber wenig nützlich. Würden etwa Deutschland, Österreich und Slowenien die Kroaten im Regen stehen lassen, wenn es zum Schwur kommt? Die erweiterungssüchtigen Briten machen nicht einmal die Aufnahme der Türkei vom Inkrafttreten der Verfassung abhängig. Die Maklerrolle wird den Deutschen schwer fallen.”

TROUW (Den Haag, Niederlande)
„Die Staaten, die die EU-Verfassung bereits ratifiziert haben, finden, dass die EU nun lange genug durch die Nein-Stimmen von Frankreich und den Niederlanden als Geisel genommen worden ist. Sie haben Recht. Deutschland übernimmt am 1. Januar die EU- Präsidentschaft von Finnland. Bis zum 1. Juli hat Angela Merkel Zeit, den neuen EU-Vertrag – unglücklicherweise Verfassung genannt – aus dem Schlaf zu wecken. Das niederländische Kabinett und Parlament haben es nicht weiter gebracht als zu sagen, die EU-Verfassung sei tot. Das ist nicht nur beschämend, das disqualifiziert die Niederlande auch in der europäischen Debatte. Europa muss sich weiterentwickeln, und das doch besser nicht ohne die Niederlande. Eine engere europäische Zusammenarbeit ist in niederländischem Interesse. Lasst dieses Land dann nicht so dumm sein, sich außerhalb der Debatte zu stellen.”

JYLLANDS POSTEN (Arhus, Dänemark)
„Das neue Deutschland nimmt nun wirklich Form an. Es ist oft gesagt worden, dass dieses Land eine vorbildliche Demokratie ist. Hinzu kommt eine immer deutlichere Normalisierung der Außenpolitik seit der Wiedervereinigung 1990. 60 Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg und 16 Jahre nach der Vereinigung hat eine gesundes deutsches Selbstbewusstsein im Dienste aller mit Angela Merkel als Kanzlerin einen qualitativen Schub bekommen. Außerdem verbreitet sich in den europäischen Hauptstädten immer mehr das Gefühl, dass niemand anderes als Deutschland die Verantwortung dafür übernehmen kann, die demnächst 27 EU- Mitgliedsländer zusammenzuhalten. Deutschland ist als einziges der großen Länder willens, die europäische Gemeinschaft über nationale Interessen zu setzen. Letztere zu definieren, fällt den Deutschen immer noch schwer.”

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