Wie steht es um die Sicherheitsarchitektur in Europa? In seinem Essay macht sich Aziz Elmuradov, Praktikant am Institut für Friedensforschung und Sicherheitspolitik (IFSH), Gedanken über die aktuellen transatlantischen Beziehungen.

Die Aufmerksamkeit der internationalen Gemeinschaft ist nicht nur auf die Krise in der Ukraine gerichtet, sondern auch auf die damit verbundene Entwicklung der transatlantischen Beziehungen. Im September fand in Wales das Gipfeltreffen der NATO-Staaten statt, um auf die sich „dramatisch veränderten Sicherheitslandschaft im Osten und im Süden“ zu reagieren. Es ging unter anderem um die Frage nach der Kapazität der transatlantischen Gemeinschaft „North Atlantic Treaty Organisation“ (NATO), um auf die Situation in der Ostukraine im Rahmen der abgeschlossenen Bündnisverträge zu reagieren.

Altes Misstrauen – neuer Konflikt

Aziz Elmuradov ist Praktikant beim IFSH

Dieser Aufsatz argumentiert, dass die Ukraine-Krise schwerwiegende Auswirkungen auf die Sicherheit für die NATO hat und darüber hinaus drei wichtige Dynamiken beinhaltet: die komplexen Beziehungen zwischen Russland und dem Westen auf der einen Seite und zwischen den USA und Europa auf der anderen Seite spielen eine nicht unwesentliche Rolle. Es sind die alten Risse des gegenseitigen Vertrauens, die an die Zeit des Kalten Krieges erinnern

Die erste Dynamik bezieht sich auf die dauerhaften Spannungen innerhalb der NATO in Bezug auf ihre strategischen Ziele. Nach der Auflösung der Sowjetunion verlagerte die NATO nach dem Kalten Krieg ihren Schwerpunkt auf die Führung von militärischen und Krisenmanagement-Operationen auf der ganzen Welt. Dieser Transformation lag vor allem die Erkenntnis zugrunde, dass die nun ehemalige Sowjetunion für die NATO keine Sicherheitsgefahr mehr darstellte.

Sicherheitsherausforderungen für die Verbündeten hatten sich über den euroatlantischen Raum hinaus verlagert. Besonders in Regionen außerhalb ihres üblichen Fokus war die NATO mit neuen Herausforderungen beschäftigt.

Europäische Solidarität beweisen

Nach mehr als einem jahrzehntelangen Krieg in Afghanistan und einer politischen Krise in Kontinentaleuropa besteht heute wieder Bedarf für die NATO, sich auf die kollektive Sicherheit in Europa zu konzentrieren. Doch die Solidarität mit der NATO ist in Europa nicht so einfach.
Die Sicherheitsgarantie basiert auf der kollektiven Verteidigung aller Mitgliedstaaten in einem Bündnisfall. Somit markieren die NATO-Mitglieder die genannte rote Linie. Besonders die osteuropäischen NATO-Staaten sind beunruhigt darüber, dass diese Grenze überschritten werde könnte. In Wales versicherte der NATO-Generalsekretär Fogh Rassmussen, ihnen beizustehen und den Bündnispflichten im Rahmen der bestehenden NATO-Verträge – das NATO-Russland-Abkommen von 1997 eingeschlossen – wahrzunehmen. Darin ist festgeschrieben, dass es keine dauerhaften NATO-Truppen im Osten geben soll.

Die zweite Dynamik im Rahmen der gemeinsamen transatlantischen Sicherheit bezieht sich auf die Besorgnis über das Schwellenpotenzial für militarisierte und erweiterte Präsenz der NATO in den Mitgliedstaaten in Mittel-und Osteuropa. In Wales war man sich einig darüber, Provokationen gegenüber Russland zu vermeiden. Auch wenn Artikel 10 des Nordatlantikvertrages jeden europäischen Staat dazu einlädt, Bündnispartner zu werden.

Herausforderung der Diplomatie

Seit 2010 verfolgt die Ukraine eine blockfreie Politik. Darüber hinaus ist es nicht klar, ob die transatlantische Gemeinschaft bereit ist, ein neues Mitglied aufzunehmen. Einige Experten glauben, dass sich die NATO über die einigen nächsten Jahre nicht erweitern wird. Sie beziehen sich auf eine Wahrnehmung in einigen der westeuropäischen Länder, dass sich die NATO recht intensiv erweitert hat und dass die Allianz nun darüber diskutieren sollte, wie eine Reihe von komplexen Fragen, einschließlich der Perspektiven der Beziehungen zu Russland zu lösen ist, bevor man die neuen Mitglieder aufnimmt.

Und schließlich gelten NATO-Russland-Beziehungen als die dritte dynamische und wahrscheinlich die schwierigste Frage. Das russische Eingreifen in der Ukraine führte zur Aussetzung der zivilen und militärischen Zusammenarbeit zwischen der NATO und Russland im April des laufenden Jahres. Nun steht im Strategiepapier der NATO vom April 2014 geschrieben, dass die Prämisse, „seit 20 Jahren keinen Gegner im Osten zu haben“ fraglich sei. Viele Experten und Entscheidungsträger im Westen glauben, dass Russlands Annexion der Krim die Besorgnis der NATO-Mitglieder über Russlands Diplomatie rechtfertigt. Es gibt wachsende Skepsis gegenüber Russlands Partnerschaft im Rahmen des russischen Rates in der NATO. Trotz dieser wachsenden Unzufriedenheit gibt es dazu auch viele Gegenargumente im Westen. Sie unterstreichen, dass Europas langfristige Sicherheit auf kooperative Beziehungen mit Russland angewiesen ist. Die Krise in der Ukraine eröffnete ein neues Kapitel in den Russland-NATO-Beziehungen, und die transatlantische Sicherheitsgemeinschaft muss alle Optionen vorsichtig abwägen und einen umfassenden Ansatz der Diplomatie mit Russland zu ermöglichen.

Von Aziz Elmuradov

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